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Würzburg
Trio wegen Betrugs bei ebay-Kleinanzeigen in Würzburg vor Gericht: Durch einen "Deal" scheint schneller Prozess möglich
Es ist ein großer Fall von organisierter Kriminalität im Internet, das Verfahren über Würzburg hinaus viel beachtet: Warum und wie bereits bald ein Urteil fallen könnte.
Bei ebay Kleinanzeigen betrogen: Drei junge Männer aus Hessen sollen in über 1000 Fällen von Kunden Geld kassiert, aber keine Ware geliefert haben. Nun sitzen sie auf der Anklagebank vor der Jugendkammer des Landgerichts Würzburg.
Foto: Thomas Obermeier | Bei ebay Kleinanzeigen betrogen: Drei junge Männer aus Hessen sollen in über 1000 Fällen von Kunden Geld kassiert, aber keine Ware geliefert haben.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 15.07.2023 05:37 Uhr

Die drei jungen Männer aus Frankfurt, die an diesem Dienstag auf der Anklagebank am Landgericht  Würzburg sitzen, wirken, als kämen sie direkt aus einer Kaderschmiede für künftige Finanzhaie. Und wie wirtschaftlicher Erfolg aussieht, wissen die drei trotz ihres Alters von 20 und 21 Jahren, wenn man der Anklage glauben darf.

Sie hatten zum Teil noch keinen Führerschein, da waren die drei Angeklagten schon in dicken Schlitten unterwegs und führten offenbar ein Leben auf der Überholspur mit Glamour, teuren Klamotten und Luxus. Und selbst jetzt im Gerichtssaal wirkt das Trio - trotz Handschellen und Fußfesseln - unbeeindruckt von der Aussicht, dass ihm nun das Gefängnis droht. 

Auf Deutschlands größter Internet-Plattform unterwegs

Ihr Revier war Deutschlands größte Internet-Plattform für Gebrauchtwaren: "ebay-Kleinanzeigen". Dort sollen sie laut Staatsanwaltschaft in kurzer Zeit fast eine Million Euro verdient haben. Das ging, indem sie Tausenden von gutgläubigen Kundinnen und Kunden Geld aus der Tasche zogen - für offerierte Waren, die sie gar nicht lieferten.

Nicht nur dem Vorsitzenden der Jugendkammer, Richter Michael Schaller, auch dem Staatsanwalt und den sechs Verteidigern ist klar: Die Anklage ist nur die Spitze des Eisberges in einem großen Fall von Organisierter Kriminalität. Der Betrug habe so geklappt, wie Clan-Kriminalität eben funktioniere, sagt ein mit dem Fall vertrauter Ermittler: mit vielen helfenden Händen von Verwandten, Freunden und Geschäftspartnern der drei Angeklagten, die größtenteils noch unbekannt sind.

Falsche Identitäten mit echten Ausweisen besorgt

Falsche Identitäten erschlichen sie sich mit den Ausweisen ehrlicher ebay-Kunden, beschafft von Helfern, mutmaßlich aus dem Raum Schweinfurt. Und mit geknackten Passwörter und getarnten Konten, von denen die Beute ruckzuck wieder verschwand. Die Anklage spricht von 1000 Strafanzeigen, insgesamt 1800 belegbaren Fällen, 98 Konten und fünf Paypall-Konten. Aber niemand kann abschätzen, wie viele geprellte Kunden sich - vielleicht aus Scham - gar nicht zur Polizei trauten. Die Einnahmen dürften bei weit mehr als den in der Anklage veranschlagten 900.000 Euro gelegen haben, mutmaßen Ermittler.

Bereits am zweiten Verhandlungstag: Sondierung für eine Verständigung vor Gericht

All diese Ungewissheiten schweben drohend über einem Verfahren, das sich in der Beweisaufnahme mit Dutzenden von Zeugen unterschiedlicher Aussagebereitschaft monatelang hinziehen könnte. Deshalb beginnt schon dieser zweite Verhandlungstag nach fünf Minuten mit einer Sondierung: Wäre eine Verständigung möglich, die den Prozess abkürzt, zu Geständnissen führt und dafür die Strafe für die drei Angeklagten in mildem Rahmen hält?

So anrüchig solche "Deals" klingen mögen, so pragmatisch sind sie oft in der Realität, um schwierige Verfahren nicht in die Länge zu ziehen. Die Beratung dauert gut eine Stunde. Dann heißt es: Man könne sich eine Verständigung vorstellen, wenn das Gericht mitmacht. Klare Geständnisse gleich zu Beginn, die den Prozess abkürzen, manche Zeugenaussagen überflüssig machen und vielleicht sogar deutliche Einblicke in das Vorgehen der Angeklagten geben. 

Vorsitzender Richter: womöglich doch sehr moderates Strafmaß

Im Gegenzug erwarten die sechs Verteidiger ein Entgegenkommen beim Strafmaß für ihre drei Mandanten. Haftstrafen zwischen eineinhalb und drei Jahren kann sich auch die Jugendkammer vorstellen. Obgleich Schaller murrt, dieser Strafrahmen "kommt mir schon recht moderat vor".

Dann steigt das Gericht in die Beweisaufnahme ein: Vier Kunden schildern, wie sie gelockt wurden, sofort und ungesichert Geld zu überweisen. Und wie sie dann vergeblich auf die gekaufte Ware warteten. Einer entdeckte zu spät, dass sich einer der mutmaßlichen Betrüger frech mit einem Ausweis getarnt hatte, auf dem das Bild eines prominenten Fußballers von Borussia Dortmund zu sehen war. 

Geständnisse am nächsten Verhandlungstag erwartet - und ein schnelles Urteil

Das Gericht hat nun gute Chancen, den Fall mit solide unterfütterten Geständnissen weitgehend aufzuklären. Die wurden von den Verteidigern für Freitag, 21. Juli, angekündigt. Dann könnte das Gericht statt womöglich erst im September schon am 26. Juli zu einem Urteil kommen.

 
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  • R. R.
    Hätten wir nicht solche Deals dann wären unsere Gefängnisse auch nicht überfüllt mit sehr vielen Wiederholungstätern. Die Täter kommen in 1-2 Jahren raus haben noch das ergaunerte Geld gebunkert und Gaunern weiter . Deutschland ist ein Ort geworden wo sich Gauner ne goldene Nase verdienen und das ergaunerte Legal weiter arbeiten lässt bis man wieder aus dem Knast kommt und ein sorgenfreies Leben führen kann. Armer arbeitende Bürger die nach 45 Jahren von doppelt besteuerte niedrig Renten ihr Leben meistern müssen.
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  • R. A.
    Typisch deutsch.
    Es privilegiert den Täter!
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  • E. P.
    Diebstahl lohnt sich wieder! Gerechnet an dem Schaden der verursacht wurde sowie einer frühzeitigen Entlassung bei guter Führung ist selbst 3 Jahre zu wenig. Den „Gewinn“ hätten die Täter in dieser Zeit nicht erarbeiten können und daran sollte sich die Strafe auch bemessen. Ansonsten wieder mal ein falsches Signal.
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  • M. R.
    Sie verwechseln aber hier Strafe mit Bewährungsauflagen
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