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Würzburg
Würzburger Polizei nimmt "Poser-Szene" stärker ins Visier
Ermittler reagieren auf massive Beschwerden über Lärm und aggressives Verhalten bei "Spazierfahrten" und illegalen Wettrennen. Mit Kontrollen will sie die Übeltäter stoppen.
Illegalen Autorennen der 'Poser-Szene' – wie geschehen im Dezember 2019 an dieser Stelle in Heidingsfeld – sagt die Würzburger Polizei den Kampf an.
Foto: Kathrin Königl | Illegalen Autorennen der "Poser-Szene" – wie geschehen im Dezember 2019 an dieser Stelle in Heidingsfeld – sagt die Würzburger Polizei den Kampf an.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:42 Uhr

Mit drohendem Bollern warten zwei hörbar PS-starke Wagen nebeneinander. Ein kurzer Blick von einem Fahrer zum anderen, ein Nicken – es kommt zum Kräftemessen. Die Ampel wird grün. Hunderte von PS nehmen dumpf grollend Fahrt auf.

"Denn sie wissen nicht, was sie tun"

Dann kommt es zu Szenen wie aus dem James-Dean-Film „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ – aber den Würzburger Heuchelhof hinunter oder am Europastern, am Kulturspeicher stadtauswärts oder durch die nächtliche Ludwigstraße zum Berliner Ring. Zwei teure Wagen (oft zusätzlich getunt) beschleunigen auf bis zu 150 „Sachen“ – ohne Rücksicht darauf, dass jetzt vielleicht der Bremsweg zu lang ist für arglose Fußgänger, die gerade über die Fahrbahn wollen.

Im vorigen Dezember in Heidingsfeld kam eine Passantin nur mit viel Glück mit dem Leben davon. Bei einem anderen Wettrennen in den engen Kurven vor dem Maritim-Hotel schlingerten die Fahrzeuge so stark, dass Passanten es mit der Angst bekamen. Und erst am vorigen Wochenende driftete ein Mercedes-Fahrer munter durch den Kreisverkehr in der Nürnberger Straße – ohne Führerschein, aber mit 1,3 Promille im Blut.

Massive Beschwerden

Würzburgs Polizeichef Matthias Weber weiß von der wachsenden „Poser-Szene“, die den Rest der Bevölkerung massiv verunsichert. Seine Mitarbeiter berichten von Beschwerden über Lärm und aggressives Anpöbeln anderer Kunden an den Tankstellen, an denen sich die Szene trifft.

Oft wird die „Poser-Szene“ einfach nur ihrem Namen gerecht. Sie fährt mit ihren bullernden PS-Monstern laut und langsam an den Cafés der Innenstadt vorbei, auf der Suche nach Aufmerksamkeit, als wollten sie rufen: „„Guckt mal, was ich für ein toller Hecht bin, der sich so eine teure Karre leisten kann.“ Das laute Röhren von Motor und Auspuff sowie Musikanlagen in Diskotheken-Stärke sollen für Bewunderung sorgen. Gerade das werde von der Bevölkerung als „besonders störend wahrgenommen,“ sagt Weber. 

"Donut" auf dem Asphalt

Zu den szenetypischen „Späßen“ gehört der „Donut“: Auf einem städtischen Parkdeck wird mit kreischenden Reifen und höllischem Lärm Reifenabrieb auf den Asphalt gemalt, dessen Form an die amerikanischen Krapfen erinnert. Dass dabei Fahrbahnmarkierungen im Wert von Tausenden von Euro abradiert werden, stört keinen der Poser.

Die Polizei nimmt die "Poser-Szene" jetzt gezielt ins Visier. Eine erste Großkontrolle am Freitagabend war der Startschuss. Hauptkommissarin Jessica Schaffer soll sich um das Phänomen mit einer eigenen Arbeitsgruppe intensiv kümmern. Es werde einen vielschichtigen Bekämpfungsansatz mit Geschwindigkeitsmessungen und gezielten technischen Kontrollen geben, kündigt sie an.

"Es geht nicht um die Freizeitschrauber"

„Es geht uns ausdrücklich nicht um die Freizeit-Schrauber und Designer, die in ihr Hobby viel Liebe und Geld stecken, um ihre Fahrzeuge zu veredeln,“ macht Polizeichef Weber deutlich. Seine Mitarbeiter haben die Poser-Szene und ihr Umherstolzieren ohne Rücksicht auf andere im Blick. „Die wollen wir in flagranti erwischen“ sagt Schaffer – vor allem bei Wettrennen, die sogar mitgefilmt und dann als Rap-Videos stolz ins Internet gestellt werden.

Unnötiges Umherfahren sei Lärmbelästigung, bei Vorsatz drohe den Fahrern ein Bußgeld, betont Pressesprecher Steffen Hein. Bei den Kontrollen sollen Experten der Dekra die Autos unter die Lupe nehmen. Wurden unerlaubte Veränderungen vorgenommen, kann das Fahrzeug stillgelegt werden, bis es wieder im ursprünglichen Zustand ist. „Da wird dann samt Gutachten schnell ein vierstelliger Betrag fällig“, betont Schaffer. 

Müssen Fahrer zur Nachschulung?

„Wir haben auch aktuell in der Planung, auffällige Fahrer zu einer Nachschulung zum Verkehrs-Unterricht zu bitten,“ sagt sie. Das laufe bereits ähnlich in Aschaffenburg, „um Uneinsichtige einzufangen.“

Der schärfere Bußgeldkatalog von Verkehrsminister Andreas Scheuer wäre der Polizei da gerade recht gekommen. Da wäre künftig schon bei einer Tempo-Überschreitung von 21 Kilometer pro Stunde ein Fahrverbot drin – eine wirksame Drohung. Aber bisher hat sich der Minister bei der angekündigten Verschärfung  eher als „Poser“ statt als „Macher“ gezeigt. Und den Rückwärtsgang eingelegt.

 
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