Prof. Hans-Joachim Lauth ist seit 2008 Inhaber des Lehrstuhls für Vergleichende Politikwissenschaft und Systemlehre an der Universität Würzburg. Neben dem Vergleich politischer Systeme beschäftigt sich Lauth vor allem mit Fragen der Demokratie. Als Politikwissenschaftler hat er bereits viele Kandidatenrennen verfolgt. Wie bewertet er den laufenden Bundestagswahlkampf und was sagt er zu den aktuellen Umfrageergebnissen?
Hans-Joachim Lauth: Der ist in Urlaubsstimmung. Dieser Wahlkampf läuft mehr so nebenbei auf Schmalspur. Das liegt natürlich auch am Wahltermin, viele Menschen sind im Urlaub. Aber ein wirklich heißer Wahlkampf findet ja auch nicht statt. In den Medien dominieren ganz andere Schlagzeilen: Corona, Unwetterkatastrophen, Olympia. Durch Corona fehlen zudem die Großveranstaltungen und direkten Kontakte. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob Großveranstaltungen so viel Zulauf hätten, weil in diesem Wahlkampf die charismatischen Spitzenkandidaten fehlen, die man mal gesehen haben muss.
Lauth: In einigen Bundesländern beginnt ja jetzt erst die Plakatierung. Die Parteien planen wohl wieder einen großen Höhepunkt nach den Ferien. Das kann aber zu spät sein, weil viele dann schon gewählt haben. Denn der Anteil der Briefwähler wird stark steigen.
Lauth: Zum Auftakt gab es die Ungenauigkeiten im Lebenslauf von Annalena Baerbock von den Grünen und die kleine Lacher-Affäre von Unionskandidat Armin Laschet. Während 2002 SPD-Kanzler Gerhard Schröder noch von einem Hochwasser profitieren konnte, bleibt Laschet hier zurückhaltend und wird für sein Krisenmanagement kritisiert. Dies hat Baerbock und Laschet erst einmal in die Defensive gebracht. Olaf Scholz sagt sich wohl, bevor ich auch einen Fehler mache, halte ich mich besser zurück. Denn er profitiert von den Fehlern der anderen.
Lauth: Die Grünen haben ja eine pointierte Kurzfassung ihres Wahlprogramms vorgestellt. Die Breitseite ging eindeutig gegen die CDU/CSU - nicht gegen SPD oder FDP. Das macht deutlich, wo die Grünen eine neue Regierungskonstellation sehen. Beim Thema Klima kann Armin Laschet nicht überzeugen, schweigt, will sich nicht festlegen. Aber über 70 Prozent der Deutschen sind überzeugt, dass es ein wichtiges Thema ist, das die Wahl entscheiden kann. Das ist ein Vorteil für die Grünen. Sie haben jedoch den Nachteil, dass ihre Kandidatin schlecht gestartet ist und ein schlechtes Krisenmanagement an den Tag gelegt hat. Und sie hat keinerlei Regierungserfahrung.
Lauth: Obama wird in Europa überschätzt, in den USA mehren sich auch kritische Stimmen. Vor allem in der Außenpolitik hat er wenig bewegt. Aber er war ein großer Kommunikator, wirkte höchst professionell und die Amerikaner schätzen Quereinsteiger mehr als wir Deutschen.
Lauth: Es gibt genügend Überschneidungen in der Programmatik. Prinzipiell würde das schon gehen, aber nur, wenn es keine andere Mehrheit gibt. Ich bin überzeugt, dass die Grünen lieber mit der SPD und der FDP regieren würden. Vor allem, wenn sie so die Kanzlerin stellen würden. Und ich denke, dass auch FDP-Chef Christian Lindner sich nicht verweigern könnte, diese Konstellation zumindest mal zu probieren. Sie ist nach den aktuellen Umfragendurchaus wahrscheinlich. Ich denke, dass Laschet der Union die Kanzlerschaft kosten wird, weil er nicht genügend Stimmen bekommt, um ein Bündnis gegen die Union zu verhindern. Laschet hat nicht nur keinen Kanzlerbonus, er ist auch ein angeschlagener Ministerpräsident und er war nicht die allererste Wahl für den Parteivorsitz.
Lauth: Zumindest würden wir uns jetzt nicht über einen langweiligen Wahlkampf unterhalten. Er hätte da bestimmt mehr Schwung reingebracht. Fraglich ist jedoch, inwieweit gewisse Ressentiments gegen Politiker aus Bayern im Norden oder Osten des Landes eine Rolle gespielt hätten. Allerdings haben mich die 37 Prozent der CSU bei aktuellen Umfragen in Bayern überrascht. So gut ist die Performance dann auch nicht. Zudem hat er mit seinem Koalitionspartner Freie Wähler inzwischen seine internen Probleme.
Lauth: Die hat er, aber sein Problem ist die SPD. Erstmalig dürften die beiden Volksparteien bei einer Bundestagswahl zusammen nur knapp oder gar nicht 50 Prozent erreichen. Aber wenn Armin Laschet nicht deutlich über 30 Prozent kommt, werden Grüne, SPD und FDP ein Bündnis ohne die Union schmieden. Ob die Grünen oder die Sozialdemokraten mehr Prozentpunkte haben, entscheidet dann über den Kanzler oder die Kanzlerin. Die Grünen liegen derzeit drei bis vier Prozentpunkte vor der SPD. Das kann sich noch drehen. Personen spielen bei Bundestagswahlen immer eine große Rolle. Olaf Scholz hat Regierungserfahrung und hat es in der Corona-Krise gar nicht schlecht gemacht. Seine Vergesslichkeit bei der ein oder anderen Finanzaffäre wirft man ihm nicht vor. Und er wäre auch in der Außenpolitik kein Leichtgewicht. Da liegen die Defizite bei Annalena Baerbock, die wiederum mit den Grünen die bessere Klimapolitik vertritt.
Lauth: Nein, das würde die SPD nicht machen. Die Große Koalition hat ihr nichts gebracht, da geht sie lieber in die Opposition.
Ich sehe unsere Speditionen werden im Herbst mehr als ausgelastet sein, bei der Anzahl der bereits jetzt angekündigten Auswanderungen im Falle einer grünen Regierungsbeteiligung.
Zumindest eine Branche, die voller Zuversicht in die Zukunft schauen kann. Oder sind das dann doch nur leere Drohungen?