zurück
Würzburg
Würzburger Politologe: Warum Olaf Scholz doch noch Bundeskanzler werden kann
Armin Laschet wird die Union die Kanzlerschaft kosten, sagt Politikwissenschaftler Hans-Joachim Lauth. Welche Koalition er ausschließt - und mit welcher er aktuell rechnet.
Laschet, Baerbock oder doch Scholz? Dem diesjährigen Bundestagswahlkampf fehlt die charismatische Persönlichkeit, sagt der Würzburger Politologe Hans-Joachim Lauth. 
Foto: Christian Mang, dpa | Laschet, Baerbock oder doch Scholz? Dem diesjährigen Bundestagswahlkampf fehlt die charismatische Persönlichkeit, sagt der Würzburger Politologe Hans-Joachim Lauth. 
Folker Quack
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:52 Uhr

Prof. Hans-Joachim Lauth ist seit 2008 Inhaber des Lehrstuhls für Vergleichende Politikwissenschaft und Systemlehre an der Universität Würzburg. Neben dem Vergleich politischer Systeme beschäftigt sich Lauth vor allem mit Fragen der Demokratie. Als Politikwissenschaftler hat er bereits viele Kandidatenrennen verfolgt. Wie bewertet er den laufenden Bundestagswahlkampf und was sagt er zu den aktuellen Umfrageergebnissen? 

Herr Professor Laut, wie finden Sie den aktuellen Wahlkampf?

Hans-Joachim Lauth: Der ist in Urlaubsstimmung. Dieser Wahlkampf läuft mehr so nebenbei auf Schmalspur.  Das liegt natürlich auch am Wahltermin, viele Menschen sind im Urlaub. Aber ein wirklich heißer Wahlkampf findet ja auch nicht statt. In den Medien dominieren ganz andere Schlagzeilen: Corona, Unwetterkatastrophen, Olympia. Durch Corona fehlen zudem die Großveranstaltungen und direkten Kontakte. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob Großveranstaltungen so viel Zulauf hätten, weil in diesem Wahlkampf die charismatischen Spitzenkandidaten fehlen, die man mal gesehen haben muss.  

Erwarten Sie noch eine heiße Phase vor dem 26. September? 

Lauth: In einigen Bundesländern beginnt ja jetzt erst die Plakatierung. Die Parteien planen wohl wieder einen großen Höhepunkt nach den Ferien. Das kann aber zu spät sein, weil viele dann schon gewählt haben.  Denn der Anteil der Briefwähler wird stark steigen. 

Erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik steht die amtierende Regierungschefin nicht mehr zur Wahl. Dafür wollen gleich drei Kanzler oder Kanzlerin werden. Warum kommt da nicht wenigstens mehr Spannung auf?  

Lauth: Zum Auftakt gab es die Ungenauigkeiten im Lebenslauf von Annalena Baerbock von den Grünen und die kleine Lacher-Affäre von Unionskandidat Armin Laschet. Während 2002 SPD-Kanzler Gerhard Schröder noch von einem Hochwasser profitieren konnte, bleibt Laschet hier zurückhaltend und wird für sein Krisenmanagement kritisiert. Dies hat Baerbock und Laschet erst einmal in die Defensive gebracht. Olaf Scholz sagt sich wohl, bevor ich auch einen Fehler mache, halte ich mich besser zurück. Denn er profitiert von den Fehlern der anderen.   

Prof. Dr. Hans-Joachim Lauth hat  seit 2008 den Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft und Systemlehre am Institut für Politikwissenschaft der Universität Würzburg inne. 
Foto: IPS | Prof. Dr. Hans-Joachim Lauth hat  seit 2008 den Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft und Systemlehre am Institut für Politikwissenschaft der Universität Würzburg inne. 
Und wer hat dann die größten Chancen?

Lauth: Die Grünen haben ja eine pointierte Kurzfassung ihres Wahlprogramms vorgestellt. Die Breitseite ging eindeutig gegen die CDU/CSU - nicht gegen SPD oder FDP. Das macht deutlich, wo die Grünen eine neue Regierungskonstellation sehen. Beim Thema Klima kann Armin Laschet nicht überzeugen, schweigt, will sich nicht festlegen. Aber über 70 Prozent der Deutschen sind überzeugt, dass es ein wichtiges Thema ist, das die Wahl entscheiden kann. Das ist ein Vorteil für die Grünen. Sie haben jedoch den Nachteil, dass ihre Kandidatin schlecht gestartet ist und ein schlechtes Krisenmanagement an den Tag gelegt hat. Und sie hat keinerlei Regierungserfahrung. 

Die hatte Barack Obama auch nicht und wurde ein viel gelobter Präsident der USA.

Lauth: Obama wird in Europa überschätzt, in den USA mehren sich auch kritische Stimmen. Vor allem in der Außenpolitik hat er wenig bewegt. Aber er war ein großer Kommunikator, wirkte höchst professionell und die Amerikaner schätzen Quereinsteiger mehr als wir Deutschen. 

Das würde dann wieder für Laschet als Kanzler einer schwarz-grünen Koalition sprechen?

Lauth: Es gibt genügend Überschneidungen in der Programmatik. Prinzipiell würde das schon gehen, aber nur, wenn es keine andere Mehrheit gibt. Ich bin überzeugt, dass die Grünen lieber mit der SPD und der FDP regieren würden. Vor allem, wenn sie so die Kanzlerin stellen würden. Und ich denke, dass auch FDP-Chef Christian Lindner sich nicht verweigern könnte, diese Konstellation zumindest mal zu probieren. Sie ist nach den aktuellen Umfragendurchaus wahrscheinlich. Ich denke, dass Laschet der Union die Kanzlerschaft kosten wird, weil er nicht genügend Stimmen bekommt, um ein Bündnis gegen die Union zu verhindern. Laschet hat nicht nur keinen Kanzlerbonus, er ist auch ein angeschlagener Ministerpräsident und er war nicht die allererste Wahl für den Parteivorsitz. 

Hätte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder das besser gemacht?

Lauth: Zumindest würden wir uns jetzt nicht über einen langweiligen Wahlkampf unterhalten. Er hätte da bestimmt mehr Schwung reingebracht. Fraglich ist jedoch, inwieweit gewisse Ressentiments gegen Politiker aus Bayern im Norden oder Osten des Landes eine Rolle gespielt hätten. Allerdings haben mich die 37 Prozent der CSU bei aktuellen Umfragen in Bayern überrascht. So gut ist die Performance dann auch nicht. Zudem hat er mit seinem Koalitionspartner Freie Wähler inzwischen seine internen Probleme.  

Aber Olaf Scholz? Hat er überhaupt Chancen, Kanzler zu werden? 

Lauth: Die hat er, aber sein Problem ist die SPD. Erstmalig dürften die beiden Volksparteien bei einer Bundestagswahl zusammen nur knapp oder gar nicht 50 Prozent erreichen. Aber wenn Armin Laschet nicht deutlich über 30 Prozent kommt, werden Grüne, SPD und FDP ein Bündnis ohne die Union schmieden. Ob die Grünen oder die Sozialdemokraten mehr Prozentpunkte haben, entscheidet dann  über den Kanzler oder die Kanzlerin. Die Grünen liegen derzeit drei bis vier Prozentpunkte vor der SPD. Das kann sich noch drehen. Personen spielen bei Bundestagswahlen immer eine große Rolle. Olaf Scholz hat Regierungserfahrung und hat es in der Corona-Krise gar nicht schlecht gemacht. Seine Vergesslichkeit bei der ein oder anderen Finanzaffäre wirft man ihm nicht vor. Und er wäre auch in der Außenpolitik kein Leichtgewicht. Da liegen die Defizite bei Annalena Baerbock, die wiederum mit den Grünen die bessere Klimapolitik vertritt.  

Oder es reicht am Ende doch für eine Neuauflage der bestehenden Koalition?

Lauth: Nein, das würde die SPD nicht machen. Die Große Koalition hat ihr nichts gebracht, da geht sie lieber in die Opposition. 

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Folker Quack
Annalena Baerbock
Armin Laschet
Barack Obama
Bayerische Ministerpräsidenten
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bundestagswahl
CSU
Christian Lindner
Covid-19-Pandemie
FDP
FDP-Parteivorsitzende
Freie Wähler
Gerhard Schröder
Große Koalition
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Kanzler
Markus Söder
Ministerpräsidenten
Olaf Scholz
Politikwissenschaftler
Politische Kandidaten
Professoren
Regierungschefs
SPD
Sozialdemokraten
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Doedi.wue
    Wenn die grüne Stümperin,die momentan nur mit Entschuldigungen und Fettnapfbegehung ihrerseits auffällt,in irgendeiner Weise politisch tätig werden sollte,ist es angebracht Deutschland den Rücken zu kehren.Nur das dümmste Kalb sucht sich seinen Metzger selbst!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Lebenhan1965
    @ Doedi

    Ich sehe unsere Speditionen werden im Herbst mehr als ausgelastet sein, bei der Anzahl der bereits jetzt angekündigten Auswanderungen im Falle einer grünen Regierungsbeteiligung.

    Zumindest eine Branche, die voller Zuversicht in die Zukunft schauen kann. Oder sind das dann doch nur leere Drohungen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • ralfestenfeld@aol.com
    Gehen wir doch alle erst mal wählen. Dann sehen wir weiter. Vermeintlich Experten sind genauso zuverlässig in der Prognose wie Prognosen an sich.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Franken48
    @gerbrunn Möchten Sie so eine Niete, wie der G20 Hamburg Bürgermeister Scholz als Kanzler, nie und nimmer.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Franken48
    Scholz kann nie Kanzler werden. Die FDP geht niemals mit den Grünen zusammen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • info@gerbrunn.de
    Frau Baerbock mag als Umweltministern, gepflegt und unterstützt von Heerscharen an Ministerialbeamten noch vertretbar sein, Herr Laschet ist ein mittelmäßiger Landesvater - ein Blick in die Medienlandschaft NRW sollte reichen - was bleibt ist ein national und international erfahrener Olaf Scholz als Kanzler. Das zählt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Albatros
    @gerbrunn, zugegeben, Herr Scholz ist von den drei Kandidaten mit großem Abstand die größte Persönlichkeit. Was die internationale Erfahrung angeht, die vergessen wir mal ganz schnell, denn die hat er nicht. Aber das viel größere Problem ist die Partei für die er steht, und ich kann nur sagen, Gott bewahre uns vor der SPD, die letztlich nur noch ein Abklatsch der LINKEN ohne eigenes Gesicht darstellt. Die Eitelkeit und das eigene Ego eines Herrn Laschet wird seiner Partei mindestens 10 Prozentpunkte kosten. Frau Baerbock hält sich seit Wochen zurück und hofft auf den Faktor "vergessen". Die GRÜNEN hätten mit Özdemir eine echte Chance gehabt, stärkste Partei zu werden, aber der stand nicht zur Verfügung. Im September sind alle Konstellationen möglich, Gott bewahre uns nur vor einer rot-rot-grünen Regierung, dies wäre der Supergau.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • folker.quack@mainpost.de
    Natürlich sind Umfragen nur Momentaufnahmen - was zählt ist das Wahlergebnis. Aber in der Tendenz liegen die Umfragen meistens ganz gut. Darum kann eine grün-rot-rote Koalition ausgeschlossen werden. Denn diese Konstellation müsste mehr Stimmen haben als CDU/CSU, FDP und AfD zusammen, um regieren zu können. Das wird mit der schwächelnden Linken, die derzeit kaum über 6Prozent kommt, und einer erstarkten FDP nicht passieren.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten