Die Stadt wird in zwei Jahren um eine Superlative reicher sein: 2018 soll eine Modellfabrik für Industrie 4.0 am Süddeutschen Kunststoffzentrum (SKZ) im Stadtteil Lengfeld in Betrieb gehen. Am Montag übergab Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner bei einem Festakt eine Art Baugenehmigung für das 16 Millionen Euro teuere Vorhaben. Der Freistaat trägt 14,8 Millionen davon, den Rest muss das SKZ aus eigenen Mitteln aufbringen.
Nach SKZ-Angaben wird die Modellfabrik weltweit einzigartig sein. In ihr werden top-moderne Abläufe zur Herstellung von Kunststoffen getestet und der Fachwelt gezeigt. Die Fabrik mit 80 Mitarbeitern sei ein „Leuchtturmprojekt rund um die Thematik Industrie 4.0“, heißt es in einer Mitteilung.
300 geladene Gäste beim Festakt
Vor 300 geladenen Gästen aus Politik, Forschung, Behörden und Wirtschaft sagte SKZ-Institutsdirektor Martin Bastian beim Festakt, dass die „Modellfabrik 2020“ als ein Kompetenzzentrum für die Kunststoff-Fachwelt zu verstehen sei. Es werde zeigen, „wie morgen gearbeitet wird“.
Nach SKZ-Darstellung sollen vor allem kleine und mittelständische Unternehmer in der Modellfabrik sehen, was Produktion im Sinne von Industrie 4.0 heißt. Eine zweifellos sinnvolle Stoßrichtung: Gerade Mittelständler tun sich bisweilen schwer, sich auf Industrie 4.0 einzulassen oder entsprechende Investitionen in ihren Betrieb zu wagen.
Die in der Modellfabrik gewonnenen Erkenntnisse sollen in ein weltweites Netzwerk des Wissens einfließen, von dem Forscher, Industrielle, Facharbeiter oder Handwerksmeister aus nah und fern gleichermaßen profitieren können.
Vor diesem Hintergrund hob Ministerin Aigner beim Festakt in Würzburg hervor, dass die Modellfabrik ein Brückenschlag in die industrielle Zukunft sein werde. Was gerade für die vielen Mittelständler wichtig sei, die sich in der Kunststoffbranche tummeln. Insofern sei die Förderung des Freistaates in Höhe jener 14,8 Millionen Euro „gut investiertes Geld“.
Modellfabrik direkt neben SKZ
Die dreistöckige Modellfabrik wird auf einem derzeit brach liegenden Grundstück am Friedrich-Bergius-Ring in Würzburg gebaut – fast in direkter Nachbarschaft zum SKZ-Technologiezentrum. Wann der Spatenstich ist, war am Montag noch nicht klar.
2018 soll die Modellfabrik fertig sein. Aigner übergab am Montag an SKZ-Chef Bastian eine Bewilligung ihrer Behörde, dass mit ersten Schritten für den Neubau begonnen werden darf – noch vor dem offiziellen Ja zur Finanzspritze durch den Freistaat.
Der Festakt am Montag war eingebettet in den „SKZ-Netzwerk-Tag“, zu dem sich Vertreter aus der Kunststoffbranche trafen. In Vorträgen ging es dabei unter anderem darum, was genau Industrie 4.0 für die Kunststofftechnik bedeutet und welche Rolle additive Fertigungsverfahren (3D-Druck) zum Beispiel in der Medizintechnik spielt.
Preis für Katja Sauer aus Opferbaum
Der Netzwerk-Tag war auch der Rahmen für eine Auszeichnung: Katja Sauer aus Opferbaum (Lkr. Würzburg) erhielt den mit 1000 Euro dotierten SKZ-Nachwuchspreis für ihre am Kunststoffzentrum angefertigte Diplom-Arbeit.
Darin beschäftigt sich die 25-Jährige mit dem Alterungsprozess von Polyethylen. Den Preis gibt es seit 2013. Sauer war Studentin an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg und arbeitet mittlerweile im SKZ
Smart Factory wird eingerichtet
Bei dem Treffen wurde mehrfach betont, dass Kunststoffe in der Industrie immer wichtiger würden und Metall oder Glas zunehmend verdrängten. Insofern sei Industrie 4.0 für die Kunststoffbranche von besonderer Bedeutung.
In der Modellfabrik in Würzburg wird es nach SKZ-Angaben eine Smart Factory geben, also eine „intelligente Fabrik“ mit selbstdenkenden und selbstlenkenden Produktionsabläufen. Auch ein Technikum für additive Fertigung werde in der Modellfabrik installiert.
Industrie 4.0
Dieser Begriff umschreibt die „vierte industrielle Revolution“, ein Top-Thema seit Monaten in Fachkreisen. Gemeint ist damit nach dem Einsatz von Dampfmaschinen und Wasserkraft (Industrie 1.0), der Einführung von Fließbändern als Mittel der Massenfertigung (2.0) und dem Einsatz von Computern (3.0), dass nun die Computer verschwinden, die Produkte ihre Daten in sich tragen („Internet der Dinge“) und dass die Produktionsdaten nahezu grenzenlos vernetzt werden – im Betrieb und nach draußen.
Süddeutsches Kunststoffzentrum: 1961 in München gegründet und 1962 in Würzburg eröffnet, ist das von einem Förderverein getragene SKZ heute eine der führenden Adressen in Europa, wenn es um Kunststoff geht.
In Fachkreisen wird das SKZ auch als Kunststoff-TÜV bezeichnet, weil von Würzburg aus Kunststoffprodukte untersucht und getestet werden. Neben der Grundlagen- und Auftragsforschung bietet das SKZ Fortbildungen und Zertifizierungen an. Das SKZ hat Außenstellen in Horb/Neckar, Halle, Peine und Selb sowie im Ausland.