Innovativ waren die Mitarbeiter um den Chef des Heizkraftwerkes an der Friedensbrücke schon immer. Als die Preise für Strom aus Dampf- und Gasturbinen einbrachen, suchten sie sich neue Märkte. Zuerst ging man an die Vermarktung für Sekundär-Regelleistung.
In einem Gespräch im wohl schönsten Heizkraftwerk Deutschlands, das zum Portfolio der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) gehört, erläutert Lewetz auch für Laien, was dahintersteckt. „Wir verdienen seit 2013 Geld mit der Sekundärregelleistung. Gas- und Dampfturbinenanlagen sind hocheffizient und können schnell hoch- und runtergefahren werden.“ Und das ist laut dem Kraftwerk-Chef enorm wichtig in der heutigen Zeit. Und für diese Einsätze gibt es natürlich Geld.
Netzstabilität häufig in Gefahr
Das Zauberwort heißt hier Netzstabilität. Die ist nämlich häufig in Gefahr. Der Grund: Seit der Energiewende werden immer mehr erneuerbare Energien ins Netz eingespeist. Und damit steigen die Herausforderungen an die Netzbetreiber, das Stromnetz stabil zu halten, sagt Lewetz. Denn wenn es bewölkt ist, liefern Photovoltaikanlagen wenig Energie oder Windräder stehen bei Flaute still. Dann muss die Netzfrequenz von 50 Hertz ja auch gehalten werden.
Seit 2015 sammelt die WVV daher Heizkraftwerke in einem Pool für solche Einsätze. „Wir haben die Experten in Würzburg und wir haben das technische Know-How“, versichert Lewetz. Der aktuelle Stand: 165 Vertragspartner mit 260 Anlagen, von Gasturbinen bis zum Bio-Kraftwerk, hören auf das Signal aus Würzburg, wenn die Netz-Frequenz wankt. Und die müssen dann binnen fünf Minuten ihre Leistung abgeben können.
Pool bewährt sich bei Sonnenfinsternis
Klassisches Beispiel: Die Sonnenfinsternis am 20. März. Da musste sich der Kraftwerkspool bewähren. Und alles lief glatt. Die Würzburger und ihre Partner leisteten ihren Beitrag, um das Netz stabil zu halten, als die Photovoltaik-Anlagen ausstiegen. „Damals waren wir ganz schön stolz auf unsere Leistung.“
Doch mittlerweile knabbern einige Mitkonkurrenten am Kuchen mit. Das Angebot steigt daher und die Erlöse werden kleiner. Doch die Würzburger sind findig. Sie haben nun den Markt für die Primärregelleistung erschlossen. „Wir haben unsere Anlage an der Friedensbrücke schneller gemacht. Das können nur die Wenigsten“, sagt Lewetz. Und für kommunale Anbieter, die es schaffen, binnen 30 Sekunden ihre Leistung anzubieten, gibt es natürlich auch mehr Geld.
Turbinen stehen auf Sprint
„Wir haben die voreingestellten Werte bei den Gas- und Dampf-Turbinen verändert. Das ist wie der Fahrerlebnisschalter bei Autos. Bei uns stehen die jetzt auf Sprint. Wir beanspruchen die Turbinen stärker innerhalb der Toleranzen.“ Das Heizkraftwerk schafft damit zehn Megawatt binnen 30 Sekunden. Die Präqualifikation von Netzbetreiber Tennet ist in Würzburg vorhanden. Von Schleswig-Holstein bis Bayern nimmt die WVV jetzt am Bieter-Wettbewerb teil. Und will sich künftig auch für die neuen Bundesländer mit ihren Pools qualifizieren.
Und nicht nur das: Es gibt schon wieder sieben neue Partner, die sich von Würzburg aus auf dem Markt der Primärregelleistung steuern lassen. Unter anderem sind das die Stadtwerke in Rosenheim. „Als kommunaler Anbieter für solche schnellen Pools haben wir wenig Konkurrenz“, freut sich Lewetz. Ähnliches machen derzeit beispielsweise die Stadtwerke München.
Einsatzzeit von einer Sekunde
Und noch ein neues Geschäftsfeld hat die WVV entdeckt. Lewetz: „Im Zusammenspiel mit unserem Vertrieb und dem Stromhandel im Konzern sammeln wir auch große Batterieanlagen für die Sicherung der Netzstabilität. Die haben eine Einsatzzeit von einer Sekunde, bis sie ihre Energie abgeben können.“
Die Verhandlungen mit Herstellern in der Region laufen. „Wir suchen Groß-Batterien als Strom-Speicher. Wir haben eine Anlage im Portfolio von der Firma Pfenning in Ochsenfurt. Die vermarkten wir bei den Auktionen zum Regelbetrieb seit 2017.“ Diese Batterie mit zwei Megawatt Leistung steht im Industriegebiet von Aub. Die Herstellungskosten liegen bei etwa einer Million Euro pro Megawatt.
WVV vermarktet neue Großbatterien
Und noch eine Nachricht hat Lewetz für die Region: Die Stadtwerke Haßfurt und Wunsiedel werden bald Großbatterien besitzen und die WVV hat sie schon unter Vertrag. Sie werden je acht Megawatt leisten. Zum Vergleich: Eine große Gasturbine schafft drei Megawatt. Die Anlagen sind etwa so groß wie drei Schiffscontainer. „Wir haben die Spezialisten und die Regeltechnik, um die Batterien in den Pool zu integrieren“, ist sich der Kraftwerkchef sicher.