Hochgelobt wegen seiner Effektivität, bewundert wegen der Architektur: das Heizkraftwerk an der Friedensbrücke. Doch die 80-Millionen-Euro-Investition macht Verluste. Der gesetzliche Vorrang für erneuerbare Energien lässt die Preise für den Strom aus der Gas- und Dampf-Anlage sinken. 2011 wurden drei Millionen Euro weniger eingenommen als geplant. Und so kommt, was kommen muss: Um Kosten einzusparen wird das Würzburger Kraftwerk häufiger abgeschaltet. Ein Ende ist nicht in Sicht. Die geplante Stromproduktion in der Stadt hat Kraftwerkseigentümerin Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) für 2013 schon um 20 Prozent reduziert.
Dabei ist die Situation in Würzburg noch nicht so dramatisch wie in anderen Bundesländern. Da wird schon über über die Schließung von Gaskraftwerken spekuliert, da sie kaum noch am Netz sind. In der Domstadt gibt es die Kraft-Wärme-Kopplung, das heißt die aus der Stromerzeugung mit Gas gewonnene Wärme als „Abfallprodukt“ wird noch für die Heizung vieler tausend Wohnungen genutzt. Das mildert die Verluste ab. Doch die Zahlen sind eindeutig, die eigene Stromproduktion geht zurück: Waren es 2010 noch 553,2 Millionen Kilowattstunden, sind es im vergangenen Jahr 511,7 Millionen gewesen.
Es ist manchmal wirtschaftlicher, die beiden Gas- und Dampf-Anlagen herunterzufahren, als den Strom teuer in Würzburg zu produzieren, sagt HKW-Chef Armin Lewetz. Das gelte besonders an Wochenenden und Feiertagen, an denen der Strompreis auf dem Markt niedrig ist und die Verbraucher in Würzburg naturgemäß weniger Strom verbrauchen. Schließlich gehen ja auch in diesen Zeiten viele Industriebetriebe vom Netz.
„Wir werden die Anlagen in Zukunft häufiger abstellen“, sagt auch WVV-Chef Thomas Schäfer. Der Grund liegt in der beschleunigten Energiewende, sind sich die beiden Energiespezialisten sicher.
Thomas Schäfer WVV-Chef
Denn die neuen Energien sind rasant im Vormarsch. „Bis August 2012 sind schon doppelt so viele Photovoltaik- und Windkraft-Anlagen ans Netz gegangen als bis August 2011. Und diese Anlagen dämpfen die Preise auf dem Strommarkt“, sagt Lewetz. Und Schäfer erläutert: „Die Strommenge aus den erneuerbaren Energien ist nicht dem Marktbedarf unterworfen. Es werden immer größere Mengen solcher Energien ins Netz gestellt, die Erzeuger bekommen einen geförderten Festpreis.“ Er hat für die Bilanzpressekonferenz seines Konzerns Zahlen über den Stromerzeugungsmix in Deutschland zusammengestellt, Stand Dezember 2011: Da stehen erneuerbare Energien mit 19,9 Prozent schon an zweiter Stelle nach den Braunkohlekraftwerken. Die Kernenergie rangiert auf Rang vier gefolgt von Gaskraftwerken.
Überhaupt wird der Bewegungsspielraum für die Energie-Erzeuger beim Strompreis immer kleiner. 2011 setzte sich der Strompreis nämlich schon so zusammen: 35 Prozent sind Stromproduktion oder Beschaffung und Vertrieb und vom freien Markt bestimmt. Die restlichen 65 Prozent sind nicht mehr verhandelbar, die setzen sich aus Steuern, Abgaben und regulierten Netzentgelten als staatliche Vorgaben zusammen.
Die WVV ist weiter als andere Gaskraftwerk-Betreiber. Ihre Anlagen sind so optimiert, dass sie sich schnell an- und schnell herunterfahren lassen, fast schon per Mausklick, sagt Lewetz. Genau damit will man Geld verdienen, um flexibel die schwankenden Mengen an regenerativ erzeugter Energie auszugleichen. Schließlich, so Schäfer, ist es mal windstill oder die Sonne scheint nicht. Dann müsse das deutsche Netz ja auch sicher sein, dafür braucht es konventionelle Reservekapazitäten. Diese Leistungen müssen die Netzbetreiber einkaufen.
Und die kann Würzburg binnen bestimmter Zeitkorridore liefern. „Wir können schnell Strom produzieren, um die Netzstabilität zu garantieren“, sagt Lewetz mit gewissem Stolz auf sein höchst modernes Heizkraftwerk. Und das gibt Geld, ein hohes Marktpotenzial für schnelle Gaskraftwerke. „Die Verluste aus dem Preisverfall für den Strom lassen sich damit nicht aufhalten“, sagt der WVV-Chef, „aber es mindert die Schmerzen.“
So gut die Anlage auch arbeitet und so umweltfreundlich auch der Strom in Würzburg produziert werden kann, so erfüllt die 80-Millionen-Euro-Investition wegen der neuesten Entwicklungen des Marktes doch nicht die Erwartungen. Lewetz: „Der heutige Strompreis hat im Verkauf einen Wert wie im Jahr 2006. Die Einnahmen sind jetzt also deutlich niedriger als die Prognosen das damals vorhersagten.“
Schäfer und Lewetz sind sich sicher: Der erste Technologiewechsel in der Stromerzeugung an der Friedensbrücke von der Kohle zum Gas und hin und zu einer effektiven Fernwärme war richtig. Die zweite Entscheidung, dann mit einer zweiten Anlage Strom für Spitzenzeiten zu produzieren und teuer zu verkaufen, würde mit dem heutigen Wissen so nicht mehr getroffen werden. Aber ein gutes hat die Anlage am Main für die Bewohner der Region: Seit 2004 sorgt die ressourcenschonende Stromerzeugung dafür, dass sich der CO2-Ausstoß im Verhältnis zum früheren Einsatz von Steinkohle um 114 000 Tonnen jährlich reduziert hat.