zurück
Würzburg
Würzburger Forscher zeigt, wie gefährlich die Chemikalien PFAS sind und welche Alternativen es gibt
PFAS gelten als tickende Zeitbombe. Der Würzburger Forscher Andreas Köppel hat diesen sogenannten Ewigkeitschemikalien den Kampf angesagt. Wie weit er bislang gekommen ist.
Forscht an Alternativen zu den gesundheitsschädlichen Ewigkeitschemikalien PFAS: Andreas Köppel, hier in seinem Labor im Süddeutschen Kunststoffzentrum in Würzburg.
Foto: Silvia Gralla | Forscht an Alternativen zu den gesundheitsschädlichen Ewigkeitschemikalien PFAS: Andreas Köppel, hier in seinem Labor im Süddeutschen Kunststoffzentrum in Würzburg.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 20:49 Uhr

Weil sie sich in der Natur nicht abbauen und als krebserregend gelten, stehen die Chemikalien PFAS in Verruf. In der EU wird ein Verbot angestrebt, doch dagegen gibt es aus Teilen der Industrie Widerstand.

Indes wird der Ruf laut nach Alternativen zu PFAS (sprich: Pe-Fas). Andreas Köppel in Würzburg forscht intensiv daran. Der 36-Jährige ist Gruppenleiter des Bereichs Materialentwicklung am Süddeutschen Kunststoffzentrum (SKZ) in Würzburg. Er zeigt, wie gefährlich PFAS für den Menschen sind, wie man mit PFAS-belasteten Gegenständen umgehen sollte und welche Alternativen es bereits gibt.

Herr Köppel, wie gefährlich sind PFAS für den Menschen?

Andreas Köppel: Allgemein lässt sich das schwer sagen, weil PFAS zehntausend Chemikalien umfassen. Wir sprechen da von Chemikalien, die in Gasform vorkommen bis hin zu Hochleistungskunststoffen. Da gibt es meilenweite Unterschiede. Die Gase sind sehr mobil und können sich im Körper besser ausbreiten als langkettige Kunststoffe. Die kurzkettigen, also Gase und Flüssigkeiten, werden eher als schädlich eingestuft für die Gesundheit des Menschen. Hochleistungskunststoffe werden mitunter als nicht schädlich eingestuft. Man muss also sehr genau unterscheiden, was bei PFAS gemeint ist.

In welchen Alltagsgegenständen sind PFAS drin?

Köppel: PFAS kommen zum Beispiel in Zahnseide vor, um die Gleiteigenschaften zu verbessern. Dann in der typischen Teflon-Pfanne, um die gewünschten Anti-Hafteigenschaften zu bekommen. In diversen Kosmetika sind ebenfalls PFAS drin. Bei den Hochleistungskunststoffen gibt es viele Anwendungen in der Medizintechnik. Ich habe Berichte gelesen, die behaupten, dass 80 Prozent der Ausstattung von OP-Sälen ohne PFAS nicht mehr realisierbar wären. Es geht da um Beatmungsschläuche oder Dichtungen.

"Bei Konsumgütern wie der Teflon-Pfanne kann man auf Alternativen setzen."
PFAS-Forscher Andreas Köppel
Muss ich jetzt daheim sofort meine Teflon-Pfanne und Zahnseide aussortieren?

Köppel: Wenn man konsequent sein will, dann ja. Es gibt bei diesen Konsumgütern allerdings schon PFAS-freie Alternativen. Wenn man an wind- und wasserabweisende Outdoorkleidung denkt wie Gore Tex zum Beispiel, kann man auf Wachse oder Fette umschwenken.

Kann ich mit gutem Gewissen meine Teflon-Pfanne, Zahnseide und Kosmetika wegen PFAS einfach wegwerfen? Schließlich sind es Ewigkeitschemikalien. Die bleiben ja in der Welt, auch wenn ich sie loshabe.

Köppel: Richtig. Meines Wissens gibt es hier noch keine ausgereifte Strategie der Entsorgung. Es stellt sich also die Frage: Wo setze ich an? Bei Konsumgütern wie der Teflon-Pfanne kann man auf Alternativen setzen.

Aber wie erkenne ich als Verbraucher im Laden, in welchen Waren PFAS stecken?

Köppel: Kennzeichnungen gibt es noch nicht. Der Verbraucher hat es also schwer, rein am Artikelschild zu erkennen, ob PFAS drin sind oder nicht. Wenn man sich bei Kosmetik die Liste der Inhaltsstoffe anschaut und der Wortbestandteil "Fluoro-" vorkommt, dann ist es ein Hinweis, dass PFAS enthalten sind. Sie sind aber eben nicht speziell gekennzeichnet.

Was wird als der große Nutzen von PFAS angesehen?

Köppel: PFAS sind Chemikalien, die sehr beständig sind. Deshalb der Name "Ewigkeitschemikalien". Sie bauen sich in der Natur sehr langsam ab und reichern sich deswegen auch an. PFAS werden gerne im technischen Bereich eingesetzt. Zum Beispiel für Dichtungen, die bei hohen Temperaturen mit sehr starken Chemikalien in Berührung kommen. Oder im Anlagenbau, wenn besondere Gleiteigenschaften der Kunststoffe erforderlich sind.

Welche Erkenntnisse haben Sie, in welchem Maße PFAS schon in unsere Nahrungskette gelangt sind?

Köppel: Es ist der Fall. Es gab Untersuchungen des menschlichen Blutes, wonach jeder Teilnehmer der Tests PFAS im Blut hatte. Selbst in den abgelegensten Gebieten der Welt – also etwa Arktis oder Antarktis – konnten PFAS nachgewiesen werden, selbst im Blut von Eisbären. Das Problem ist tatsächlich allgegenwärtig.

Das übt womöglich Druck auf Forscher wie Sie aus, so schnell wie möglich Alternativen zu PFAS auf den Markt zu bringen. Wie weit sind Sie da?

Köppel: Da muss man unterscheiden. Bei den Hochleistungskunststoffen ist es schwierig Alternativen zu finden. Gerade bei Brennstoffzellen haben sich PFAS-Materialien etabliert. Ohne sie würden heutzutage Brennstoffzellen gar nicht funktionieren. Die Forschung nach Alternativmaterialien steckt generell noch in den Kinderschuhen. Es wurde noch kein PFAS-Verbot ausgesprochen.

Auf dem US-Militärflugplatz Katterbach Airfield bei Ansbach wird derzeit mit PFAS verseuchter Boden saniert. In Bayern gibt es Dutzende vergleichbarer Fälle.
Foto: Daniel Karmann, dpa | Auf dem US-Militärflugplatz Katterbach Airfield bei Ansbach wird derzeit mit PFAS verseuchter Boden saniert. In Bayern gibt es Dutzende vergleichbarer Fälle.
Das SKZ arbeitet auftragsorientiert. Die Aufträge kommen oft aus der Kunststoffindustrie. Welches Interesse hat denn die Kunststoffindustrie an Alternativen zu PFAS? Sie könnte ja auch sagen: Solange es kein Verbot gibt, machen wir weiter wie bisher.

Köppel: Ein großer Anreiz, nach Alternativmaterialien zu suchen, ist tatsächlich ein EU-weites PFAS-Verbot.

Wenn das Verbot kommt, wie schnell werden dann Alternativen auf dem Markt sein?

Köppel: Die Europäische Chemikalienagentur ECHA hat angekündigt, dass es nach einem Verbot Übergangsfristen geben soll. In der Medizintechnik zum Beispiel sollen es bis zu 13 Jahre sein. Ich denke, es wird Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte dauern, bis Alternativmaterialien im Kunststoffbereich entwickelt werden.

Apropos Medizintechnik: Ein Arzt ist bestrebt, Kranke wieder gesund zu machen. Auf der anderen Seite muss er Gegenstände einsetzen, die PFAS enthalten und krank machen können. Das passt nicht zusammen.

Köppel: Das Thema ist bei diesen Kunststoffmaterialien, die hier zum Einsatz kommen, nicht so kritisch. Es ist in der Medizin nicht so, dass etwa aus einem Schlauch PFAS diffundiert und dem Körper direkt schadet. Das Problem liegt eher bei der Entsorgung dieser Schläuche. Wenn sie also bei nicht korrekter Entsorgung in die Umwelt gelangen und zu Mikroplastik werden.

Wissenswertes über PFAS

Per- und polyfluorierte Chemikalien: So lautet die Bezeichnung für eine Gruppe von etwa 10.000 Stoffen, deren englischer Name zu der Abkürzung PFAS geführt hat. Sie werden laut Bundesumweltministerium seit den 1940er Jahren hergestellt. Die organischen Verbindungen bestehen aus Kohlenstoffketten verschiedener Längen. Die Wasserstoffatome werden vollständig (perfluoriert) oder teilweise (polyfluoriert) durch Fluoratome ersetzt.
Gefährlich können PFAS für den Menschen werden, weil sie über Lebensmittel und Trinkwasser in den Körper gelangen. Dort können sie der Verbraucherzentrale zufolge die Wirkung von Impfungen hemmen, die Fruchtbarkeit dezimieren, das Diabetesrisiko erhöhen und vor allem Krebs auslösen.
Schlagzeilen haben PFAS zuletzt im mittelfränkischen Ansbach gemacht. Vor wenigen Tagen begann auf dem US-Militärflugplatz Katterbach Airfield die umfangreiche Sanierung des belasteten Grundwassers und Bodens. PFAS war dort über Löschschaum der Feuerwehr ins Erdreich eingedrungen. Das bayerische Umweltministerium zählte 2022 in einem Bericht mehr als 30 PFAS-Fälle mit Altlasten im Freistaat, zudem 24 Fälle mit unbekannter Quelle sowie fast 60 Verdachtsfälle.
aug/dpa
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Lengfeld
Jürgen Haug-Peichl
Bundesumweltministerium
Chemikalien
Kunststoffbranche
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top