
Nach dem Ausbruch in Wuhan zog das Sars-CoV2-Virus von Asien aus zerstörerisch um die Welt. Während Deutschland und Europa noch mitten im Pandemiekampf stecken, scheint China das Schlimmste hinter sich zu haben. Wie konnte das gelingen? Und was bedeutet dieser Erfolg für das Land? Fragen an die China-Expertin Prof. Doris Fischer von der Würzburger Julius-Maximilians-Universität.
Prof. Doris Fischer: Ja, China hat es durch eine sehr konsequente Methode des Testens, Nachverfolgens, Isolierens sowie mit Einreisekontrollen tatsächlich geschafft, die Fallzahlen sehr niedrig zu halten. Und die Wirtschaft hat wieder Fahrt aufgenommen.
Fischer: Da gibt es natürlich immer etwas Misstrauen. Aber selbst wenn die Zahlen nicht hundertprozentig stimmen – eine zweite oder dritte Welle könnte auch China nicht verstecken.
Fischer: Und hier geht die chinesische Regierung mit einer massiven Testoffensive dazwischen und isoliert die positiv Getesteten. Gleichzeitig veröffentlicht man ihre Namen und wo sie unterwegs waren. Damit werden dann andere Menschen gewarnt oder zum Test veranlasst. China hat in der ersten Welle dem Virus den Krieg erklärt. Die Strategie war, das Virus zu besiegen.
Fischer: Das spielt natürlich eine Rolle. Aber es gibt auch andere, weniger autoritäre Staaten in Asien, die mit einer rigorosen Strategie das Virus in den Griff bekommen. In China ist die Bereitschaft groß, für das hohe Gut der Pandemiebekämpfung dem Staat Zugriff auf persönliche Daten zu gewähren, auch über eine App, die Bewegungsprofile erfasst. Und die Quarantäne wird sehr streng überwacht, ganz anders als bei uns.

Fischer: Sie sind viel stärker einen Staat gewohnt, der kontrolliert und überwacht – der aber auch beschützt. Das erwartet man vom Staat. China und andere asiatische Länder sind geprägt von der Sars-Erfahrung. Das war ein kollektiver Schock. Deshalb ist die Bereitschaft, jetzt im Zuge der Pandemiebekämpfung einiges über sich ergehen zu lassen, in der Tat größer als bei uns. Das Verständnis für eine Pandemie ist ausgeprägter – und auch dafür, dass man individuelle Freiheitsrechte zurückstellt.
Fischer: Ja natürlich. Man schaut auf den Westen, der das Problem nicht in den Griff bekommt. Das ist ein wunderbares Argument für die chinesische Regierung.
Fischer: Viele Menschen waren am Anfang skeptisch, auch gegenüber den drastischen Maßnahmen. Im Vergleich sehen sie die Entwicklung aber zunehmend positiv und folgen auch eher der Partei in der Interpretation, dass dies die Überlegenheit des Systems zeige. Und das führt wiederum dazu, dass man weiteren Anweisungen Folge leistet: So gab es aktuell den Appell, zum traditionellen Frühlingsfest nicht zu verreisen. Daran scheinen sich die allermeisten zu halten. Die Leute gehen stattdessen ins Kino.
Fischer: Die Idee, dass man zum eigenen Schutz oder dem anderer eine Mund-Nasen-Bedeckung trägt, ist tatsächlich in Asien viel verbreiteter. Das hat nichts mit einer langen Kulturgeschichte zu tun. Nein, es ist die traumatische Erfahrung mit dem Sars-Virus im Jahr 2003. Die Leute wissen, wie gefährlich das war. Und das neue Virus ist noch gefährlicher, weil es ansteckend ist, bevor man Symptome zeigt. Aus Respekt vor der Gruppe trägt man dann eben Maske. Man empfindet das weniger als Eingriff in die eigene Freiheit und mehr als Rücksicht auf andere. Wissenschaftler, die sich mit Asien beschäftigen, haben über die anfängliche Diskussion darüber bei uns nur den Kopf geschüttelt.
Fischer: Letztes Jahr war das eine sehr harte Zeit. Der dortige Lockdown ist mit unserem nicht vergleichbar, die Leute durften nicht aus den Häusern oder aus ihren Wohnanlagen. Und das wurde sehr streng überwacht, die Leute mussten über Wochen zuhause bleiben. Das war unglaublich bedrückend. Aber jetzt herrscht in Wuhan tatsächlich weitgehend normales Leben. Käme es aber irgendwo in einer Ecke in Wuhan wieder zu einem Ausbruch, dann würde sofort wieder massiv getestet, getraced und im Zweifel auch isoliert. In letzter Zeit gab es solche Fälle in Wuhan aber nicht, da waren andere Städte betroffen.