Die Winterspiele laufen, der Austragungsort Peking bleibt umstritten. Abgeriegelt wie in einem Olympia-Gefängnis finden die Wettkämpfe statt. Björn Alpermann, Professor für Moderne China-Studien an der Universität Würzburg, erklärt, wie die chinesische Regierung die Spiele politisch ausschlachtet. Der 49-jährige Sinologe hätte sich mehr Einsatz für die Achtung der Menschenrechte gewünscht.
Björn Alpermann: Ich hoffe, dass am Ende auch die Athletinnen und Athleten zufrieden sind, trotz aller Probleme, die mit dem Austragungsort verbunden sind. Die Regierung wird natürlich das Ihre tun, um die Spiele für ihre nationalistische Zwecke zu nutzen.
Alpermann: Ganz klar. Man will demonstrieren, wie China auf großer Weltbühne solche Events sicher und ohne Gefahr für Leib und Leben der eigenen Bevölkerung trotz Pandemie durchführen kann. Das Ganze ist ein Meilenstein auf dem Weg zum 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Ende des Jahres.
Alpermann: Der Haupt-Selling-Point ist, dass die Pandemie in China in Schach gehalten werden kann, während andere Länder – voran die USA – nach wie vor sehr schwer darunter leiden.
Alpermann: Sollte es zu einem größeren Ausbruch kommen, wäre dies wahrscheinlich das Ende der Null-Covid-Strategie. Die chinesischen Impfstoffe bieten wenig Schutz gegen die Omikron-Variante. Sie wieder einzufangen, wäre sehr schwierig.
Alpermann: Ja, die Organisatoren legen großen Wert darauf, den olympischen Tross in einem geschlossenen Kreislauf zu halten und von der Allgemeinbevölkerung abzuschotten. Das wird streng überwacht, es wurden keine Kosten und Mühen gescheut. Es gibt eine Anweisung, wonach die Pekinger nicht einmal helfen dürfen, wenn ein olympischer Bus liegen bleibt. Selbst für kurze Wege der Athleten werden Shuttle-Busse eingesetzt, obwohl das viel umständlicher ist als zu Fuß zu gehen.
Alpermann: Einheimische gibt es in dieser olympischen Blase auch, aber sie müssen sich genauso den Quarantäne- und Test-Regularien unterwerfen. Und sie müssen in der Blase bleiben, bis die Spiele vorbei sind und die Quarantäne abgelaufen ist.
Alpermann: Da gibt es kein klares Verbot. Aber die Regierung und das IOC reiten darauf herum, dass die Spiele nicht politisiert werden sollen. Das ist der Code für: Man soll keine Kritik an China äußern. Das bezieht sich auf Interviews von Athletinnen und Athleten oder auf symbolische Akte, wie beispielsweise auf dem Podium ein Zeichen der Unterstützung für die verfolgten Uiguren zu senden.
Alpermann: Auch die Journalistinnen und Journalisten können sich nicht frei bewegen und sind Teil dieser geschlossenen olympischen Gesellschaft. Das heißt, alles zu den sportlichen Events wird frei berichtet werden können. Was es aber nicht gibt, sind Berichte darüber hinaus – die das Leben der Menschen und uns noch eine andere Seite des Landes zeigen. Das werde ich im Vergleich zu den Sommerspielen von Peking 2008 sehr vermissen.
Alpermann: Das IOC hatte am Ende nur noch die Wahl zwischen Kasachstan oder China. Beides keine Wintersport-Nationen. Beides keine Länder, in denen die Menschenrechte nach unserem Verständnis hochgehalten werden. Mit Blick auf die blutigen Unruhen in Kasachstan hat man sich wohl für das kleinere Übel entschieden. Für demokratische Gesellschaften scheint es ja schwierig geworden, solche aufwendigen Großereignisse überhaupt noch durchzuführen. Ökologisch halte ich es für wahnwitzig, was in Peking und Umgebung für die Spiele gemacht wurde. Auch ökonomisch kann das nicht nachhaltig sein. Das Ganze als "nachhaltigste Spiele der Geschichte" zu verkaufen, ist ein Etikettenschwindel.
Alpermann: Er ist verpufft, weil nicht alle Verbündeten der USA mitgezogen haben. Ich hätte mir gerade von deutscher Seite gewünscht, diese Gelegenheit zu nutzen, um ein deutlicheres Zeichen zu setzen.
Alpermann: Der Anlass für den diplomatischen Boykott waren ja die dokumentierten und anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang gegen die Minderheit der Uiguren. Hier hätten sich die liberalen Demokratien mit einem politischen Boykott klar positionieren können.
Alpermann: Da kann es keine Zweifel mehr geben, höchstens Debatten um Einzelheiten – etwa die Zahl der Lagerinsassen, die sich über die Zeit verändern kann. Dass die Uiguren und andere turkstämmige Minderheiten in Xinjiang unterdrückt werden, das ist unbestreitbar.
Alpermann: Das wird sich zeigen, wenn die Pandemie vorüber ist.