
Wie ein Legostein sieht es von unten aus, was der Baggerarm da oben anhebt. Dabei ist es eine Zimmerwand, die seine Zange präzise packt und dann zerkleinert. Die Zange ist 2,5 Tonnen schwer und der Baggerarm 50 Meter lang. Seit Mai trägt der riesige Abrissbagger so das ehemalige Bürgerspitalhochhaus im Wohngebiet Sanderau ab: Stockwerk für Stockwerk.

"Größere Abrissbagger gibt es nicht", sagt Reiner Maschke, Polier des Abrissunternehmens Bodo Freimuth. "Und von denen mit 50-Meter-Arm gibt es nur zwei oder drei in Deutschland." Das Cuxhafener Unternehmen baut für die Freier Besitzgesellschaft (FBG) aus Rottendorf seit Januar das ehemalige Bürgerspital-Hochhaus ab. "Wir sind froh, dass es bislang so reibungslos gelaufen ist", sagt Georg Handrecke von der FBG, hinter der die Familie von s.Oliver-Gründer Bernd Freier steht. Ein Abriss eines so hohen Gebäudes sei nicht unkompliziert.
"In den ersten drei Monaten haben bis zu 30 Mann die Innenräume entkernt", berichtet René Eirich, zuständiger Projektleiter vom Rottendorfer Architekturbüro Menig und Partner. Dieses plant und leitet den Abriss und plant den Neubau: An Stelle des ehemaligen Seniorenheims sollen ab Dezember zwischen Königsberger und Friedrich-Spee-Straße ein neues Hochhaus in ähnlicher Höhe sowie drei Wohnblocks mit insgesamt 153 Wohnungen gebaut werden.
Nach dem aufwändigen Ausbau von Heizungen, Kücheneinrichtungen und Fenstern rückte im Mai der große Abrissbagger an. Zuerst kam die Hülle dran: Vier Wochen lang wurde der Waschbeton auf der 1972 gebauten Fassade vorsichtig abgeschält, damit das darunter liegenden Dämmmaterial entsorgt werden konnte.

Trennung ist wichtig auf der Baustelle. Vier Haufen werden aus der Masse aus Beton und Mauersteine aussortiert: Aluminium und Kabel, Armierungsstahl, Metallbleche und Restmüll wie Kunststoff und Holz. 20 000 Tonnen Schutt werden am Ende zusammenkommen. Das sind rund 1400 Lkw-Ladungen. In regionalen Entsorgungsunternehmen werden diese zum Beispiel zu Recyclingbeton oder Material für den Straßenbau aufbereitet.

Fast die Hälfte des Hochhauses ist inzwischen abgerissen. Der südliche Teil ist schon weg, zur Friedrich-Spee-Straße hin stehen noch neun Stockwerke, während der Abriss des danebenstehenden Blocks bereits begonnen hat, und der nördliche Gebäudeteil steht noch ganz. Laut Projektleiter Eirich wird stufenweise abgebrochen, damit der Rest bis zum Schluss stabil steht. Der tragender Kern aus Aufzugsschacht und Treppenhaus bleibt deshalb bis zuletzt.

Der wichtigste Mann auf Baustelle sitzt im Abbruchbagger. "Es braucht viel Erfahrung und Gefühl, um in 50 Metern Höhe genau so zu schneiden, dass nicht mehr einfällt, als man beabsichtigt", beschreibt Polier Maschke die Arbeit des Baumaschinisten. Ab 7 Uhr steuert er mit kleinen Pausen zehn Stunden lang "unglaublich konzentriert" mit zwei Joysticks die Greifzange. Eine Kamera hat er dort oben nicht, er arbeitet mit bloßem Auge, für die optimale Sicht nach oben ist das Führerhaus nach hinten gekippt. Panzerglas und Stahlgitter schützen es vor herabfallenden Teilen. Für Sicherheit sorgt auch eine sogenannte "Matratze": Eine Matte, die ein zweiter Bagger in die Höhe hält, lenkt abspringende Schuttteile ab.

Auf der Baustelle hört man die Diesel-Aggregate der Bagger brummen und ab und zu, wie ein paar Brocken nach unten rumpeln. Die Luft schmeckt nach Staub. Eine größere Staubbildung wird vermieden: das Inneren des Gebäudes wird über die aufgedrehten Brandbekämpfungsleitungen bewässert, von außen spritzen drei Düsen am Baggerarm: Ein stetiger Sprühregen begleitet den Abriss. Bis September will man beim Fundament angekommen sein. Dann wird der Long-Front-Bagger seinen 50-Meter-Arm einziehen und per Schwertransporter zum nächsten Hochhausabriss gebracht.
Das Hochhaus in Zahlen
