Fünf extravagante Jungs, die sich zu einer Musik-Band formieren, sind keine Seltenheit. Wenn Tobias Walter an den Drums den Takt vorgibt, Michael Bamford und Karl-Heinz Kratisch mit Band-Leader Markus Rummel in die Tasten ihrer Keybords und des Akkordeons greifen, und Steffen Seubert den Gesang beisteuert, ist dies allerdings sehr wohl eine Besonderheit.
Was das Quintett verbindet, ist ihre Sehbehinderung und die Leidenschaft zur Musik. Frei nach dem französischen Blindenlehrer Louis Braille nennt sich die Band deshalb "The Braillers". Und so tiefsinnig der Name der Band ist, ist auch der schlichte Titel ihrer neu eingespielten CD: Das Cover weist lediglich den Schriftzug und in Braille-Schrift den Namen der Band auf.
Dass sie selbstbewusst umgehen mit ihrem gesundheitlichen Handicap, zeigt auch die Auswahl des ersten Songs auf der CD, der Welthit "Superstition" von Soul-Legende Stevie Wonder. "Wegen seiner Blindheit" ist der amerikanische Multiinstrumentalist und Sänger Stevie Wonder für die Musiker in allen Belangen ein prädestiniertes Vorbild. Und so brachte es auch das sehbehinderte Quintett in seiner mittlerweile etwa 15-jährigen Karriere schon zu manch spektakulärem Auftritt.
Einer der Höhepunkte war die Sternstunden-Gala
"Einer unserer Höhepunkte war im Jahr 2012 unser Auftritt in der Live-Sendung der Sternstunden-Gala in der Nürnberger Frankenhalle", erinnert sich Sänger Steffen Seubert. Auch in der Region hinterließen die "Braillers" unter anderen beim "Stramu", Stadtfest und der Landesgartenschau in Würzburg oder der Leinacher Waldweihnacht ihre Visitenkarte. Auch auf der diesjährigen Bundesgartenschau (BuGa) in Heilbronn sorgten die Musiker für Aufsehen.
Stammgäste sind die "Braillers" seit Jahren auch bei Veranstaltungen der weltweit bekannten Firma Würth in Künzelsau und Berlin. "Über den innigen persönlichen Kontakt zur Unternehmer-Familie" freut sich Band-Leader Rummel besonders. "Schließlich brachten unsere Auftritte dort auch für das Blindeninstitut eine Win-Win-Situation mit sich. Durch den guten Kontakt konnte unsere Bentheim-Werkstatt im Blindeninstitut an Würth-Aufträge kommen", bemerkt er.
In der Bentheim-Werkstatt im "Blindi" sind auch drei Mitglieder der "Braillers" beschäftigt. Mit Markus Rummel, der im Blindeninstitut als Musiktherapeut tätig ist, schließt sich der Kreis. In dessen Musiktherapieraum treffen sich die Bandmitglieder einmal wöchentlich in ihrer Freizeit zur Probe. Ihre Instrumente beherrschen lernten die Hobby-Musiker ausschließlich über ihr Gehör. Karl-Heinz Kratisch, er spielt das Akkordeon, hatte in seiner Jugend Klavierunterricht. Die anderen Musiker lernten ihre Instrumente autodidaktisch. Weil sich altersbedingt das Ende von Rummels Tätigkeit im "Blindi" abzeichnet, entstand der gemeinsame Wunsch nach einer CD als Abschlussprojekt.
Eine CD mit Coversongs und eigenen Liedern
Die Song-Auswahl - überwiegend gecoverte Hits bekannter internationaler Stars - für die neue "Braillers"-Scheibe wurde gemeinsam getroffen. Zwei der 14 aufgenommenen Songs sind Eigenkompositionen. Aus der "Feder" von Karl-Heinz Kratisch stammt mit "Fröhlicher Schwabe" eine Hommage an seine Heimat.
Wie aber komponiert ein Blinder? "Auf einem mit einer Aufnahmetaste ausgestatteten Klavier habe ich die Melodie gespielt und dabei aufgenommen. Fertig war das Stück", erklärt der Komponist. Internationales Flair kommt mit dem Titel "Kubanische Sonne auf der Alm" von Markus Rummel auf die CD. Dazu packt der "Braillers"-Boss das Alphorn aus. Als Hit bei einem Auftritt auf der diesjährigen Bundesgartenschau, auf der viele Migranten vertreten waren, erwies sich "Sidi Mansour" von Saber El Rebai. Vor dem Hintergrund des Flüchtlingsstroms aus dem Jahr 2015 wollte Sänger Steffen Seubert den Song unbedingt auf der CD haben.
Zum Einspielen ihrer neuen CD waren die "Braillers" acht Tage lang im Tonstudio. Zur Vorbereitung hatte Band-Leader Rummel die ausgewählten Stücke für die Bandmitglieder zur selbständigen Probe auf eine CD gespielt. Ausschließlich über das eigene Gehör studierten die blinden Musiker die eigenen individuellen Interpretationen der bekannten Songs ein.
Vielleicht irgendwann eine Tournee?
"Die bei der Aufnahme entstandene Musik ist so, wie wir sind, in unserer individuellen eigenen musikalischen Welt", umschreibt Rummel das bemerkenswerte akustische Ergebnis der Mühen. Zum Schnäppchen-Preis ist die CD erhältlich, für nur sechs Euro am Empfang des Blindeninstituts in Würzburg. Viel lieber aber würde sie Rummel auf einer Tournee vorstellen, bei der "The Braillers" auf einem LKW oder einem Schiff durch Deutschland tingeln. Vielleicht erfüllt sich ja dieser Wunsch für den Band-Leader, wenn er sich in den Ruhestand verabschiedet hat.