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Würzburg
Würzburger angeklagt: Betrug mit französischem Bier
Trickreich betrog eine Bande das Finanzamt um 36 Millionen Euro. Nun soll der Mann vor Gericht, der in Unterfranken den Deckmantel für die Schiebereien lieferte.
Geschäfte mit geschmuggeltem Bier bringen einen Würzburger vor Gericht. 3300 Lkw-Ladungen Gerstensaft soll er aus Frankreich bekommen haben, in Wirklichkeit waren es wohl nur 20 Lkw-Ladungen.
Foto: Getty Images | Geschäfte mit geschmuggeltem Bier bringen einen Würzburger vor Gericht. 3300 Lkw-Ladungen Gerstensaft soll er aus Frankreich bekommen haben, in Wirklichkeit waren es wohl nur 20 Lkw-Ladungen.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:56 Uhr

Ein fränkischer Komplize französischer Bierschmuggler machte zuerst Millionen – und dann mit dem Gefängnis Bekanntschaft. Auf dem Papier landeten binnen zwei Jahren über dreitausend Lkw-Ladungen Bier in Eisingen (Lkr. Würzburg) – tatsächlich aber wohl in durstigen Kehlen in Großbritannien. Nun muss der Würzburger, der in Untersuchungshaft sitzt, vor Gericht, der fürs Finanzamt die tarnende Fassade für das kriminelle Geschäft geliefert haben soll.

77 Millionen Flaschen Bier

"Wir haben Anklage erhoben", bestätigte jetzt Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen, Sprecher der Würzburger Behörde, auf Nachfrage dieser Redaktion. Dabei klang das Geschäftsmodell zunächst reichlich unglaubwürdig: Zogen die durstigen Biertrinker tatsächlich französischen Gerstensaft den Produkten einheimischer Brauereien vor? Gut 77 Millionen Flaschen Bier will der 47-jährige Getränkehändler binnen zwei Jahren aus Frankreich nach Eisingen (Lkr Würzburg) importiert haben. Das wäre eine Menge, die für zehn Jahre Oktoberfest in München reichen würde.

Zollfahnder aus München deckten den Betrug in Würzburg aufg.
Foto: Matthias Becker | Zollfahnder aus München deckten den Betrug in Würzburg aufg.

Doch dann ergab im März eine Razzia des Zollfahndungsamtes München: Der Unterfranke war offenbar Handlanger eines Bierschmuggler-Kartells in Frankreich, das die unterschiedlich hohen Steuern in der EU gewinnbringend nutzte. Mit ihm wurde am 12. März ein 56-jähriger französischer Hintermann und "Organisator einer international agierenden Gruppierung" (so der Zoll) verhaftet. Die Ermittlungen von Zoll und Staatsanwaltschaft Würzburg erstreckten sich auf insgesamt acht Tatverdächtige mit unterschiedlichen Staatsbürgerschaften.

20 Lkw-Ladungen statt 3300

Untersuchungen beim Firmensitz zunächst in Waldbrunn und später in Eisingen haben ergeben, dass dort statt der angeblich 3300 Lkw-Ladungen höchstens 20 zur Tarnung angeliefert worden waren -  um den Schein zu wahren. "Die Bestände trugen teilweise ein abgelaufenes Haltbarkeitsdatum und dürften nur gelagert worden sein, um bei Kontrollen einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf vorzutäuschen", vermuten die Ermittler beim Zoll.

Angeklagt ist nun neben dem 42-jährigen Würzburger auch seine vier Jahre ältere Frau. 23 Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung liegen dem Mann zur Last, sein Beitrag an der Beute soll fünf Millionen Euro betragen haben. Die Frau wurde als sogenannte "Einziehungsbeteiligte" mitangeklagt, weil sie Nutznießerin des Gewinns war und bei der Vermögensabschöpfung mit zur Kasse gebeten werden soll.

Biersteuer in Großbritannien zehnmal so hoch wie in Deutschland 

Dazu muss man wissen: In Frankreich ist die Biersteuer 3,7 mal so hoch wie in Deutschland, in Großbritannien zehnmal so hoch. "Der Gesamtbetrag der hinterzogenen Biersteuer beläuft sich auf 35,7 Millionen Euro", macht Oberstaatsanwalt Raufeisen in Würzburg das Ausmaß der Straftat klar.

Pech für den Würzburger Bierschmuggler: Als die Zöllner zur Durchsuchung kamen, fanden sie bei ihm auch andere verbotene Genußmittel: Ein  Heroingemisch, Marihuana und/oder Kokain wurden sichergestellt, deren Besitz jetzt Teil der Anklage ist.

Haftstrafen drohen

Der Zoll stieß zuletzt regelmäßig auf diese Art von Betrug, in Kiel, Hamburg und Hof. In Oberfranken wurden in einem Fall von ähnlicher Dimension 2017 die Täter zu Gefängnisstrafen zwischen zweieinhalb Jahren sowie drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Allerdings hieß es damals:  "Die eigentlichen Drahtzieher sind noch flüchtig".

 
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