Der Stadtrat lässt prüfen, ob Würzburger Straßen den Namen von Nazis tragen oder von Leuten, die im Sinne der Nazis handelten. Die elfköpfige Kommission zur Überprüfung von Straßennamen und Ehrungen tagte am vergangenen Montag zum ersten Mal. Sie soll den Räten in zwei Jahren einen Bericht und Handlungsempfehlungen vorlegen.
Im vergangenen Oktober hatten die Stadträte das Einrichten der Kommission beschlossen, in seltener Einmütigkeit, mit 42:0 Stimmen. Sie ist die Konsequenz aus der Berichterstattung unserer Redaktion zur Nazi-Vergangenheit des früheren Würzburger Oberbürgermeisters Helmuth Zimmerer.
Die Suche nach Leuten die sich "diskreditierende Handlungen zuschulden kommen ließen"
Die Kommission soll nach dem Willen der Räte „Straßenbenennungen und Ehrungen für Personen untersuchen, deren aktive Lebensphase in die NS-Zeit fällt und von denen anzunehmen ist, dass sie sich in dieser Zeit diskreditierende Handlungen zuschulden kommen ließen“.
Folgen der Untersuchungen könnten die Umbenennungen von Straßen sein oder ein ergänzender Text auf dem Straßenschild.
Noch ist nicht abzusehen, wie viele Straßen und ihre Anwohner betroffen sein werden
Welche der rund 1200 Straßen Würzburgs betroffen sein werden, ist derzeit völlig unklar. 122 Straßennamensgeber hat das Stadtarchiv bislang ermittelt, die zwischen 1933 und 1945 aktiv waren und vor dem 1. Januar 1928 geboren wurden. Damit orientiert sich die Stadt an den israelischen Einreisebedingungen für Deutsche: Jahrgänge ab 1928 bekommen ihr Visum bei der Einreise. Ältere müssen es vorher beantragen. Axel Metz, der Leiter des Stadtarchivs meint, ein objektiveres Kriterium gebe es nicht.
Das Ermitteln der Straßennamen beschreibt er als „handwerklich, aber nicht profan“. Oft sei in den Ratsprotokollen nichts zur Person des Namensgebers und zum Grund der Würdigung vermerkt. Besonders in den Stadtteilen trügen Straßen Namen von Leuten, von denen das Archiv nicht weiß, wer sie waren.
Einige gute Menschen sind auch dabei
Bei manchen Straßennamen sei unklar, ob sie für eine Person oder, zum Beispiel, ein Handwerk stehen. Bei anderen rätselt das Archiv, welches Familienmitglied gemeint ist, wie im Falle der Schiestlstraße, die einem der Brüder Heinz, Matthäus oder Rudolf – oder vielleicht auch allen dreien – gewidmet ist.
Schließlich seien einige der 122 Straßen Leuten gewidmet wie Leonhard Frank, Albert Einstein, Anne Frank oder Willy Brandt, die über jeden Verdacht einer Nähe zu den Nazis erhaben sind.
Kulturreferent Muchtar Al Ghusain leitet die Kommission. Den Stadtrat vertreten Benita Stolz (Grüne), Willi Dürrnagel (CSU), Heinrich Jüstel (SPD) und Jürgen Weber (WL). Als städtische Experten sind Metz, Stadtheimatpfleger Hans Steidle und die Kulturwissenschaftlerin Bettina Keß dabei. Externe Fachleute sind Ingrid Heeg-Engelhart vom Staatsarchiv Würzburg, der Lehrstuhlinhaber für Neueste Geschichte an der Universität Würzburg, Professor Peter Hoeres und Niels Weise vom Institut für Zeitgeschichte in München.
Die Öffentlichkeit störe beim Gedankenaustausch, meint der Kulturreferent
Sie tagten am Montag unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nichtöffentlich sollen sie sich nach dem Willen von Al Ghusain und Metz auch künftig treffen. Der Kulturreferent argumentiert, es müsse „einen geschützten Raum für Kommissionsmitglieder geben“, wo sie eine These aufstellen können, die widerlegt werden kann. Öffentlichkeit blockiere den Gedankenaustausch womöglich.
Die Kommission wolle behutsam vorgehen. Familienmitglieder von Straßennamengebern sollen geschützt und Anwohner nicht beunruhigt werden durch die Veröffentlichung von Namen, zu denen die Recherchen nicht abgeschlossen sind. Al Ghusain meint, eine öffentliche Sitzung zum jetzigen Zeitpunkt „wäre höchst fahrlässig, da Personen beschädigt werden könnten, die ehrenwert und keineswegs belastet wären.“
Vor dem Herbst soll es eine öffentliche Diskussion geben
Er verweist wie Metz auf Städte wie Oldenburg, Münster, Celle oder Kassel, die ähnliche Kommissionen eingesetzt hätten, die ebenfalls nichtöffentlich tagten.
Al Ghusain kündigt eine öffentliche Veranstaltung zur Arbeitsweise der Kommission für den Juli, „spätestens nach der Sommerpause“ an. Da soll es vor allem um Fragen der Methodik gehen: Nach welchen Kriterien werden Straßennamen ausgewählt? Wie sollen die Gutachten erstellt werden? Wie ausführlich sollen sie sein? Sollen sie eine konkrete Handlungsempfehlung beinhalten? Außerdem werde es Berichte aus anderen Städten geben, „die sich in ähnlicher Weise mit dieser Thematik beschäftigen“.
Die Stadt finanziert die Arbeit der Kommission mit 12 000 Euro im Jahr.
As weitere Informationsquelle ist Wikipedia zu nennen!
Wer sich informieren will, der findet auch Quellen zu dieser Person!