Kein Alptraum von Eltern könnte schlimmer sein als dieser Verdacht: Mindestens einer von zwei Männern, die in einer Vorzeige-Kindertagesstätte in Würzburg Kinder betreuten soll Pornos mit kleinen Buben gedreht und ins Internet gestellt haben. Unvorstellbar sei das, sagen Nachbarn der beiden Männer. Das Paar ist verheiratet und hat selbst zwei Pflegekinder, die nun in Obhut gebracht wurden, wie Oberstaatsanwalt Christian Schorr (Bamberg) dieser Redaktion bestätigte.
Oberbürgermeister: "Fassungslos, sprachlos und erschüttert"
Aber je mehr Details am Tag nach einer spektakulären Razzia bekannt werden, umso mehr wächst unter Eltern die Furcht, die Ermittlungen könnten den Verdacht erhärten, den Polizei und Staatsanwalt am Donnerstag in zwei Pressemitteilungen äußern: Kinder sind missbraucht wurden, es soll eine dreistellige Zahl von kinderpornografischen Bildern und Videos geben. Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt wirkt angesichts der Vorwürfe geschockt. In der Stadtratssitzung am Donnerstag sagt er: "Wir sind fassungslos, sprachlos und erschüttert."
Dass nun ausgerechnet diese integrative Kita im Würzburger Stadtteil Heuchelhof unter Verdacht steht, macht den Träger, die evangelische Kirche, betroffen. Edda Weise, die Würzburger Dekanin der evangelisch-lutherischen Kirche, schreibt am Donnerstag nach der Durchsuchung in einer Pressemitteilung: "Diese Nachrichten haben uns schockiert und sehr bestürzt. Alle Beteiligten, Pfarrer, Leitung und Personal arbeiten eng mit der Polizei und den Behörden zusammen. Wir tun alles, um die Behörden bei einer schnellen Aufklärung zu unterstützen." Anfragen dieser Redaktion an die Leitung der Kindertagesstätte sowie den Verantwortlichen der Trägerschaft wurden zunächst nicht beantwortet. Weise schreibt weiter: "Die polizeilichen Ermittlungen richten sich nicht gegen die Einrichtung, daher bleibt die Kindertagesstätte geöffnet." Der der zuständige Pfarrer, ein Team der Polizei und der Notfallseelsorge seien ebenso vor Ort wie sie selbst und führen Gespräche mit den Eltern und Mitarbeitenden. Diese Gespräche hätten für sie Priorität vor allem anderen.
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Die beiden in den Fokus geratenen Männer – ein Sozialpädagoge und ein Logopäde - wurden abends zuhause überrascht, in dem Eckhaus im Stadtteil Rottenbauer, in dem sie nach Aussagen von Nachbarn noch nicht lange wohnen. Die Polizei wartete offenbar, bis einer am Computer saß und mit dem verbotenen Tun beschäftigt war. Dann stürmten um kurz vor 22 Uhr blitzartig Polizisten eines Sondereinsatzkommandos die Wohnung – nicht, weil die Verdächtigen als besonders gefährlich galten. "Aber in dem Moment muss man schnell sein, damit nicht noch Beweise vernichtet werden," sagt ein Ermittler, der viel Erfahrung mit solchen Fällen hat. Gerade in dem Milieu würden sich Täter extrem vor Durchsuchungen schützen.
Leid der Opfer beenden
Man sei wohl schnell genug gewesen, bilanziert am Tag darauf Oberstaatsanwalt Christian Schorr von der Zentralstelle Cybercrime für ganz Bayern, die in Bamberg angesiedelt ist. Die Beamten dort haben erst Ende vergangener Woche genauere Kenntnis von dem Fall erlangt und schnell gehandelt. Schließlich galt es, das mögliche Leid der jungen Opfer so schnell wie möglich zu beenden. "Wir gehen davon aus, dass es ein Geschehen ist, dass sich über mehrere Jahre hingezogen hat", so Schorr.
Angeblich durchsuchten die 50 Beamten an zehn Orten in Würzburg. Den Ermittlern steht ihre übelste Aufgabe noch bevor: Sie müssen die Filme - die vom Leid kleiner Kinder zeugen - bis zum bitteren Ende selbst ansehen, um sie mit den durchsuchten Orten zu vergleichen und Opfer zu identifizieren. "Das ist der widerlichste Aspekt dieser Arbeit", sagt einer von ihnen.
Am Donnerstagnachmittag wurde der eine Verdächtige wieder auf freien Fuß gesetzt. Hat sein Partner allein gehandelt, ohne dass er etwas davon bemerkte? Die Ermittler wollen das nicht ausschließen. Da macht der Fall schon die Runde. Die Nachricht von der Durchsuchung ging wie ein Lauffeuer durch Würzburg und die Medien quer durch Deutschland. Gegen seinen Partner hat sich der Tatverdacht indes weiter erhärtet. Er handelte auch mit Spielzeug. Jetzt sitzt er in Untersuchungshaft. Er habe sich zu den Vorwürfen bisher noch nicht geäußert, sagt Schorr. Wenn die Vorwürfe stimmen, wäre das aber hilfreich. Es würde den Opfern die quälende Vernehmung und die Konfrontation vor Gericht ersparen.
Missbrauch über Jahre hinweg?
Es gehe nicht nur um Nacktbilder oder anzügliche Posen für die Kamera. "Es werden sexuelle Handlungen gezeigt", macht der Staatsanwalt deutlich. Er geht davon aus, dass die Handlungen sich über Jahre hinzogen. Deshalb werden beschlagnahmte Computer nun genau unter die Lupe genommen, in der Hoffnung, Hinweise darauf zu finden, wann die jeweiligen Aufnahmen entstanden.
Von Ermittlungen in einem anderen Fall in Vechta führte die Spur nach Würzburg. Drei Kripo-Beamte von dort nahmen an der Durchsuchung teil, auch Vertreter des Bundeskriminalamtes waren dabei. Fahnder stießen auf einen Internetanschluss in Würzburg, von dem aus selbst hergestellte Bilder und Videos mit kleinen Kindern verbreitet wurden.
Dreistellige Zahl von Kinderpornos
Noch sei offen, wie viele Kinder betroffen seien, sagt Oberstaatsanwalt Christian Schorr. Aber es gehe um "sehr junge Kinder", Buben im Kindergartenalter. Er betonte am Donnerstag mit Blick auf die besorgten Eltern der Kita in Würzburg: "Konkrete Hinweise, dass tatsächlich Kinder dieser Kita betroffen sind, liegen bisher nicht vor."
Nach Informationen dieser Redaktion sollten am Donnerstagabend die Eltern bei einer eigenen Info-Veranstaltung Details erfahren und ihrerseits Beobachtungen weitergeben können – hinter verschlossenen Türen, um Vertraulichkeit zu gewährleisten.
Sexualpädagogin: Sprachlosigkeit der Gesellschaft
Die Vorstellung, dass ihr Kind für pornografische Fotos sexuell missbraucht worden sein könnte, ist für Eltern unvorstellbar. Dass nun genau dieser Verdacht in der Würzburger Einrichtung aufkam, wird bei Bezugspersonen Entsetzen, Wut und Ratlosigkeit auslösen – aber auch Fragen hervorrufen wie: Warum haben wir das unserem Kind nicht angemerkt? Warum hat unser Kind nichts gesagt? Hätten wir das verhindern können?
Beate Schlett-Mewis, Sexualpädagogin bei der Würzburger Beratungsstelle von "pro familia" weist auf ein zentrales Problem hin: "Es gibt nach wie vor eine Sprachlosigkeit in der Gesellschaft, wenn es um Sexualität geht – trotz der sogenannten 68er sexuellen Revolution." Wir hätten einfach nicht gelernt über dieses Thema zu reden. "Manche schämen sich sehr, Worte wie Penis, Brüste oder Schamlippen auszusprechen. Das geht Erwachsenen so, und damit auch Kindern."
Wenn ihnen sexuelle Gewalt angetan wird, dann sind sie nicht nur körperlich und seelisch in Not, Kinder haben häufig auch keine Sprache, es mitzuteilen, erläutert Schlett-Mewis. Hinzu kommt: "Kinder brauchen in der Regel sieben Erwachsene, bis ihnen geglaubt wird und bis Schritte eingeleitet werden."
Wann die Alarmglocken schrillen sollten
Ein möglicher Hilfeschrei versteckt sich zum Beispiel schon in harmlos klingenden Sätzen wie: "Ich will nicht mehr in die Kita, dort ist es blöd, ich hab keine Lust." Alarmglocken würden dagegen sofort bei den Eltern schrillen, wenn ein Kind sagt: "Der hat mir zwischen die Beine gelangt und komische Sachen gemacht." Aber, wenn laut Schlett-Mewis Kinder keine Worte erlernt haben, "dann ist die Situation für sie sehr schwierig", beschreibt die Sexualpädagogin das Dilemma.
Die Sprachlosigkeit fängt sehr früh an, ist die Erfahrung von Beate Schlett-Mewis. Wenn Kinder über ihren Körper reden wollen oder Fragen stellen, dann würden viele Eltern denken: Das machen wir später. Eine weitere Erfahrung ist, wie Eltern mit ihrem nackigen Baby auf dem Wickeltisch umgehen. Sie waschen die Nase, die Ohren, den Bauch, geben Küsschen, reden mit dem Kind, sagen liebe Sachen wie: "So, jetzt ist dein süßes Näschen wieder sauber." Dann wird der "Schambereich" von den Eltern "sprachlos" gesäubert. Erst dann, wenn die Beine und Füße dran sind, würden Eltern wieder mit ihrem Kind sprechen. "So lernt bereits das Baby, dass Teile seines Körpers ok, andere nicht ok sind."
Übergriffige Menschen wüssten um diese Sprachlosigkeit. Sie sei Teil ihrer Strategie. "Damit manipulieren sie ihre Opfer, üben ihre Macht aus und nutzen die Ohnmacht des Kindes aus." Sie manipulieren ihre Opfer. "Kinder kommen aus dieser Situation gar nicht raus, obwohl sie fühlen, dass etwas nicht richtig ist."
Das Resümee der Sexualpädagogin fällt insgesamt eher ernüchternd aus: Selbst die beste Aufklärung verhindert nicht, dass es Menschen gibt, die Grenzen überschreiten. "Aber Kinder, die gelernt haben über Penis, Brust, Bauch, Scheide und Po und über ihre Gefühle zu reden, werden sich eher an Erwachsene wenden, wenn sie verunsichert sind", sagt Beate Schlett-Mewis.
Zweite große Ermittlung nach Elysium
Für die neue Cybercrime Stelle der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg ist dies der zweite gravierende Fall von Kinderpornografie binnen kurzer Zeit. Die Fahnder waren vor kurzem auch an der erfolgreichen Ermittlung gegen die Betreiber des Kinderporno-Portals "Elysium" beteiligt.
Vier Männer hatte Ende 2016 diese Plattform im Darknet geschaffen. Binnen weniger Monate nutzten weltweit 112 000 Besucher das Angebot, den sexuellen Missbrauch von Kindern in vielen Nuancen beglotzen zu dürfen.
Im Sommer 2017 schlugen Ermittler dann zu, auch bei einem Mann in Boxberg in Tauberfranken. Die vier Haupttäter wurden vor kurzem zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Darum herum gab es weitere Verfahren gegen Mittäter, die sogar in die Tat umgesetzt hatten, was auf den Filmen zu sehen war.
Diskriminierend wäre die Behauptung alle Schwulen sind pädophil . Das habe ich nicht gesagt.
Vielleicht den Kommentar richtig lesen.
Der Logopäde unserer Tochter war männlich,
er hat aber eine Art Spiegel im Behandlungszimmer, durch den die Eltern die Behandlung aus dem Nebenraum verfolgen können.
Hier werden Männer einseitig unter Generalverdacht gestellt. Gleichzeitig lese ich immer wieder Klagen, dass Kindern männliche Vorbilder in ihrer Entwicklung fehlen. Es ist ungeheur schwer, einen Mann für die Ausbildung zum Erzieher zu gewinnen, wenn er aufgrund seines Geschlechtes immer und überall unter Generalverdacht steht.
Entscheidend ist, krimineller Energie konsequent und ohne einseitigen Scheuklappen zu begegnen.
Genauso würde ich kein Mädchen in eine Einrichtung geben in der männliche Erzieher arbeiten.