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Wiesbaden
Interview: So fahndet die Polizei im Darknet
Markus Koths ist der Leiter für Bekämpfung von Cybercrime beim Bundeskriminalamt. Im Interview spricht er über die polizeilichen Herausforderungen im Darknet.
Symbolfoto Darknet
Foto: A4796/_Silas Stein | Symbolfoto Darknet
Sandro Kipar
 |  aktualisiert: 19.10.2020 10:46 Uhr

Markus Koths ist der Leiter für Bekämpfung von Cybercrime beim Bundeskriminalamt. Im Interview  spricht er über die polizeilichen Herausforderungen im Darknet.

Herr Koths, welchen Verbrechen sind Sie im Darknet schon begegnet?

Markus Koths: Das Internet wird zur Begehung einer Vielzahl von Straftaten genutzt. Hier bieten sich beispielsweise Vertriebswege für den Verkauf inkriminierter Waren aller Art. Deshalb stoßen wir dort vielfach auf dieselben Straftaten, wie wir sie aus der analogen Welt kennen. Aktuell stellen wir fest, dass der illegale Handel mit Betäubungsmitteln und die Verbreitung von Kinderpornografie im Internet – und damit auch im Darknet – besondere Schwerpunkte darstellen. Aber auch der illegale Handel mit scharfen Schusswaffen und Arzneimitteln sowie der Handel mit Falschgeld und gefälschten Ausweisdokumenten sind Teil des Kriminalitätsgeschehens im Cyberraum. Darüber hinaus sehen wir immer häufiger Angebote zur Geldwäsche als Service für andere Kriminelle.

Wie laufen dort die Ermittlungen?

Markus Koths: Die Herausforderung bei den Ermittlungen besteht darin, den Straftäter aus der Anonymität des Darknets zu holen und ihn letztendlich zu identifizieren. Wir haben verschiedene technische Möglichkeiten, die wir vor dem Hintergrund unserer bisherigen Erfahrungen und mit hoher kriminalistischer Kreativität zielgerichtet einsetzen. Und hier sind wir zwischenzeitlich sehr erfolgreich. Beleg dafür sind unsere Ermittlungen gegen die Betreiber der Darknet-Plattformen „Deutschland im Deep Web“, „AlphaBay Market“ und „Hansa Market“ ebenso wie gegen maßgebliche Verkäufer von Betäubungsmitteln, Schusswaffen, Falschgeld und anderen inkriminierten Waren auf diesen Plattformen.

Immer wieder taucht in Medienberichten der Satz „Waffe und Drogen im Darknet bestellt“ auf. Ist es wirklich so einfach, illegale Gegenstände oder Substanzen über das Darknet zu bestellen?

Markus Koths: Auf eine kriminelle Online-Plattform gelangt der computertechnische Laie nicht so leicht wie auf Inhalte im sogenannten Clear Web. Dem Nutzer stehen keine Suchmaschinen wie Google zur Verfügung. Es bedarf demnach etwas mehr Anstrengung, um das zu finden, wonach man sucht. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass derjenige, der es darauf anlegt, durchaus zu den kriminellen Marktplätzen vordringt. Für viele endet das aber auch ernüchternd. Immer wieder geraten die Käufer an Betrüger, die inkriminierte Ware anbieten, Vorkasse verlangen und nicht liefern. Aber auch die Polizei ist im Darknet aktiv. Niemand kann sich sicher sein, mit wem er kriminelle Geschäfte anbahnt. Es ist alles andere als risikolos, im Darknet illegale Geschäft abzuwickeln.

Wie tarnen Händler ihre Geschäfte?

Markus Koths: Die Geschäfte werden im Grunde nicht verschleiert. Die Verkäufer wollen ja, dass ihre Ware Nachfrage findet und sie daran verdienen. Insofern ähnelt diese Handelslandschaft in ihrem Erscheinungsbild legalen Online-Märkten. Beim Verkauf von Betäubungsmitteln beispielsweise bieten die Verkäufer ihre Produkte mit detaillierten Beschreibungen und entsprechenden Produktfotos an. Ziel ist ja der Verkauf an potenzielle Käufer. Und die Käufer sondieren das Warenangebot sehr genau.

Wie wird die Ware versendet?

Markus Koths: Die von einem Käufer auf einem Darknet-Marktplatz erworbenen inkriminierten Waren wie Betäubungsmittel, Schusswaffen oder Falschgeld müssen vom Verkäufer zum Käufer transportiert werden. Für diesen Transport nutzen die Straftäter in der Regel den Post- oder den Paketversand, je nach Größe der Ware. Es gibt auch Fälle, in denen die illegalen Güter an verabredeten Orten direkt übergeben werden.

Stichwort Kinderpornografie: Wieso ist es so schwierig, solche Seiten aus dem Verkehr zu ziehen?

Markus Koths: Die Technik im Darknet verspricht weitgehende Anonymität, insbesondere durch die Verschleierung der eigenen IP-Adresse. Nicht nur Personen, sondern auch Internetseiten werden dadurch anonymisiert. Insofern können diese Internetseiten nicht so ohne Weiteres gefunden werden. Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten müssen deshalb vor einer Beschlagnahme und Abschaltung zunächst durch technische Ermittlungen lokalisiert werden. Aber auch hier konnten wir in der Vergangenheit durch die Abschaltung von zwei großen kinderpornografischen Darknet-Plattformen „TheGiftboxExchange“ und „ELYSIUM“ Ermittlungserfolge erzielen. Bei „ELYSIUM“ handelte es sich um die größte deutschsprachige kinderpornografische Darknet-Plattform mit etwa 100.000 Nutzeraccounts.

Schafft das Darknet Vorteile für den durchschnittlichen Bürger?

Markus Koths: Die ursprüngliche Idee des Darknets ist es, dem Nutzer Anonymität beim Surfen im Internet zu bieten. Es ist auch mit Blick auf berechtigte und legale Anliegen wie Schutz vor staatlicher Zensur, Informationsfreiheit und freie Meinungsäußerung geschaffen worden. Die Nutzung des Darknets stellt prinzipiell auch keine strafbare Handlung dar, sondern steht jedem Internetnutzer zur Verfügung. Gerade für Oppositionelle und Journalisten in autoritär regierten Staaten bietet das Darknet eine Möglichkeit, weitgehend geschützt vor staatlicher Repression ihren Aktivitäten nachgehen zu können.

 
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