
Seit Jahrzehnten sammelt Willi Dürrnagel Bilder, Schriften, Postkarten, Bücher und vieles mehr, das mit Würzburg zu tun hat. Er veranstaltet regelmäßig Führungen zu unterschiedlichsten Themen der Stadtgeschichte oder gibt sein umfangreiches Würzburg-Wissen in Vortragsabenden weiter. Außerdem ist er in mehreren Vereinen und Initiativen engagiert, die sich um die Würzburger Stadtgeschichte und das Stadtbild kümmern. Nur eines hat noch gefehlt: ein eigenes Buch. Doch diese Lücke in Dürrnagels Würzburg-Aktivitäten ist nun geschlossen. „Würzburger Straßen“ heißt der 92-seitige Band, der im Baunacher Spurbuchverlag erschienen ist. In der Broschüre beschäftigt sich Dürrnagel mit dem Innenstadt-Quartier Eichhorn-, Herzogen-, Wilhelm-, Martin- und Spiegelstraße. Das legt nahe, dass dem Premierenband weitere folgen dürften, die sich mit weiteren Würzburger Straßen oder Orten befassen werden.
Historischer Streifzug durch die Innenstadt
Nach historischem Material musste Willi Dürrnagel wohl nicht lange suchen, schließlich besitzt er in seiner Sammlung rund 14 000 Fotografien und Ansichtskarten mit Motiven aus dem historischen Würzburg und konnte somit aus dem Vollen schöpfen. 102 Abbildungen hat Dürrnagel für sein Buch ausgesucht und auf den 92 Seiten verteilt. Akribisch listet er auf, welche Geschäfte wann in welchem Gebäude untergebracht waren. Ältere Würzburger werden sich an das ein oder andere noch erinnern, die allermeisten sind nämlich längst aus dem Stadtbild verschwunden. Namen wie I.V. Wagner, Foto Bauer, Elektro Pfeuffer, Leininger oder Hugo Brümmer lassen bei Älteren wahrscheinlich nostalgische Gefühle aufkommen. Ein „Hingucker“ sind auch die abgedruckten Werbe- oder Programmzettel, die für das ein oder andere Schmunzeln sorgen dürften.

Als neues Leben in die Stadt einzog
Willi Dürrnagel hat für das Buch vor allem zahlreiche seltene historische Bilder aus seinem Archiv ausgegraben. Es gibt beispielsweise Einblicke in alte Gaststätten vor der Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945, Ansichten des von Bomben zerstörten Würzburg und Bilder vom Wiederaufbau und der Einkehr neuen Lebens in der Innenstadt.
Ein wenig verwirrend ist lediglich die Abfolge, die Dürrnagel gewählt hat. Beginnend mit den Gebäuden Eichhornstraße 1, 2 und 2a springt er in die Martin-, und Herzogen- und Wilhelmstraße, um dann wieder in die Eichhornstraße zurückzukehren. Für den ortsunkundigen Leser wäre an dieser Stelle ein Plan hilfreich, um die Reihenfolge der Beschreibungen nachvollziehen zu können. Denn es ist wohl nicht jedem bekannt, dass die drei genannten Straßen von der Eichhornstraße abzweigen.
Die Gewerbehalle ist in Vergessenheit geraten
Die Texte sind kurz und prägnant, beschränken sich oft auch nur auf kurze historische Notizen. Es gibt aber auch ein paar längere Textpassagen, beispielsweise bei der Beschreibung der 1851 eröffneten Gewerbehalle in der Herzogenstraße 8, eine Art frühes Kaufhaus, in dem die Produkte der einheimischen Gewerbetreibenden verkauft wurden. Nach elf Jahren war damit wieder Schluss, weil das Interesse der Gewerbetreibenden schnell wieder nachließ.
Im Buch fehlen Quellenangaben
Nur an einer einzigen Stelle bezieht sich der Autor ausdrücklich auf Thomas Memmingers Standardwerk „Würzburgs Straßen und Bauten“, das 1921 erschienen ist. Auch für die übrigen Texte und die Bilder wäre allerdings ein Quellen- und Literaturverzeichnis notwendig. Sollte das Buch in einer weiteren Auflage erscheinen, muss dies auf jeden Fall nachgeholt werden.
Autor Flade kann kein Plagiat erkennen
Der freie Journalist Wolfgang Jung, der auch für diese Redaktion tätig ist, hatte auf seinem privaten Facebook-Account Dürrnagel vorgeworfen, Texte von Roland Flade und und Dorothee Klingsiek ohne Quellenangabe verwendet zu haben. Diese Redaktion hat beide befragt. Der Historiker Flade sagte dazu gegenüber dieser Redaktion: "Es gibt in dem Buch keinerlei Plagiat in denjenigen Passagen, die sich auf meine Publikationen beziehen könnten." Dorothee Klingsiek erkannte bei einer Gegenüberstellung, dass der von Dürrnagel ebenfalls ohne Quellenangabe verwendete Text über Ferdinand Dessauer identisch sei mit ihrem Text für die Würzburger "Stolpersteine"-Website. "Aber der Aufwand, etwas dagegen zu unternehmen, ist mir zu groß", so ihr Fazit.
Dürrnagel erklärt, wie das Buch entstanden ist
Wie Willi Dürrnagel auf Anfrage im Gespräch mit dieser Redaktion erklärte, werde er für eine mögliche zweite Auflage seines Buches die fehlenden Angaben ergänzen. Dann werde er alle von ihm bewusst verwendeten Quellen offen legen, soweit sie ihm bekannt sind. Das Buch "Würzburger Straßen" sei aufgrund von Unterlagen und Aufzeichnungen für seine Führungen entstanden, die er im Laufe von vielen Jahren zusammengetragen habe und in vielen Fällen heute gar nicht mehr genau wisse, woher sie stammen. Da das Material ausschließlich als Grundlage für die Führungen gedacht war, habe er die Quellen oft nicht festgehalten. Außer dem Standardwerk "Würzburgs Straßen und Bauten" von Thomas Memminger habe er bewusst keine anderen Bücher herangezogen. Das jetzt erschienene Buch sei der erste Versuch gewesen, das ihm vorliegende Material zu nutzen. Denn häufig werde er bei seinen Führungen gefragt, ob seine Erläuterungen auch in schriftlicher Form erhältlich seien. Diesem Wunsch habe er Folge leisten wollen.
Willi Dürrnagel, Würzburger Straßen, Würzburg 2019, 92 Seiten, zahlreiche Schwarz-Weiß-und einige Farbabbildungen, ISBN 978-3-88778-561-1, erhältlich im Buchhandel, Preis 9.80 Euro