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Würzburg
Wie in Würzburg zwei Wochen lang Bundespolitik gemacht wurde
Während des Wahlkampfs 1969 brach sich Franz-Joseph Strauß in der Domstadt den Arm und musste zwei Wochen im Juliusspital bleiben.
Andreas Mettenleiter
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:00 Uhr

Vor ziemlich genau fünfzig Jahren, nämlich am 21. Juni 1969, rutschte Franz-Josef Strauß in der Badewanne seines Würzburger Stammhotels aus und zog sich dabei einen komplizierten Ellenbogenbruch zu. Das bescherte dem CSU-Vorsitzenden und Bundes-Finanzminister eine zweiwöchige Zwangspause mitten im Wahlkampf vor den wichtigen Bundestagswahlen und Würzburg einen prominenten Patienten.

„Strauß hatte Pech“ überschrieb die Main-Post ihre Pressemeldung auf der Titelseite, und das Volksblatt wusste zu berichten, dass das politische Schwergewicht „zunächst vom Hotelarzt versorgt“ und dann im Juliusspital operiert wurde.

Einen eigenen Doktor hatte natürlich auch das renommierte Hotel Lämmle nicht, aber der damalige Wirt war mit dem Internisten Hans-Joachim Wölfer befreundet, den er eiligst herbeitelefonierte. Der heute 89jährige Mediziner kann sich noch gut an den denkwürdigen Fall erinnern:

„Als ich im Hotelzimmer eintraf, lag der Politiker schweißüberströmt auf seinem Bett. Offenbar war er ohnmächtig geworden, doch hatte sich sein Kreislauf wieder stabilisiert.“ Der Minister wollte unbedingt zum Schenkenturm, wo sein Flugzeug wartete, ließ sich aber nach einigem Hin und Her überzeugen, die Ellenbogenfraktur in Würzburg versorgen zu lassen.

Wölfer riet zum Juliusspital, da er den dortigen chirurgischen Chefarzt Rudolf Schautz, aus gemeinsamen Oberarztzeiten an der Universitätsklinik kannte und schätzte. Die Operation verließ komplikationslos, allerdings konnte wegen der ausgedehnten Schwellung lange kein Gipsverband angelegt werden.

Und so dauerte es ganze zwei Wochen bis zur Entlassung. Das erfreute nicht nur die katholischen Ordensschwestern im Spital, die den christsozialen Politiker mit Aufmerksamkeiten überschütteten und mit Bocksbeuteln versorgten, sondern machte das Spital vorübergehend zu einem „Wallfahrtsort“, zu dem selbst der israelische Botschafter hinpilgerte.

Sogar sein ärgster Widersacher, der Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein, mit dem Strauß als Verteidigungsminister allerhand Fehden ausgetragen hatte, die 1962 in der Verhaftung leitender Redakteure wegen eines kritischen Artikels über die Bundeswehr gipfelten, reagierte: Am 24. Juni schickte er dem „alten Mitarbeiter“ ein Buch und einen Brief mit Genesungswünschen: „Wie Sie ahnen, wünsche ich ihnen nichts weniger als eine Minderung Ihrer brachialen und auch sonstigen physischen Kräfte.“

Strauß spielte den Ball gekonnt zurück: „Ich bin zuversichtlich, daß ich bald wieder Stoff für Ihr Nachrichtenmagazin liefern und mich damit Ihrer Bezeichnung „alter Mitarbeiter“ würdig erweisen werde. Die literarische Ermunterung, die Sie Ihrem Brief freundlicherweise beifügten, kann ich zwar mit der Hand noch nicht halten, mit dem Geist aber hoffentlich erfassen.“

Tatsächlich verlegte Strauß sein Büro ins Krankenbett: Hans-Joachim Wölfer, der ihn als Arzt jeden Tag besuchte, erinnert sich an ein ständig klingelndes Telefon und Gespräche mit hochrangigen Bundespolitikern. Außerdem empfing Strauß den Rektor und Vizerektor der Universität, als die Würzburger Studenten den bayerischen Kultusminister Ludwig Huber im Kloster Himmelspforten „belagerten“ und zu einer Aussprache über die umstrittenen Hochschulgesetze ins Audimax zwangen.

Zwar war der Arm gebrochen, nicht aber die Kampfeslust: Seinem Widersacher von der SPD, Willy Brandt, der ihn scharf angegriffen hatte, ließ er, so das ‚Volksblatt‘ vom 3. Juli 1969, mitteilen, er eigne sich nicht als „Watschenbaum“! Übrigens hatte die Würzburger CSU 1953 vergeblich versucht, Strauß statt seines angestammten Weilheimer Wahlkreises den Würzburger Stimmbezirk anzutragen.

Am 5. Juli konnte der prominente Patient das Juliusspital verlassen. Die Bundestagswahlen im September verlor die Union, so dass Strauß seinen Ministerposten räumen musste. Wegen der Ellbogenfraktur, die ihm noch lange zu schaffen machte, ließ er sich noch im November vom Bundestag beurlauben und war erst im Januar 1970 wieder voll dienstfähig.

Minister wurde Strauß auch unter Helmuth Kohl nicht mehr, aber als bayerischer Ministerpräsident reiste er, nicht immer zur Freude des Kanzlers, selbstbewusst durch die Welt. Und auch Würzburg stand, nicht nur zu Wahlkampfzeiten, regelmäßig auf dem Terminkalender des bayerischen Landesvaters.

 
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