Die Bilder sind erdrückend. Auf einer Brücke aus Holzbrettern kommt man in den zerbombten Raum. Direkt blickt man auf den Fürstensaal der Residenz, nichts ist mehr an seinem ursprünglichen Platz, Steine und Bretter verhindern ein Durchkommen, einzig und allein der alte Kamin ist noch zu erkennen. Doch der Zerstörungszustand ist nur eine Illusion, die geschaffen wurde, um am 75. Jahrestag an die Zerstörung Würzburgs und der Residenz am 16. März 1945 zu gedenken.
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Der Leiter der Schloss- und Gartenverwaltung Würzburg, Gerhard Weiler, und der für die Residenz zuständige Museumsdirektor Werner Helmberger führen an diesem Tag durch den neuen Dokumentationsraum in der Residenz. 2020 jährt sich der Baubeginn des barocken Gebäudes zum 300. Mal. Am 22. Mai 1720 hatte Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn den Grundstein für den Riesenbau gelegt. Bei einem schweren Fliegerangriff durch die Royal Air Force in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs fiel die historische Altstadt Würzburgs fast vollständig in Schutt und Asche. Auch die Residenz wurde zu großen Teilen zerstört, ihre Dächer, hölzernen Decken und Fußböden brannten ab. Weiler blickt durch den Saal, er hat Tränen in den Augen, seine Stimme wird brüchig. "Man merkt, mir liegt diese Stadt am Herzen", sagt er.
Wiederaufbau als enorme Leistung
Im neuen Dokumentationssaal, der direkt neben dem 2015 eröffneten Gedenkraum zu den Kriegszerstörungen, dem Skilton-Raum, liegt, wird den Besuchern anhand einiger markanter Beispiele die enorme Leistung des Wiederaufbaus der Residenz vor Augen geführen. Verschiedene Großfotos und kurze historische Filmsequenzen bieten einen direkten Einblick in die vielfältigen Einzelschritte, die die Restaurierung ausmachten. Im Fokus stehen dabei die Dacharbeiten, das Grünlackierte Kabinett, der Fürstensaal und das weltweit einmalige Spiegelkabinett.
So zeigt ein scheinbarer Blick aus dem Fenster des Dokumentationsraums die Stadt während des Wiederaufbaus: auf Projektionen im Fensterrahmen sind Arbeiter dargestellt, die die Dächer der zerbombten Häuser reparieren. Ein roter Zeitstrahl auf dem Boden markiert dabei die wichtigsten Daten des Wiederaufbaus und lenkt die Besucher durch den Raum.
Eine andere Ecke des Zimmers spiegelt die aufwendige Restaurierung des dreidimensionalen Parkettdesigns im Grünlackierten Kabinett wider. Nach dessen völliger Zerstörung dauerte es Jahre, bis anhand der wenigen vorhanden Raumfotos das geometrische Prinzip des Bodens entschlüsselt und eine exakte Planzeichnung angefertigt werden konnte. In aufwändiger Handarbeit und unter Verwendung von acht verschiedenen Holzsorten gelang schließlich die Rekonstruktion.
Für die Gestaltung des Dokumentationsraums wurde, wie auch schon für den Skilton-Raum, die Würzburger Agentur Eydos beauftragt. "Drei Jahre haben wir von der Ideenentwicklung bis zur Umsetzung gebraucht", erzählt Léon Homeyer von Eydos. "Solche Dinge brauchen Zeit, wir hatten nur begrenzten Raum und wollten diesen so facettenreich wie möglich gestalten." 290 000 Euro wurden dabei für Recherchen, Planung und Ausbau des Raumes investiert.
Der neue Dokumentationsraum zum Wiederaufbau ist im Zuge des normalen Residenzrundgangs zu besichtigen.
Aktueller Hinweis zum Coronavirus: Alle Besichtigungsobjekte der Bayerischen Schlösserverwaltung sind bis zum Ende der Osterferien (einschließlich 19. April) für den Publikumsverkehr geschlossen. Die Park- und Gartenanlagen bleiben bis auf Weiteres geöffnet.