Es gilt als das "Rockkonzert der Wissenschaft" - so zumindest bezeichnen die Organisatoren die Science Slam-Meisterschaften. Dabei verwandeln sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende in Poeten auf der Bühne. Dort präsentieren sie vor Publikum unterhaltsam die Ergebnisse ihrer Forschung. Julien Bobineau forscht an der Uni Würzburg und ist als erster Würzburger bei den Deutschen Science Slam Meisterschaften 2021 vertreten. Nun möchte er ins Finale kommen und braucht dafür die Unterstützung über eine Online-Abstimmung. Im Gespräch verrät er, um was es in seinem Vortrag geht und warum man sich die Meisterschaften unbedingt anschauen sollte.
Julien Bobineau: Der Science Slam funktioniert ähnlich wie der Poetry Slam, mit einem großen Unterschied, denn beim Science Slam steht die wissenschaftliche Arbeit der Vortragenden im Fokus. Innerhalb von zehn Minuten müssen Forscherinnen und Forscher ihre Doktorarbeit oder ihr Forschungsprojekt möglichst verständlich präsentieren. Im Gegensatz zum Poetry Slam sind auch Hilfsmittel erlaubt: Von der PowerPoint-Präsentation über Requisiten bis hin zu Live-Experimenten darf alles auf der Bühne verwendet werden.
Bobineau: Es macht mir sehr viel Spaß, fachwissenschaftliche Inhalte kurz und knackig auf die Bühne zu bringen. Und sind wir einmal ehrlich: Wann hat man als Nachwuchswissenschaftler einmal die Gelegenheit, vor 800 Zuschauerinnen und Zuschauern von seiner täglichen Arbeit zu berichten? Mit meinen Vorträgen versuche ich diese Aufmerksamkeit zu nutzen, um das Publikum einerseits zum Schmunzeln zu bringen und andererseits auch zum Nachdenken anzuregen. Aus meiner Sicht bleiben Inhalte besser und länger in Erinnerung, wenn sie mit Humor vermittelt werden. Gleichzeitig habe ich auf der Science Slam-Bühne sehr viel in Sachen Präsentationskompetenz und Wissenschaftskommunikation gelernt und profitiere tagtäglich von diesen Erfahrungen, zum Beispiel in meinen Lehrveranstaltungen. Für mich ist der Science Slam eine großartige Möglichkeit, um mich als Forscher und Lehrender weiterzuentwickeln.
Bobineau: Auf den ersten Blick passt das erst einmal gar nicht zusammen, doch auf den zweiten Blick schöpfe ich gerade aus dieser breiten Themenvielfalt die Faszination für meinen Beruf als Kultur- und Literaturwissenschaftler. Mich haben kulturelle Austauschprozesse und Grenzüberschreitungen schon immer interessiert und die finden sich im Kolonialismus ebenso wie in der Jagdethik, in der TV-Serie Breaking Bad oder im Computerspiel Read Dead Redemption. Hinzu kommt auch, dass ich in der Romanistik als Generalist ausgebildet werde, der irgendwann einmal die gesamte französische Kultur- und Literaturgeschichte vom 8. bis in das 21. Jahrhundert lehren soll. Und da kommt einiges zusammen, wenn man auch die französischsprachigen Gebiete außerhalb Frankreichs in Europa, Afrika, der Karibik, Ozeanien und Asien berücksichtigt.
Bobineau: In meinem Vortrag geht es um Stereotype und Vorurteile über Afrika, die während der Kolonialzeit aufgebaut wurden und zum Teil bis heute nachwirken. Ein Beispiel: In vielen Hollywood-Filmen, die in Afrika spielen, kämpft ein weißer Held gegen einen schwarzen Warlord und rettet dabei die Welt, eine Republik oder eine Frau. In der Forschung nennt man das "White-Savior-Komplex". Ein anderes Beispiel sind Spendenplakate von Hilfsorganisationen: Hier wird Afrika häufig als Armuts- und Katastrophenkontinent inszeniert, um möglichst viele Spendengelder zu sammeln, die letztlich auch die Strukturen der Organisationen finanzieren. Dabei will ich nicht bestreiten, dass Armut und Hungerkatastrophen in Afrika existieren. Allerdings vernachlässigt dieses eindimensionale Bild, dass es auch viele wirtschaftliche, politische und soziale Erfolgsgeschichten von Kapstadt bis Kairo gibt. Mein Science Slam will auf diese Diskrepanz aufmerksam machen und gleichzeitig zeigen, dass Filme, Kunst und Literatur einen wesentlichen Beitrag leisten können, um Stereotype und Vorurteile abzubauen.
Bobineau: Bei den Deutschen Meisterschaften bekommt man einen unterhaltsamen Einblick in spannende Forschungsprojekte aus unterschiedlichen Fachbereichen. Die besten Slammerinnen und Slammer aus ganz Deutschland bieten Wissenschaft – verständlich, zum Anfassen und mit Lach- und Lerngarantie.
Julien Bobineau befindet sich nun unter den Top 10 Teilnehmern, die die Chance haben, weiterzukommen. Um am Finale in Dortmund teilnehmen zu können, muss er sich beim Vorentscheid durchsetzen. Die fünf Slammerinnen und Slammer mit den meisten Stimmen werden am 27. November im Finale über das Neueste aus ihrer Forschung slammen. Das Ganze findet per Online-Voting statt: www.science-slam.com/. Abgestimmt werden kann noch bis zum 5. November.