Vom Abrollbehälter bis zum Wechselladerfahrzeug mit Kran: Der Feuerwehrbedarfsplan für den Landkreis Würzburg liest sich auf den ersten Blick wie ein neues Konjunkturprogramm für die Feuerwehrbranche. Es geht um Drehleitern, Einsatzfahrzeuge, Rüstwagen oder Motorboote. Es geht aber auch um eine bedarfsgerechte und wirtschaftliche Ausrichtung der Feuerwehren, damit sie ihren hoheitlichen Aufgaben in den nächsten zehn Jahren nachkommen kann.
Mittwochnachmittag im Feuerwehrzentrum Klingholz: Für die Mitglieder des Kreisausschusses hat die Landkreis-Feuerwehr alles aufgefahren, was sie bislang zu bieten hat. Später soll dann darüber gesprochen werden, was eigentlich gebraucht wird. Für die Politiker ist das nicht neu, denn in ihren Städten und Gemeinden sind Feuerwehrbedarfspläne seit drei Jahren Vorschrift. Nur auf Landkreis-Ebene noch nicht. Im Jahr 2021 soll es auch hier verpflichtend sein.
Die Feuerwehr-Brille abgenommen
"Wir sprechen über ein Konzept mit Tragweite", beginnt Kreisbrandrat Michael Reitzenstein den mehrstündigen Vortrag und wird von den Kreisbrandmeistern Philipp Renninger und Christof Frank unterstützt. Seit drei Jahren wird daran gearbeitet. Zwei Stunden waren für die Sitzung des Kreisausschusses im Feuerwehrzentrum Klingholz angesetzt, und alles vorzustellen. Vier sind es am Ende geworden.
"Als wir über die Feuerwehr-Ausstattung nachdachten und sie den veränderten Anforderungen anpassten, haben wir bewusst die Feuerwehr-Brille abgenommen", sagte Reitzenstein. Denn der Feuerwehrbedarfsplan soll objektiv sein und die ehrenamtlichen Feuerwehrleute in den Kommunen entlasten. Und natürlich gehe es auch um das Zusammenwirken der Feuerwehren.
Was wäre eine Feuerwehr ohne die entsprechenden Fahrzeuge? Der Landkreis Würzburg hat 13. Alle sind unterschiedlich, allein neun sind älter als 30 Jahre. Dazu kommen zwei Ölsperren. Eine davon ist in Ochsenfurt, auch nicht mehr die jüngste und nur noch mit Einschränkungen zu gebrauchen. Im Feuerwehrzentrum Klingholz sind ein Wechsellagerfahrzeug und vier Abrollbehälter untergebracht. Dazu kommt die Atemschutzwerkstatt, die Ausbildung und die Funkwerkstatt.
Ein Landkreis und mehrere hundert Quadrate
Um die unterschiedlichen Gefährdungslagen für den Landkreis Würzburg zu erkennen, haben Reitzenstein und seine beiden Kreisbrandmeister den Landkreis in mehrere hundert kleine Quadrate aufgeteilt. Wo sind die Autobahnen, die Bundesstraßen, der Main, Industriebetriebe, das Kreiskrankenhaus, Pflegeeinrichtungen, Gewerbegebiete? Und sie haben sich das Risiko für verschiedene Szenarien angesehen.
Dabei gibt es Einsätze, die nicht mehr in die Zuständigkeit der Gemeinde fallen, sondern bei denen der Landkreis ins Spiel kommt. Der Brand in der Ochsenfurter Zuckerfabrik beispielsweise war zunächst als Flächenbrand gemeldet und weitete sich dann auf das Werksgelände aus. "Solche dynamischen Einsatzlagen sind im Feuerwehrbedarfsplan berücksichtigt", sagte Kreisbrandmeister Frank. Dies bedeute, dass die Landkreis-Feuerwehr technisch so ausgestattet sein muss, um damit arbeiten zu können. Dazu gehören vor allem Einsatzleitwagen (ELW).
Der des Landkreises, ein ELW1, steht bei der Feuerwehr Rottendorf und entspreche nach 20 Jahren nicht mehr der Zeit. Zwei neue wären der Maßstab für den Landkreis Würzburg, sagt Frank. Um die große Fläche abzudecken wären Standorte im Norden und Süden optimal, um dann spätesten in 25 Minuten am Einsatzort zu sein. Diese Argumente überzeugen die Mitglieder des Kreisausschusses. Zwei Einsatzleitwagen sollen in den Jahren 2021 und 2022 mit Hilfe einer Sonderförderung des Freistaats beschafft werden.
Drehleiter als kostspielige Anschaffung für die Gemeinde
Dann ging es um Hubrettungsfahrzeuge, wie sie im Feuerwehrchargon heißen. Umgangssprachlich werden sie Drehleitern genannt. Solche kostspieligen Anschaffungen, bei denen vor allem der Unterhalt sehr teuer ist, kann sich nicht jede Gemeinde leisten. Manche Gemeinden müssen aber Drehleitern vorhalten, allein aus baurechtlicher Verantwortung. Vier Stück gibt es im Landkreis. Sie stehen bei den Feuerwehren in Ochsenfurt, Veitshöchheim, Höchberg und Zell. Die Anschaffungskosten liegen bei rund 750 000 Euro, der Freistaat gibt 236 000 Euro dazu. Damit der Landkreis aber auch seinen Verpflichtungen nachkommen kann, beispielsweise bei Sturmschäden, sind zwei weitere Drehleitern nötig.
Da passt es gut, dass die Gemeinde Gerbrunn im September für sich einen Feuerwehrbedarfsplan beschlossen hat und eine Drehleiter beschaffen möchte. Der Landkreis will das fördern und Kommunen einen Anreiz geben, diese kostspieligen Fahrzeuge zu beschaffen. So soll es nicht nur einen einmaligen Zuschuss zum Kauf geben, sondern auch mit 5000 Euro im Jahr der Unterhalt gefördert werden. Kreisrat Stefan Wolfshörndl (SPD), auch Bürgermeister in Gerbrunn, ist zufrieden. "Das ist eine perfekte interkommunale Lösung", sagt er.
Die Rüstwagen-Flotte wird ausgebaut
Verbessert wird auch die Rüstwagen-Flotte. Vier entsprechende Fahrzeuge hat die Landkreis-Feuerwehr in Rottendorf, Hettstadt, Ochsenfurt und Sonderhofen. Doch um die nötige technische Hilfe zu geben, seien aus Sicht der Kreisbrandinspektion drei und ein Wechsellader mit Kran als Trägerfahrzeug für einen Abrollbehälter nötig. Die Mitglieder des Kreisausschusses tragen das mit.
Auch für die Abwehr von atomaren, biologischen und chemischen Gefahren (ABC) hat der Landkreis Würzburg Verantwortung und muss seine Feuerwehren entsprechend rüsten. Auch, weil es auf der Autobahn immer wieder Unfälle gibt, bei denen gefährliche Stoffe auslaufen. Ein Dekontaminationsfahrzeug gibt es dafür in Neubrunn, bei der Feuerwehr in Hettstadt ist die Gefahrgut Messausstattung auf einem Mehrzweckfahrzeug der Kommune verladen. Einen eigenen Gerätewagen Gefahrgut hat die Landkreis-Feuerwehr nicht. Hier springt die Würzburger Berufsfeuerwehr ein. Das Fahrzeug in Neubrunn reiche aber nicht aus, weil innerhalb von 20 Minuten eine Einheit zur Dekontaminierung aufgebaut werden muss. Die Kreisräte stimmen der Anschaffung eines weiteren Fahrzeuges zu.
Ölsperren für den Main reichen nicht aus
Und, weil es für den Schutz des Mains erhebliche Lücken gibt, aber nur zwei Ölsperren, will der Landkreis mit einem Zuschuss den Kauf von bis zu vier Mehrzweckbooten fördern. Dasselbe gilt für Logistikfahrzeuge. Nach den Kosten haben die Kreisräte nicht gefragt. Kreisbrandrat Reitzenstein hat auf Anfrage dieser Redaktion alles hochgerechnet und kommt auf Ausgaben von knapp 2,2 Millionen Euro, die sich auf die nächsten zehn Jahre verteilen.
Die Mitglieder des Kreisausschusses haben auch Planungen beschlossen, das Feuerwehrzentrum auszubauen, um Lagermöglichkeiten zu schaffen. Weil die Aufgaben immer umfangreicher werden, wird zudem ein Sachbearbeiter Feuerwehr eingestellt, auch um die Ehrenamtlichen im Feuerwehrzentrum zu unterstützen.
"Gestern wurde negativ wie positiv Geschichte geschrieben", schreibt Landrat Thomas Eberth am Donnerstag in den sozialen Medien. Mit "positiv" meint er den Feuerwehrbedarfsplan. Mit "negativ" ist der Zoff in der Landkreis-Feuerwehr gemeint. Darüber sprachen die Kreisräte aber nicht. Diesen Montag will Eberth im nichtöffentlichen Teil der Kreisausschuss-Sitzung dazu Stellung beziehen.