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Würzburg
Wer steckt hinter den Verkehrstarifen?
Eine Strassenbahn in der belebten Domstrasse Wuerzburg. Zurzeit sind die Beförderungstarife wieder in aller Munde. Foto: Daniel Peter
| Eine Strassenbahn in der belebten Domstrasse Wuerzburg. Zurzeit sind die Beförderungstarife wieder in aller Munde. Foto: Daniel Peter
Regina Urbon
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:46 Uhr

Mit einem ungewöhnlichen Schritt hat zuletzt der Würzburger Stadtrat das Thema Tariferhöhung wieder in die Diskussion gebracht. Er nahm das Thema am 17. Mai von seiner Tagesordnung. Damit lehnte er die vorgesehene Tariferhöhung von 3,64 Prozent ab. Ab 1. August gilt nun dennoch ein um 2,9 Prozent höherer Tarif. Warum?

Es gab schon einmal eine Nullrunde

Laut Gesellschaftsvertrag der WVV (Würzburger Versorgungs- und Verkehrsbetriebe) können die Verkehrsbetriebe ihre Gebühren um den Prozentsatz von  2,9 Prozent selbstständig anheben – mehr ginge nur mit Zustimmung des Stadtrates. Dies wurde im Jahr 2008 so festgelegt, und zwar nach einer Nullrunde im Jahr 2007. Die seinerzeitige Oberbürgermeisterin Pia Beckmann hatte verfügt, dass 2007 Bahn- und Omnibusfahren nicht teurer wird, erläutert der Bereichsleiter der Würzburger Straßenbahngesellschaft (WSB) Paul Lehmann. 

Zwei Verbünde - zwei Verhandlungspartner

Um zu verstehen, wer seither verhandelt, muss man wissen: Verantwortlich für den Öffentlichen Nahverkehr sind laut einer EU-Verordnung (EU-Verordnung 1370, gültig seit 2009), die kommunalen Gebietskörperschaften. Im näheren Umkreis sind dies Stadt Würzburg, Landkreis Würzburg, die Landkreise Kitzingen, Main-Spessart und Teile des Kreises Neustadt an der Aisch/Bad Windsheim. Sie sind zu einem Verbund zusammengeschlossen; bis zum Jahresende 2017  nannte er sich noch Nahverkehr Würzburg Mainfranken" (NWM). Nach einer Umstrukturierung und Erweiterung in den Norden Würzburgs wird er künftig "Nahverkehr Mainfranken GmbH" (NVM) heißen. Das ist der Verhandlungspartner auf der einen Seite. Er beauftragt die eigenständigen Verkehrsunternehmen - sie sind Verhandlungspartner auf der anderen Seite.

Reaktionen aus dem Würzburger Stadtrat auf die ÖPNV-Preise

Die eigenständigen Verkehrsunternehmen sind im  Verkehrsverbund Mainfranken (VVM) zusammengeschlossen. Das sind die Gesellschafter, die sich untereinander auf die selben Tarife geeinigt haben und auch darauf, dass sie einer jährlichen Tariferhöhung von bis zu 2,9 Prozent zustimmen. Unter ihnen gibt es zwei Verkehrsunternehmen, die in kommunaler Hand sind, wie die Würzburger Straßenbahngesellschaft WSB und das Kommunalunternehmen des Landkreises (KU). Beide haben sich dann vertraglich mit ihrem jeweiligen kommunalen Gesellschafter (Stadt, Landkreis)  auf die 2,9-Prozent-Regelung geeinigt (Gesellschaftervertrag).

Einigung auf 2,9 Prozent

 Die neuen Tarife werden immer Mitte Januar bis Mitte Februar unter den Verkehrsbetrieben verhandelt beziehungsweise festgelegt. Die Verkehrsunternehmen halten sich jetzt an ein Berechnungsverfahren, entwickelt vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmer, welches die Kostenindexe des Statistischen Bundesamtes zur Grundlage hat wie zum Beispiel Personal-, Energie-, Material und Kapitalkosten. Auf dieser Basis wird eine Vorschau für die weitere Preisentwicklung erstellt. 

"Hinzu kommen noch ein Faktor zur Stabilisierung des Kostendeckungsgrades und ein On-Top Zuschlag von 0,2 Prozent zur Abschmelzung verbundbedingter Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverluste", so WSB-Bereichsleiter Paul Lehmann. Es geht dabei zum Beispiel um die Integration von weiteren Gebietskörperschaften, die in den Verbundraum mit aufgenommen werden.

"Würde einer den Verbund aufkündigen, würde er an den Urfesten des Verbundes rütteln."
WSB-Bereichsleiter Paul Lehmann

Lehmann ist unglücklich darüber, sich seinen Partnern nicht verlässlich zeigen zu können. „Würde einer den Verbund aufkündigen“, sagt er, würde er an den Urfesten des Verbundes rütteln. Ein Verbund-Exit würde die Gefahr bergen, dass der ganze gemeinsame Tarif auseinanderbräche. Lehmann erläutert: „Jeder Unternehmer trägt seinen Verlust selbst.“ Die WSB muss nun innerhalb des Verbundes ihren Anteil stemmen. „Wir hätten Mehreinnahmen von 532 000 Euro gehabt“, so Lehmann - nun werden es voraussichtlich 425 000 Euro sein. Die fehlende Differenz von 107000 Euro muss von der WVV oder aus dem Stadtsäckel kommen.

Jedes Jahr 16 Millionen Euro Defizit

Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass die WSB ohnehin jedes Jahr 16 Millionen Euro Defizit einfährt. Die Stadt und ihre Tochter WVV zahlen das aus Geldern, die sie dafür nicht versteuern müssen, zum Beispiel aus Gewinnen von Strom und Gas, vom Hafen und den Parkhäusern. 

 
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Kommentare
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  • ikarus
    Ist man in einem Verkehrsverbund, so kann die Stadt wohl nicht alleine über die Tarife bestimmen. Oder man tritt aus. Aber das wäre doch sicher auch keine Lösung. Es ist doch eher eine weitere Vergrößerung des bestehenden Verbundes erwünscht.
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