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Sommerhausen
Wer oder was wartet auf uns im Jenseits? Torturmtheater Sommerhausen eröffnet mit grandiosem Ein-Frau-Stück die Saison
Die phänomenale Schauspielerin Léonie Thelen zieht das Publikum in "Der geflügelte Froschgott" von Ingrid Lausund mühelos in einen Strudel finaler Fragen.
Wenn es einen Gott gibt, warum sind wir Menschen ihm dann so offensichtlich egal? Eine von vielen Fragen, die sich die Frau (Léonie Thelen) in „Der geflügelte Froschgott“  stellt.
Foto: Patty Varasano | Wenn es einen Gott gibt, warum sind wir Menschen ihm dann so offensichtlich egal? Eine von vielen Fragen, die sich die Frau (Léonie Thelen) in „Der geflügelte Froschgott“ stellt.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 11.04.2024 02:48 Uhr
  • Was ist das für ein Stück? "Der geflügelte Froschgott" ist ein Monolog der 1965 in Ingolstadt geborenen Autorin Ingrid Lausund für eine Schauspielerin oder einen Schauspieler. Im Torturmtheater Sommerhausen ist die Version für eine Frau zu sehen.
  • Worum geht es? Eine Frau, deren Mann vor zwölf Jahren gestorben ist, stellt sich existenzielle Fragen: Gibt es ein Leben nach dem Tod? Und wenn ja, welche Religion wird Recht behalten? Die mit den meisten Anhängern?
  • Wie ist es umgesetzt? Léonie Thelen spielt den skurrilen, oft komischen, vor allem aber scharfsinnigen Monolog in der Regie von Eos Schopohl mit unglaublicher Präsenz. Mühelos zieht sie das Publikum in ihren Gedankenstrudel, der keinen weltanschaulichen Stein auf dem anderen lässt.

Kommt man dem Jenseits mit logischen Überlegungen bei? Natürlich nicht. Die Frau auf der Bühne des Torturmtheaters Sommerhausen (Lkr. Würzburg) versucht es trotzdem. Sie schraubt in Ingrid Lausunds Monolog "Der geflügelte Froschgott" ihren Geist von einer finalen Frage zur nächsten, erörtert denkbare Aggregatzustände einer hypothetischen Seele, klopft Religionen und Gottesbilder auf Plausibilität ab, darunter den titelgebenden Froschgott, und landet natürlich bei der größten aller Fragen: Wenn es einen Gott gibt, warum sind wir Menschen ihm dann so offensichtlich egal?

Die zierliche Léonie Thelen füllt ganz mühelos den leeren, diesmal in fahlem Lindgrün gestrichenen Bühnenraum aus. Ein Hocker, ein Kaffeebecher, ein altertümliches Klapphandy – mehr braucht die Inszenierung von Eos Schopohl nicht. Was das Premierenpublikum zum Start der neuen Saison fesselt, sind weder Kostüm noch Kulisse, sondern die grazile Körperlichkeit, der lakonische Witz und die emotionale Wucht dieser phänomenalen Darstellerin.

Wissen die Seelen im Jenseits, wer sie im Diesseits waren?

Die Frau hat vor zwölf Jahren ihren Mann verloren. Wird sie ihn nach dem Tode wiedersehen? Und wenn ja, in welcher Form? Wird seine erste Frau auch da sein? Wissen die Seelen dann noch, wer sie im Diesseits waren? Wenn nicht, was würde das für ein Jüngstes Gericht bedeuten? "Man wäre ja schlichtweg nicht verhandlungsfähig", schlussfolgert die Frau und entwickelt daraus schon die nächste Hypothese.

Der Blick nach oben: Léonie Thelen erörtert denkbare Aggregatzustände einer hypothetischen Seele und klopft Religionen und Gottesbilder auf Plausibilität ab.
Foto: Patty Varasano | Der Blick nach oben: Léonie Thelen erörtert denkbare Aggregatzustände einer hypothetischen Seele und klopft Religionen und Gottesbilder auf Plausibilität ab.

Ganz nebenbei und ganz ohne Häme entlarvt sie so manche Absurdität überkommener Glaubenssysteme. Warum, zum Beispiel, braucht ein allwissendes, allmächtiges höchstes Wesen ständig menschliche Bestätigung? Was ist das für ein Gott, der unter Androhung von Folter Liebe verlangt und gleichzeitig all das zulässt, was an Schrecklichem in seinem Namen passiert? Sehr komisch wiederum ist das Telefonat mit diesem Gott, der sich als freundlich-gleichgültiger Kumpeltyp erweist.

Weiß die Hölle, dass sie eine Metapher ist?

Doch unmerklich beginnt irgendwann der Panzer vorgeblicher Sachlichkeit zu bröckeln. Der argumentative Parforceritt, der locker jedes Theologiestudium überflüssig machen dürfte, führt in immer enger werdenden Spiralen direkt in eine Finsternis aus Angst und Einsamkeit. "Weiß die Hölle, dass sie eine Metapher ist?"

Die Frau fragt nicht so sehr für sich, sondern für ihren geliebten Mann. Der Gedanke, dass er irgendwo ewige Qualen erdulden muss, peinigt sie bis in ihre Alpträume hinein, da helfen weder Systemvergleiche noch entlarvende Logik. Warum also nicht ein wenig kämpferischer Trotz in Richtung Jenseits: "Schieb dir deine Hölle in den Arsch!"

Torturmtheater Sommerhausen: "Der geflügelte Froschgott" läuft bis 18. Mai. Spieltage: Di. bis Fr., 20 Uhr, Sa. 16.30 und 19 Uhr. Karten: kartenbestellung@torturmtheater.de oder telefonisch ab 16 Uhr, (0 93 33) 268.

 
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