Gregor von Papp ist Schulleiter der Mittelschule in der Würzburger Zellerau. Jahr für Jahr stellt er fest, dass die Enttäuschung unter den Kindern größer wird, wenn sie auf die Mittelschule müssen. Darüber entscheidet das Übertrittszeugnis, das dieses Jahr am 2. Mai an die Viertklässler vergeben wird. Im Gespräch erklärt von Papp, warum der Ruf der Mittelschulen so schlecht ist und übt Kritik an einem Schulsystem, das seiner Meinung nach die gesellschaftliche Spaltung vorantreibt.
Gregor von Papp: . . . dass sie die Vorteile der Mittelschule verkennen.
Von Papp: Allen voran das Klassenlehrerprinzip. Wie in der Grundschule unterrichtet eine Lehrkraft die Kinder in mehreren Fächern. Das hat den riesigen Vorteil, dass die Lehrer und Lehrerinnen ihre Schützlinge viel besser kennen - und viel besser darauf eingehen können, wo deren Stärken liegen und wo es Nachholbedarf gibt. Das können wir in einer völlig anderen Art machen als an anderen Schulen. Damit einher geht auch ein ganz anderer Tagesrhythmus: Hier kommt nicht alle 45 Minuten eine neue Lehrkraft rein und hetzt mit dem Gong zur nächsten Klasse. An Realschule und Gymnasium müssen sich die Schülerinnen und Schüler ständig auf eine neue Person, eine neue Art zu sprechen und zu lehren einstellen – eine Wahnsinnsleistung, die den Wissenserwerb für manche enorm erschwert. Hier darf ein Thema auch mal zehn Minuten länger besprochen werden – und danach wissen alle mehr.
Von Papp: 20 Jahre nach Einführung der sechsstufigen Realschule kann man mittlerweile sagen: Das hat historische Gründe. Früher waren alle Schülerinnen und Schüler – mit Ausnahme derer, die nach der Vierten aufs Gymnasium wechselten – bis zur sechsten Klasse zusammen. Erst hat man dann die Realschule nach vorne in die fünfte Klasse gezogen, jetzt auch noch die Wirtschaftsschulen. Und diese Schulformen versprechen einfach bessere Abschlüsse.
Von Papp: Ja. Was aber wenige auf dem Schirm haben: Nach der Mittelschule muss nicht Schluss sein. Auch hier kann man einen mittleren Schulabschluss und danach weiter machen. Der Ruf ist also zu unrecht so schlecht. Aber man muss leider sagen: Mit jedem Jahr, in dem es diese Dreiteilung ab der vierten Klasse länger gibt, wollen noch weniger Kinder an die Mittelschule.
Von Papp: Manche sind traurig und sagen: Die anderen haben es geschafft, ich habs nicht geschafft – und deswegen bin jetzt hier.
Von Papp: Das ist die große Kunst. Wir versuchen den Kindern zu zeigen: 'Doch, du kannst was, du kannst lernen und du kriegst was hin. Es ist schön, dass du hier bist.' Die Persönlichkeit des Kindes steht hier wesentlich mehr im Fokus als an anderen Schulen. Es geht hier auch darum, der sein zu dürfen, der man ist. Und Wissensvermittlung passiert hier zusammen mit Persönlichkeitsentwicklung. Und letzten Endes muss man auch sagen: Für keinen Schüler, keine Schülerin ist nach der Mittelschule Schluss. Auch nach dem Quali kann man weitermachen. Wenn hier einer sagt: 'Ich würde gerne Arzt werden, aber das geht ja nicht', dann sag ich zu dem: Quatsch!
Von Papp: Ja, aber auf einem langen Weg erlebt man auch mehr. Manch einer merkt auf dem Weg, dass er genau da zufrieden ist, wo er gerade ist. Das Denken, dass man nur glücklich wird mit einem Studium, ist so verhaftet in en Köpfen – auch in denen unserer Schülerinnen und Schüler. Das ist schade.
Von Papp: Es vergeht hier keine Woche, in der sich keine Firma bei uns meldet und um unsere Abschlussjahrgänge wirbt. Die wollen sich hier vorstellen und ihre Ausbildungsplätze bewerben. Die Jobaussichten sind gut – und die Gehaltsaussichten auch. Wer einen guten Quali hat, kann sich die Arbeitsstellen fast aussuchen. Da hat sich das Blatt komplett gewendet. Als ich vor 20 Jahren Lehrer wurde, standen die Jugendlichen Schlange für einen Ausbildungsplatz – und jetzt stehen die Ausbilder Schlange.
Von Papp: Da steckt so eine Wertung drin: die Praktiker. Heißt: 'Du bist blöd, aber wenigstens kannste was bauen.' So ist es aber nicht. Wir merken: Wer praktisch was gut hinbekommt, ist auch theoretisch begabt. Es geht ums Gesamtpaket.
Von Papp: Auf keinen Fall, nein. Gerade um das eben genannte Gesamtpaket können wir uns hier viel besser kümmern als an Realschule und Gymnasium. Aber diese Dreiteilung ist meiner Meinung nach eh der falsche Weg.
Von Papp: Damit wird schon im Grundschulalter für eine Spaltung gesorgt, die sich durchs Leben ziehen kann. Gesellschaftlich ist das fatal. Ich finde, es wäre besser, die Jugendlichen würden alle bis mindestens zur achten Klasse gemeinsam lernen – und individuell nach ihren Stärken und Schwächen gefördert und unterstützt werden. Da hätten vermutlich alle mehr davon.
"Die Verschiedenheit der Schülerinnen und Schüler ist eine Chance für das Von- und Miteinanderlernen. Kooperative Lernformen, offene Lernarrangements und Lernzieldifferenz kennzeichnen inklusiven Unterricht. In unterschiedlichen Organisations- und Sozialformen lösen die Kinder gemeinsam Aufgaben, üben Erlerntes und wenden es in neuen Zusammenhängen an. Dabei teilen sie eigene Kenntnisse und Vorschläge mit, bedenken Beiträge der anderen und lernen in vielfältiger Weise. Individuelle und gemeinsame Lernprozesse stehen somit in Wechselwirkung miteinander.
Die Lehrkraft nutzt das Potenzial der heterogenen Lerngruppe, indem sie im Unterricht sowohl homogene als auch heterogene Lerngruppen in flexiblen Zusammensetzungen bildet. So können unterschiedliche Begabungen, Stärken und Interessen für das Lernen aller fruchtbar gemacht werden. Gerade das Klassleiterprinzip der Grundschule erleichtert fächerverbindendes Lernen im Unterricht."
Spoiler: nur Grundschule
Man sollte die Eltern schon in der Grundschule zu psychologischen Informations-Gesprächen/Abende einladen, was Druck ausmacht wenn die Noten nicht zum Übertritt ausreichen.
Kinder haben nicht von sich aus das Gefühl "versagt" zu haben.
Die Eltern möchten alle, dass ihre Kinder A kademiker werden und "schmücken" sich damit.
Die Primitivität der deutschen Regierung hier der Landesregierungen muss ein Ende haben.