Dr. Christine Schrappe ist kein Mann und sie ist nicht konservativ - trotzdem hat sie in der katholischen Kirche Karriere gemacht. Im Mai 2020 übernahm die Theologin und Pädagogin die Leitung der neuen Hauptabteilung „Bildung und Kultur“. Im Interview erzählt die 59-Jährige, wie die Kirche moderner wird und warum es Maria 2.0 braucht.
Dr. Christine Schrappe: So ist das ja nicht mehr. Für immer weniger Leitungsfunktionen in den Bistümern ist das Weiheamt Voraussetzung, und immer mehr werden mit Frauen besetzt. Bei uns leiten Frauen Abteilungen in Seelsorge und Immobilien, das Diözesanarchiv, wir haben leitende Juristinnen und im Allgemeinen Geistlichen Rat, der den Bischof berät, sind mit Ordinariatsrätin Kathrin Pfeil und mir jetzt zwei Frauen.
Schrappe: Ich erlebe große Wertschätzung und Teamgeist. In diesen herausfordernden Zeiten, in denen es um die Neuausrichtung des Bistums bei schwindenen Ressourcen geht, wird jeder geschätzt, der sich mit Sachverstand einbringt. Es braucht Führungsverantwortliche, die mitfühlen, wenn Mitarbeitende Angst um ihre Stellen haben und es braucht Standvermögen, wenn es gilt, unangenehme Beschlüsse zu treffen. Diese Fähigkeiten sind unabhängig vom Geschlecht.
Schrappe: Es gibt stille, zurückhaltende Männer und selbstbewusste Frauen mit einem breiten Kreuz in Leitungspositionen. Frauen sind keine eigene Menschenart. Deshalb sehe ich auch weibliche Vernetzung nach dem Motto "Wir Frauen halten zusammen" kritisch. Es schwächt unsere Position und verfestigt Klischees, wenn wir uns primär über unser Geschlecht definieren.
Schrappe: Weil Vielfältigkeit jedem Team gut tut und der Blick aus unterschiedlichen Perspektiven wichtig ist. Männer können nicht über die Lebensperspektiven von Frauen entscheiden. Genauso wenig, wie Spiritualität nur von Menschen mit Priesteramt definiert werden kann. Die Kirche muss sich breiter aufstellen, um ihren Auftrag zeitgemäß und professionell zu erfüllen.
Schrappe: In unserer Hauptabteilung "Bildung und Kultur" geht es um Relevanz von Kirche. Heute kann diese nicht mehr ihre Botschaft an die Frau oder den Mann bringen, sondern muss gemeinsam mit ihnen entdecken, welchen Bezug diese Botschaft für ihr Leben haben könnte. Kirchliche Bildungs- und Kultureinrichtungen, für die ich zuständig bin, spielen da eine wichtige Rolle. Ihre Angebote ermutigen Teilnehmer, sich solche Fragen zu stellen. Wenn wir als Kirche solche Dialoge auf Augenhöhe führen, werden wir noch immer geschätzt.
Schrappe: Die Beharrlichkeit und die Kreativität von Maria 2.0 sind wichtig und die Forderung ist berechtigt. Doch man sollte sich nicht zu sehr an der Weihe abarbeiten. Frauen leiten heute Liturgien, spenden den Sterbesegen als Seelsorgerinnen in Kliniken und beerdigen in den Gemeinden. In den kommenden Jahren werden Laien immer mehr Führungsverantwortung in Gemeinden vor Ort übernehmen.
Noch erreichen die Bistümer ihr Ziel - ein Drittel Frauen in Führungspositionen - nicht. Im Jahr 2019 waren nur 19 Prozent der Positionen der oberen Leitungsebene mit Frauen besetzt. Was tut das Bistum Würzburg, um Frauen zu fördern?
Schrappe: Ich leite eine Arbeitsgruppe, die dafür Instrumente entwickeln soll. Zum Beispiel untersuchen wir, wo Führungspositionen frei werden und welche Frauen wir dafür fördern können.
Schrappe: Ich hoffe es doch. Je mehr Frauen in Führungspositionen sind, desto selbstverständlicher wird es. Irgendwann wird es langweilig sein, darüber Interviews zu führen.
Schrappe: Ich habe keinen Widerstand gegen mich als Frau erlebt. Bei diesem Weg muss man allerdings die Spannung zwischen Visionen und Idealen und der irdisch institutionellen Wirklichkeit aushalten. Und man steht unter Rechtfertigungsdruck. Wenn man auf einer Party erzählt, dass man bei der katholischen Kirche arbeitet, erntet man heute ja nicht unbedingt Beifall.
Über meine Lebensperspektiven als Mann entscheidet in zunehmender Weise eine Frau aus den NBL.