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Würzburg
Weihnachtsmarkt: Dialekt-Alarm wegen "Würzburger Fleckerl"    
Das Rahmbrot aus dem Ofen wird als "fränkische Antwort auf Pizza" beworben. Doch das bayerische "-erl" schlägt Mundart-Experten auf den Magen. Die Stadt soll helfen.   
Fleckerl? Auf dem Würzburger Weihnachtsmarkt kommt nicht alles in astreinem Fränkisch daher. 
Foto: Thomas Obermeier | Fleckerl? Auf dem Würzburger Weihnachtsmarkt kommt nicht alles in astreinem Fränkisch daher. 
Holger Welsch
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:34 Uhr

Schüler sollen Dialekt lernen  - meint Ministerpräsident Markus Söder. Das Warum steht in seinem Regierungsprogramm: "Mundart ist ein Teil unserer Identität." Der Unterfranke würde diese Begründung wohl mit einem eingefügten "fei" unterstreichen. Die von der Regierung angeordnete Dialekt-Schulung steht denn auch gleich mal im neuen "Lehrplan Plus" (unterfränkisch "Leerblan bluss") für Achtklässler an Realschulen und Gymnasien. Um "das Bewusstsein für die bayerischen Mundarten und regionale Kultur zu schärfen", wie es heißt. Und wie es aussieht, können die Schüler dazu brandaktuellen Anschauungsunterricht nehmen - am Würzburger Weihnachtsmarkt.                      

Dort steht wie in den Vorjahren prominent am Eingang der Eichhornstraße ein Stand namens "Würzburger Fleckerl". Das "Rahmfleckerl" aus dem Ofen - zum Beispiel mit Schmand, Speck und Lauchzwiebeln - ist laut Stand-Werbung "Die fränkische Antwort auf Pizza!" Doch da dreht's Kilian Moritz schier den Magen um. Nicht wegen der Lauchzwiebeln oder des Specks. Aber ein Produkt, das mit "Würzburg" und "fränkisch" wirbt und dann "Fleckerl" heißt? "Des gedd ja gar ned" - ist frei übersetzt die Meinung von Moritz,im Hauptberuf Professor für Journalismus und Medien an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurtund ansonsten Musiker und Streiter für den fränkischen Dialekt. Und zu diesem passt die Endung "-erl" genauso wie eine Maß Bier aufs Weindorf.                       

"Die Franken schaffen ihren Dialekt selber ab."  
Kilian Moritz, Mundartpfleger   

Denn das "-erl" als Diminutiv, auf deutsch die Verkleinerungsform eines Hauptwortes, ist oberbayerisch. Er sei mit Freunden aus Oberbayern vergangenes Jahr auf dem Weihnachtsmarkt gewesen und diese hätten sich über die Dialekt-Kreation "Würzburger Fleckerl" spöttisch ausgelassen, beklagt Moritz. Er versteht sich nicht als "Sprachpolizei". Aber es sei doch "hirnrissig", wenn die Franken "ihren Dialekt selber abschaffen", sagt er.

Das Fränkische liegt ihm am Herzen: Kilian Moritz.
Foto: Tonya Schulz | Das Fränkische liegt ihm am Herzen: Kilian Moritz.

Dazu hat Moritz weitere Beispiele aus der Gastronomie parat: Bei der Landesgartenschau stand als "Fränkische Spezialität" kein "Angemachter" oder "Gerupfter" im Angebot, sondern ein "Obatzda". Dieser schlägt Moritz, einem gebürtigen Rhöner, sprachlich auf den Magen wie das "Fleischpflanzerl" auf manch Würzburger Speisekarte, wo man doch am "Mee" (Main) "Fleischküchli" isst. Woher der Hang zum Oberbayerischen kommt? Moritz: "Die Franken haben zu wenig Selbstbewusstsein."                                                 

"Fleggli" statt "Flecker"

Schützenhilfe bekommt der Mundart-Streiter von Dr. Monika Fritz-Scheuplein vom unterfränkischen Dialektinstitut an der Uni Würzburg.  Die Fleckerl-Endung "-erl" sei typisch für die nord- und mittelbairischen Dialekte. "In Würzburg müsste es lauten ,Würzburger Fleckli', oder besser noch ,Fleggli'",  schreibt Fritz-Scheuplein, die sich in der Angelegenheit "Würzburger Fleckerl" zusammen mit Moritz an Oberbürgermeister Christian Schuchardt gewandt hat:  "Nachdem hier ein Würzburger Produkt verkauft wird, wäre es sehr zu begrüßen, wenn die Stadt als Betreiber des Weihnachtsmarktes der ,fränkischen Identität' hier  Rechnung trägt und auf eine in der Region Mainfranken übliche Bezeichnung bzw. Ausdrucksvariante achtet."  Alles Klagen über Verfall oder Aussterben des Dialekts helfe nichts, wenn man nicht dagegensteuere.  

"Man kann Fleckerl auch als kulinarischen Integrationsbeitrag verstehen."   
Christian Weiß, Rathaussprecher

Das will die Stadt - bedingt - tun: Man werde den Marktkaufmann aus dem südbayerischen Raum gerne ansprechen. Allerdings verweist das Rathaus in seinem Antwortschreiben darauf, dass die Be- und Auszeichnungen der angebotenen Artikel im Hinblick auf die Gewerbefreiheit "keiner Beurteilung durch die zulassende Behörde" unterlägen. Rathaussprecher Christian Weiß gegenüber der Redaktion: "Im 130.000 Einwohner großen Würzburg leben Menschen aus 154 Nationen mit möglicherweise ebenso vielen Dialekten." Und deshalb könne man das "Würzburger Fleckerl" auch als "kulinarischen Integrationsbeitrag" verstehen.     

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Der Name entstand mit Würzburger Hilfe 

Diese Erklärung gefällt Stefan Stey. Der Münchner Marktkaufmann ist jetzt zum fünften Mal am Weihnachtsmarkt. Noch nie habe einer am Begriff seiner "Fleckerl" etwas auszusetzen gehabt, verwundert ihn die Dialekt-Diskussion, die ihn aber nicht verärgert. "Ich seh's gschmeidig", sagt er. "Egal ob Fleckerl oder Fleckli, Hauptsache sie schmecken."              

Die Namensfindung kam jedenfalls in unterfränkischer Runde zustande. "Auf den bin ich zusammen mit fünf gestandenen Würzburgern beim Schoppen gekommen", erzählt Stey schmunzelnd. Am Weihnachtsmarkt gibt's (fei) übrigens auch einen Glühwein- und Süßigkeiten-Stand namens "Würzburger Glöckle", das als fränkisch durchgehen dürfte. Und das "Würzburger Kerzenhaus" ein paar Stände weiter dürfte über jede Dialekt-Diskussion erhaben sein.                

 
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  • K.Moritz
    Eine sehr nette Kolumne dazu steht morgen in der Süddeutschen und etzerdla schon auf deren Website: https://www.sueddeutsche.de/bayern/mitten-inwuerzburg-streiten-fuers-fraenkische-1.4240842
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  • festoessel@gmail.com
    Eine nette Debatte hat der Bericht vom Mundart-Zoff um die "Fleckerl" da ausgelöst. Wenn andere Themen aus der Tagespolitik hier auch so viel Anklang fänden, würde ich das auch sehr begrüßen. Denn bei allem Lob für die Zeitung der Zukunft als e-Paper könnten deren Leser sich ruhig noch "ä bissle" mehr aus dem Fenster hängen. Alle Kommentatoren sollten sich außerdem einmal zu einem Dialekt-Stammtisch für Franken und Fränkinnen zusammenfinden. Das würde sicher ein großer Spaß werden, bei Braadwürrschd oder Blauzipfl, dazu enn Schobbe, ä Bier odder a enn Dee! Sehr zum Wohle, meine Herren, denn die Frauen spricht ja dieser Mundart-Zoff wohl nicht so sehr an. Woran das wohl liegen mag, vielleicht an einer ganz besonderen Beziehung zwischen Testosteron und Dialekt? Finden Sie es heraus!
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  • festoessel@gmail.com
    Ma wäss ja bal nimmer, wie mer wass saach soll odder dörff. Unn wiemersch`s schreib soll, wäss a ke sau, baddong, awwer so sechdmerdess bei uns in Frangge halld. Dawärs`scho guhd, wenn der Obeh unn`der Staddrahd sich den Moritzkilian unn die Scheupleinsmoniga als Dialeggdbeaufdrahchde beiordn dähdn. Dann* könnd sowass wie midd`dähre bairische Fleckerl in Franggn nixmer bassier. Ob mer awwer Fleckli odder Fleggli saach unn schreib soll, wässianeddsogenau. Denn* waas solle die vonnde Hassbärche un in där Rhöhn davoo halld? Bei dähre hässd dess Flegglich, jah, fei wergli. Odder die in Nürrnberch, obb die Fleggla saach dädn? Villeichd dädn die liewer Franggnbiddza saach ohder sich ehns lach: "Allmächdd, die hammder vielleichd Sorrchn am Mee. In Franggn fränggisch spräch, hässd doch nix annersch als wie soo spräch, wie där der Schnabl gwachsn iss, allmächdnah." Schreib kannsd dess alles sowiesoo nur endgehche den Duhdn, hasst ghöhrdd?
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    Zurück zum Thema.
    Das ist eine Art Bloods wobei mir der Begriff Dotsch lieber wäre.
    Ein Fleckerl ist es nicht.
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  • 2ostsee
    Des mit dem Frängischem wird ersucht besser wenn der Söder Nörnberch zur "Landeshauptstadt" erklärt 😅😅😅
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  • ammi187@gmail.com
    In China ist ein Sack Reis umgefallen.... Genauso uninteressant wie Dialekt. Warum will man immer noch auf Altmodische Heimatverbundene Dialekte beharren?
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  • K.Moritz
    Ich stimme Ihnen zu: Natürlich gibt es dringlichere Probleme auf der Welt, keine Frage! Und jeder kann Dialekt oder Hochdeutsch reden, ganz wie er mag. Es ist normal, dass sich Sprache wandelt. Das war schon immer so. Aber: Ulkig ist nur, dass in Franken, wenn Dialektbegriffe verwendet werden, das neuerdings sehr häufig bairische Begriffe sind. (Wir könnten ja auch mal hessische, badische, thüringische Dialektbegriffe mit einfließen lassen. Wäre ja auch 'ne Möglichkeit...) Dialekt ist Ihnen offensichtlich egal (das steht Ihnen zu). Für viele Menschen ist er identitätsstiftend. Und ich stelle halt fest, dass wir Franken nach und nach unseren eigenen Dialekt abschaffen und durch viele bairische Begriffe ersetzen ("SteckERLfisch" auf dem fränkischen Weinfest etc.). Warum tun die Franken das? Mer wesses net....
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  • groetsch
    Der bayerische Sprachimperialimus im Rundfunk und in anderen Medien ist unsäglich. Ich betrete kein Lokal in Würzburg, das mit "Schmankerl" wirbt - sollen doch die "mia san mia" ungestört unter sich bleiben dürfen. Nicht wir Franken müssen uns hier integrieren, sondern die Zugereisten.
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  • chrihand
    Den Hungerleidenden in der Stadt ist das sowas von egal ob die Dinger Fleckerl oder Fleggli heißen. Sie hätten gerne welche. Aber statt sich den echten Problemen zuzuwenden zeigt man lieber 1st World Probleme...
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  • K.Moritz
    Ich gebe Ihnen Recht: Für Hungerleidende geht es vorrangig darum, irgendwie satt zu werden. Daher ist es wichtig, sich wirkungsvoll und tatkräftig für sozial schwache Menschen einzusetzen. Dennoch muss es erlaubt sein, auch über Dinge unterhalb dieser Wichtigkeitsstufe zu reden. Sonst könnte man viele, viele andere Themen auch aus den Medien streichen: sonstige Kulturberichterstattung, Sportberichterstattung etc. Und dass die Franken Stück für Stück ihren eigenen Dialekt selber abschaffen, das ist meines Erachtens schon mal eine Meldung mit anschließender Diskussion wert (auch wenn ich das nicht als "Dialekt-Alarm" oder "Dialekt-Zoff" bezeichnen würde: diese Begriffe sind mir zu scharf formuliert).
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  • un wenns nacherd noch än schloach oben druf geben soll: wenn die bayowaren ned ihr berch häddn, dann würd ke mensch nach dem tiefen bayernländle grähn. find es aber schon gut, dass der Dialekt wieder mehr gefördert werden soll, fragt doch mal bei den unter 12 jähren nach. was is ne"Grumbirä!" Ja - Was is eichendlich ne grumbirä - kennt die jeder von euch! Nen schönen 1. Advent euer orchinalfrange aus der vorletzte Ortschaft bevors neis badische badenzerländle geht!
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  • peterlesbub
    Grumbirä kenne die ned, nur Bommes...
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  • giacomo
    Dem Rathaussprecher Christian Weiß muss ich sagen: Ja, die Würzburcher sind weltoffen und wir sind auch gerne bereit die Oberbayern zu integrieren. Aber was zu weit geht, geht zu weit! grinsen) Obadza, Sternla, Fleckerl und Fleischpfanzerl geht gar ned. ….und was die fünf "gstandene Würzburcher" angeht: Die warn anscheinend ned richtich drinkfest. An Herrn Moritz: Es heißd a ned "Fleischküchli" sondern "Flääschküchli". Nix für ungud.
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  • kej0018@aol.com
    @giacomo

    Fleischküchle (sing) resp. Fleischküchli (pl) in der Stadt, Flääschküchli auf dem Land. Wahrscheinlich haben die Würzburger gar nicht gestanden sondern gesessen und auswärtiges Fremdbier getrunken...
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  • Ironic
    an den Würzburger OB braucht man sich diesbezüglich nicht unbedingt wenden - der ist ja selbst nicht des Fränkischen mächtig -
    und dazu noch bei einer Partei, die man hier nicht mal wählen kann - aber das ist noch mal was anderes....
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  • rid.cully
    Was erwarten wir anderes in der Stadt, in der die heimische Brauerei eine "Sternla "-Bier anbietet? Aber immerhin mit einem (heute eigentlich noch politisch korrekten?) langbeinigen Pin-up als kleine Hommage an unsere langjährigen amerikanischen Mitbürger. zwinkern zwinkern zwinkern
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  • kej0018@aol.com
    Immerhin ist das Sternla ja fränkisch, wenn auch oberfränkisch und von den Bambergern schnöde geklaut...
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  • giacomo
    Des "Sternla" reecht mi scho lang auf!!! Abber was willst scho erward, wenn e Brauerei von der EKU in Kulmbach "regierd" wird. Die "Hofbrüh" setzt sich net genüchend zur wehr. So kommds a, dass sich e badische Brauerei immer mehr breid machd, obwohl ma deren Zeuch net sauf kann.
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  • bjoern.kohlhepp@mainpost.de
    Sternla passt doch zu Kulmbach, wo‘s gebraut wird.

    mainpost.de/regional/wuerzburg/Neues-Wuerzburger-Bier-heisst-Sternla;art735,7420668
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    So, ihr Franken, jetzt kommt es knüppeldick.
    Dieses mit Rahm gefettete Flachgebäck müsste bei euch Bloods heißen, wenn es groß wäre. Da es aber für einen Bloods eher klein ist und deshalb in Pluralität verspeist werden sollte schlage ich Blöödsla, Blöödsli oder Blöödslich vor.
    Fleckerl geht wirklich nicht.
    Fleckerl sind in Bayern und Österreich beheimatete Nudeln, flach und viereckig.
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