"Mary's boy Child Jesus Christ, was born on Christmas Day. And man will live for evermore, because of Christmas Day." 1981 sag die Gruppe Boney M. diesen Song, heute proben ihn 40 Sängerinnen und Sänger des Schweinfurter Thalia Chors. Das Ensemble, gegründet 1860 schon, hat eine lange Tradition - aber Rock, Pop, Swing und Musical gehören längst zum Repertoire. An Weihnachten also auch was Modernes. "Beim Auftritt singen wir alles auswendig", sagt Chorleiterin Monika Oser. Nach drei- bis viermal Üben sitzen die neuen Lieder meist.
Die Palette der Weihnachtslieder ist riesig: Es gibt kirchliche und klassische, poppige und swingende, Lieder aus aller Welt, und immer zur Weihnachtszeit kommen viele neue Songs auf den Markt. Karin Herm und Alexandra Kiesel, die Vorsitzenden des Thalia Chors, haben unterschiedliche Favoriten: Karin Herm mag "Thank God it's Christmas " von Queen. Alexandra Kiesel liebt es ganz klassisch mit "O du fröhliche" mit Oberstimme. Singen, da stimmen beide überein, tue der Seele gut: "Man kann so seine Emotionen ausdrücken und ganz aus sich herausgehen."
Singen kann jeder, im Chor oder alleine unter der Dusche. Singen tut gut, es macht glücklich und kostet nichts. "Es ist sogar wissenschaftlich erweisen, dass Singen positive Wirkungen auf die Psyche hat", sagt Heidi Christ, Leiterin der Forschungsstelle für fränkische Volksmusik in Uffenheim. Als es noch keine Radios und Fernsehgeräte gab, sei in den Familien indes viel mehr gesungen worden als heute. Früher waren die Menschen noch regelmäßig in die Kirche - da gehörte das gemeinsame Singen immer dazu. "Das traditionelle Liedgut wurde so von der einen zur anderen Generation weitergegeben", sagt die Musikhistorikerin.
In den Schulen wird kaum noch gesungen
"Alle Jahre wieder", "Leise rieselt der Schnee", "Ihr Kinderlein kommet", "Stille Nacht" und "O du fröhliche": Gefühlt kennt jeder mehr Weihnachts-, als Frühlings-, Sommer- oder Herbstlieder. "Weihnachten ist heimelig. Und für das gemeinsame Singen gibt es sogar eine Belohnung, nämlich Geschenke", sagt Christ. Und die Lieder sind in der Advents- und Weihnachtszeit ja allgegenwärtig, im Radio und in den Kaufhäusern werden die Hits rauf und runter gespielt. "Unbewusst bleibt dabei bestimmt etwas hängen", sagt Christ.
Welchen Stellenwert hat das gemeinsame Singen heute noch? "Die Bereitschaft, zu Hause zu singen, und damit auch das Lernen und Üben von Volksliedern ist deutlich gesunken“, sagt Professor Friedhelm Brusniak, Lehrstuhlinhaber für Musikpädagogik an der Uni Würzburg. Dass die Menschen nicht mehr gerne singen, das könne man aber nicht pauschal sagen, so Brusniak. Das zeigt sich am Beispiel des Wirtshaussingens, das seit einigen Jahren populär ist, oder am öffentlichen Adventsliedersingen wie in Würzburg, Schweinfurt, Lohr, Eibelstadt oder Ochsenfurt.
Und dann ist da "Stille Nacht, heilige Nacht“, das bekannteste Weihnachtslied der Welt. Es bildet einen Fixpunkt an Heiligabend und ist aus Feiern im Familien- und Freundeskreis oder in der Christmette nicht wegzudenken. „Für viele ist es der Inbegriff des Weihnachtsliedes überhaupt“, sagt Brusniak. So entstehen Gänsehautmomente, wenn man mit der Familie unter dem Tannenbaum oder in der Kirche mit der großen Gemeinschaft gemeinsam das 200 Jahre alte Lied anstimmt: "Alle singen von Frieden und Freud", sagt Brusniak. Solch ein Gemeinschaftserlebnis präge sich ein.
Gänsehautmomente gibt es auch, wenn der Würzburger Gospelchor "Voices" singt. "Noel c'est l'amour" des Würzburger Komponisten Norbert Glanzberg stimmen 77 Sängerinnen und Sänger im Alter zwischen 17 und 86 Jahren in der Gethsemanekirche an. "Manche Zuhörer fangen an zu weinen, weil sie von der Musik so ergriffen sind", sagt Rolf Schlegelmilch, Vorsitzender des Amateurchors. Für Schlegelmilch bedeutet im Chor zu singen auch soziale Gemeinschaft: "Dort ist man gut aufgehoben und nicht nur als Sänger, sondern auch als Mensch angenommen."
Das Weihnachtslieder-Repertoire des Chors ist groß und reicht von "Silver Bells", "Glorious Kingdom" über "Rudolph, The Red Nosed Reindeer" bis hin zu "First Noel". "Wir haben tolle und auch normale Stimmen", sagt Chorleiter Fred Elsner, der selbst ausgebildeter Opernsänger ist. "Mein Anspruch ist die Wandelbarkeit." Meint man es ernst mit dem Singen, gehe an einem guten und professionellen Coach nichts vorbei, egal ob Einzel- oder Gruppenunterricht im Chor.
Jeder kann singen
Singen, so der Musikwissenschaftler Brusniak, gehöre zum Menschsein dazu. Der Chorforscher, der selbst als Dirigent viele Chöre geleitet hat, ist der Überzeugung, dass jeder singen kann: "Nur einige wenige haben eine Stimmschädigung und können tatsächlich nicht singen", sagt Brusniak, der Präsident des Fränkischen Sängerbundes ist und für eine Kultivierung der Hörfähigkeit wirbt, die beim gemeinsamen Singen gefördert werde.
„O du fröhliche“ zum Beispiel, sagt Brusniak, könnten die meisten mitsingen, auch ohne Textvorlage. „Dieses Lied wird meist stehend zum Ende des Weihnachtsgottesdiensts auswendig mitgesungen – und die meisten können sogar alle drei Strophen“, sagt Brusniak. Zu seinen eigenen Lieblingsweihnachtsliedern zählen „Es kommt ein Schiff geladen“ und „Es ist ein Ros entsprungen“. „Das sind Zeugnisse der Weihnachtskultur, die berührt, prägt und trägt.“