Jeder Deutsche gibt dieses Jahr laut dem Nürnberger Marktforschungsinstitut GfK 299 Euro für Weihnachtsgeschenke aus. Dazu kommen noch die gebackenen, gestrickten und gebastelten Präsente, die Heiligabend unter dem Baum liegen. Warum schenken wir so gerne? Laut Professor Roland Deutsch, Inhaber des Lehrstuhls für Psychologie II an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, ist Schenken ein tiefverankertes menschliches Bedürfnis. Im Gespräch mit der Redaktion erklärt der Sozialpsychologe, was ein gelungenes Geschenk ausmacht und warum man beim Auspacken wohlwollend denken soll.
Professor Roland Deutsch: Das stimmt. Es gibt mehrere tiefverankerte menschliche Bedürfnisse, die mit dem Schenken angesprochen werden. Eines davon ist das nach Status. Mit einem teuren Geschenk kann man seine Überlegenheit ausdrücken. Moralische Bedürfnisse werden befriedigt, wenn man mit einem Geschenk etwas gut machen oder sich für etwas bedanken will. Am auffälligsten ist wahrscheinlich, dass Menschen sich durch Geschenke mit anderen austauschen und verbinden wollen. Wir sind eine Spezies, die ein großes Bedürfnis nach sozialen Bindungen hat. Sich gegenseitig zu beschenken ist ein wirksames Mittel, diese aufzubauen und zu pflegen. Außerdem sind wir zu viel Mitgefühl fähig und geben anderen gerne, was sie brauchen.
Deutsch: Wenn es gut läuft, dann ja. Aber ein guter Ausgang ist nicht selbstverständlich. Beispielsweise kann es in Situationen, in denen Schenken eine Verpflichtung ist, sehr belastend sein, wenn man kein gutes Geschenk findet. Wenn man aber ein gelungenes findet, ist es für beide Seiten sehr befriedigend.
Deutsch: Diese Frage haben Psychologinnen und Konsumentenforscher untersucht und herausgefunden, dass dazu mehrere Aspekte wichtig sind, deren Wirkungen sich addieren. Einer davon ist die enthaltene Wertschätzung. Das Geschenk zeigt, dass der oder die Schenkende Geld, Zeit oder Gedanken investiert hat und damit, dass ihm der oder die Beschenkte das wert ist.
Deutsch: Tatsächlich zeigen Studien, dass Geldgeschenke besser ankommen als viele denken. Zwar drücken sie aus, dass nicht viel Zeit in die Suche nach einem Geschenk investiert wurde, aber gleichzeitig ist der finanzielle Wert deutlich. Dass sich zum Beispiel Großeltern nicht in aktuellen Trends oder Vorlieben auskennen und deshalb ihren Enkeln Geld schenken, damit die sich damit ihre Wünsche erfüllen können, freut gerade die Kinder und Jugendlichen.
Deutsch: Neben Wertschätzung ist es förderlich, wenn eine altruistische Absicht erkennbar ist. Ein Küchengerät für den gemeinsamen Haushalt ist deshalb meistens weniger gelungen, denn es enthält ja auch einen Nutzen für den Schenkenden. Ein anderer Aspekt ist, dass die Bedürfnisse des Beschenkten bedacht werden – also kein Tee für den Kaffeetrinker. Und auch eine Überraschung zu bereiten, ist ein wichtiger Aspekt.
Deutsch: Solche Geschenke lassen erkennen, dass sich der Schenkende nicht traut, ein Risiko einzugehen und lieber auf ein sicheres und praktisches als auf ein überraschendes aber unsicheres Geschenk setzt. Dabei zeigt die Forschung, dass man sich gar nicht so davor fürchten muss, mit einem Geschenk falsch zu liegen. Sofern erkennbar ist, dass der Schenkende sich Mühe gegeben hat, altruistisch, wertschätzend und an den Bedürfnissen orientiert zu schenken, kann das ungewöhnliche Geschenk das bessere sein, selbst wenn es ein wenig daneben liegt.
Deutsch: Da man in dieser Situation die Wahl hat, sollte man positiv denken und dem Schenkenden im ersten Schritt einen Vertrauensvorschuss geben. Wenn einem der Mensch wichtig ist, hat er sich ja vielleicht Mühe gegeben und liegt halt trotzdem daneben. Irren ist ja auch menschlich.
Deutsch: Man muss ja nichts schön reden. Aber wer sofort eine negative Reaktion zeigt, löst damit eine ähnlich negative bei seinem Gegenüber aus. Der hält den Beschenkten dann zum Beispiel für undankbar. Wer stattdessen wohlwollender denkt, stellt in den Vordergrund, dass mit dem Geschenk Wertschätzung ausgedrückt und vielleicht sogar eine schöne Überraschung bereitet werden sollte. Denn eigentlich zählt beim Schenken doch die gute Absicht. Materille Wünsche können sich die meisten von uns doch am besten einfach selber erfüllen.
Deutsch: Er kann erklären, was er sich bei dem Geschenk gedacht hat. Dann kommt das Geschenk meistens schon besser an. Und er kann im nächsten Jahr frühzeitig die Augen und Ohren offen halten und darauf achten, welche Interessen und Vorlieben jemand hat. Dann fällt es leichter ein Geschenk zu finden, das Freude macht.
Deutsch: Ich versuche diese Prinzipien natürlich zu beherzigen. Und ich habe auch den Eindruck, dass es tatsächlich hilft. Aber spannend bleibt es dennoch immer wieder.