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Würzburg
Weihnachten auf dem Binnenschiff: Wie ein Familienvater Heiligabend fernab von Würzburg verbringt
Jens Brustmann verbringt Weihnachten regelmäßig auf dem Binnenschiff – trotz eigener Familie. Wie das klappt und wie seine Frau anfangs auf seinen Job reagierte.
Seit 15 Jahren ist Jens Brustmann Schiffsführer und wird von der Mainschifffahrts-Genossenschaft (MSG) in Würzburg betreut. Bereits acht Mal hat er Weihnachten an Bord eines Binnenschiffs verbracht.
Foto: Heiko Becker | Seit 15 Jahren ist Jens Brustmann Schiffsführer und wird von der Mainschifffahrts-Genossenschaft (MSG) in Würzburg betreut. Bereits acht Mal hat er Weihnachten an Bord eines Binnenschiffs verbracht.
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Julia Rüther
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:11 Uhr

Im Steuerhaus des Binnenschiffs "Hünenkönig" ist es angenehm warm. Die Luft ist erfüllt vom leisen Brummen des Schiffsmotors und dem Geräusch der Regentropfen, die auf das Dach prasseln. Hinter dem Steuer sitzt der Kapitän Jens Brustmann und manövriert routiniert das 110 Meter lange Schiff durch die Mainschleuse in Würzburg. Zusammen mit seinen beiden Besatzungsmitgliedern und 2000 Tonnen Futterweizen ist er auf dem Weg Richtung Holland.

Seit knapp 15 Jahren ist Brustmann Schiffsführer und schon viel herumgekommen. "Seitdem habe ich acht Mal Weihnachten an Bord verbracht", erzählt er und lenkt das Schiff in die Mitte des Mains. Brustmann hat eine Frau und drei Kinder, die ihn gelegentlich auf seinen Fahrten begleiten. Anfangs habe sich seine Frau Nadja erst an diesen Lebensstil gewöhnen müssen. Mittlerweile habe sich das Familienleben jedoch eingespielt. Wenn die Kinder Ferien haben, seien sie meistens mit ihm an Bord.

"Deshalb wird bei uns auch Weihnachten nicht immer gleich gefeiert", erzählt Brustmann und lacht. Für ihn spiele es jedoch keine große Rolle, wo er Weihnachten verbringt. Da seine Eltern ebenfalls beide Schiffsführer sind, sei er schon als Kind an Heiligabend mal auf dem Schiff, mal zu Hause gewesen. Und bisher hätten er und seine Familie es immer geschafft, zusammen zu sein. "Manchmal war es aber herausfordernd", sagt Nadja, die Brustmann über Videoanruf hinzugeschaltet hat.

Vorletztes Jahr zum Beispiel habe sie noch arbeiten müssen als ihr Mann mit den Kindern, die Weihnachtsferien hatten, an Bord ging. Deshalb setzte sie sich anschließend in den Zug und fuhr nach Antwerpen, wo ihr Mann mit dem Schiff lag. Gemeinsam mit den Kindern habe er sie dort vom Bahnhof abgeholt; anschließend fuhren sie weiter. "Man gewöhnt sich an alles", sagt sie. "Aber die Hauptsache ist, dass wir zusammen sind."

Brustmann ist schon fast sein halbes Leben lang auf Binnenschiffen unterwegs

So sei es auch in Brustmanns Kindheit gewesen. Seine Eltern haben ihn oft auf ihren Fahrten mitgenommen. Der gebürtige Dettelbacher (Lkr. Kitzingen) ist also schon fast sein halbes Leben lang auf Binnenschiffen unterwegs. Unterm Jahr lebte er im Kinderschifferheim in Würzburg und ging von dort aus zur Schule. "Es war eher eine betreute Unterkunft, denn wenn die Eltern in der Nähe waren, habe ich auch mal ein paar Nächte auf dem Schiff verbracht", erklärt er. Und wenn sie nicht im Dienst waren, lebte er bei ihnen zu Hause.

Mittlerweile ist der 41-Jährige bei seinem Vater angestellt und fährt in Schichten. Im dreiwöchigen Rhythmus wechseln sich Vater und Sohn ab und transportieren verschiedene Rohstoffe wie zum Beispiel Steinkohle oder Salz in andere Länder. "Wir fahren im Endeffekt überall dort, wo Wasser ist und die Ladung hin muss", erklärt Brustmann, der auch schon bis nach Ungarn oder Kroatien gefahren ist. "Wir bringen Wärme, Strom und Nahrung." Betreut werden sie von der Mainschifffahrts-Genossenschaft (MSG) mit Hauptsitz in Würzburg. 

In der geräumigen Wohnung unter Deck wird an Heiligabend der Weihnachtsbaum geschmückt

"Über Weihnachten machen wir auch auf dem Schiff ein bisschen langsamer", erzählt Brustmann. Bis zum 24. Dezember gehe er seinem regulären Arbeitsalltag nach, der morgens um fünf Uhr beginnt und abends um 21 Uhr endet. An Weihnachten jedoch werde der Feierabend bereits gegen Mittag eingeläutet und das Schiff an einer geeigneten Stelle angelegt. 

Anschließend bereite die Familie in der geräumigen Wohnung unter Deck das Abendessen vor und schmücke gemeinsam den Weihnachtsbaum. "Und wenn in der Nähe unserer Anlegestelle eine Kirche ist, gehen wir in den Gottesdienst. Danach essen wir, singen Lieder und machen Bescherung."

Verbringt Familie Brustmann Weihnachten an Bord, wird in der geräumigen Wohnung unter Deck auch ein Weihnachtsbaum aufgestellt.
Foto: Heiko Becker | Verbringt Familie Brustmann Weihnachten an Bord, wird in der geräumigen Wohnung unter Deck auch ein Weihnachtsbaum aufgestellt.

Nadja ist inzwischen sogar der Meinung, Weihnachten auf einem Binnenschiff zu verbringen sei stressfreier und die Familie unter sich. "Vom Wasser aus kann man schön die vorbeiziehenden weihnachtlich geschmückten Häuser und Orte betrachten", erzählt sie. Und je nachdem, wo die Reise hingeht, sehe man jedes Mal etwas anderes. Beispielsweise hätten sie Heiligabend schon in Rotterdam und Linz verbracht. Der Tagesablauf unterscheide sich dann jedoch kaum von dem zu Hause in Mainstockheim.

Am ersten oder zweiten Weihnachtsfeiertag nehme Brustmann die Arbeit wieder auf. Dann aber etwas gemütlicher als sonst: statt um fünf Uhr früh, beginne er seine Schicht erst um neun oder zehn Uhr morgens. "Das sind einfach die Tage, an denen man sich Zeit für seine Familie nimmt", erklärt er.

An Heiligabend leisteten Brustmann auch seine Besatzungsmitglieder Gesellschaft

Wenn seine Eltern oder Bekannten ebenfalls mit dem Schiff unterwegs und in der Nähe waren, hätten sie Weihnachten auch schon zusammen verbracht. "Dann lagen zwei bis drei Schiffe nebeneinander und wir haben alle zusammen gefeiert", erzählt Brustmann. Das hänge aber immer davon ab, wo die anderen gerade unterwegs sind.

Bevor er seine Frau kennenlernte, habe Brustmann Weihnachten mit seiner Familie oder seinen Besatzungsmitgliedern verbracht. "Dann sind wir aber nicht unbedingt in die Kirche gegangen, sondern haben uns an den Weihnachtsbaum gesetzt und ein Bierle oder Schnäppsle getrunken", sagt er und lacht. Nachdem sie das ganze Jahr über bei Wind und Wetter arbeiteten, hätten sie so den Jahresabschluss eingeläutet. 

Dieses Jahr feiert Familie Brustmann Weihnachten zuhause

Während Brustmann erzählt, holt er einen kleinen geschmückten Weihnachtsbaum aus Plastik hervor und steckt ihn in die Steckdose. Sofort erleuchten die kleinen Lämpchen der Lichterkette in den unterschiedlichsten Farben. "Meiner Frau gefallen weiße Lichterketten. Ich mag aber die bunten lieber", sagt er und betrachtet das Bäumchen, das in den kommenden Wochen für Weihnachtsstimmung auf dem Schiff sorgen soll.

Ein kleiner Weihnachtsbaum aus Plastik sorgt auf dem Binnenschiff 'Hünenkönig' für Weihnachtsstimmung.
Foto: Heiko Becker | Ein kleiner Weihnachtsbaum aus Plastik sorgt auf dem Binnenschiff "Hünenkönig" für Weihnachtsstimmung.

Lange wird er sich an der Dekoration jedoch nicht erfreuen können, denn am 6. Dezember geht Brustmann von Bord und sein Vater übernimmt dieses Weihnachten die Weiterfahrt. So könne Brustmann Heiligabend zusammen mit seiner Familie in den eigenen vier Wänden feiern. "Wir werden uns zu Hause mit den Schwiegereltern einen ruhigen Abend machen und was Schönes essen", erzählt er. Anschließend besuchen sie die Kirche, weil eines ihrer Kinder beim diesjährigen Krippenspiel mitmacht. 

Am 27. Dezember geht es für Brustmann zurück an Bord. Wohin weiß er noch nicht. Und auch nicht ob ihn seine Familie begleiten wird. Aber das mache ihm nichts aus. "Ich mache meine Arbeit so gerne, dass ich es verschmerzen kann, wenn ich nicht immer zu Hause bin", sagt er und lenkt den "Hünenkönig" in die Schleuse bei Erlabrunn.

 
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