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WÜRZBURG
Weibliche Doppelspitze für Würzburger Medizin-Lehrstuhl
Goppelspitze für die Allgemeinmedizin am Uniklinikum       -  Wurden gemeinsam auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Universität Würzburg berufen: Prof. Ildikó Gágyor (links) und  Prof. Anne Simmenroth.
Foto: Daniel Peter | Wurden gemeinsam auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Universität Würzburg berufen: Prof. Ildikó Gágyor (links) und Prof. Anne Simmenroth.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:20 Uhr

Wenn es um Lehrstühle an medizinischen Fakultäten geht, herrschen in Deutschland – noch – tradierte Rollenbilder vor. Der Professor... da tritt in Gedanken ein grauhaariger Herr im weißen Kittel ans Pult, der über den Dingen steht. Richtig gedacht? Eher vorschnell, denn die Medizin wird immer weiblicher – was für Führungspositionen ganz neue Optionen eröffnet, wie eine aktuelle Besetzung an der Universität Würzburg zeigt. Sie ist in der deutschen Hochschullandschaft bis dato selten: Den im Januar neu eingerichteten Lehrstuhl für Allgemeinmedizin teilen sich zwei Professorinnen, Dr. Ildikó Gágyor (49) und Dr. Anne Simmenroth (50).

Vierter Lehrstuhl für Allgemeinmedizin in Bayern

Allein die Nachricht, dass nach den beiden Münchner Unis und Erlangen nun in Würzburg der vierte Lehrstuhl für Allgemeinmedizin in Bayern eingerichtet wird, sorgte kurz vor Weihnachten für Schlagzeilen. Bisher hatte die Uni nur einen Lehrbereich, der vom Würzburger Allgemeinmediziner Dr. Hans-Jörg Hellmuth parallel zu seiner Hausarztpraxis geleitet wurde.

Im Unterschied zum Lehrstuhl bestand aber keine Infrastruktur und damit keine Möglichkeit für Forschung, es fehlten feste Mitarbeiter und ein Mitspracherecht in den universitären Gremien. Eine Promotion oder gar Habilitation in der Allgemeinmedizin war bislang in Würzburg nicht möglich.

Professorinnen arbeiten schon lange zusammen

„Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie groß die akademische Aufwertung der Allgemeinmedizin am Standort Würzburg durch die Gründung eines ordentlichen Lehrstuhls ist“, sagt Prof. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät.

Die beiden auf den Lehrstuhl berufenen Professorinnen sind ein eingespieltes Team, haben schon jahrelang an der Universität Göttingen zusammengearbeitet. Gágyor hat sich wissenschaftlich auf Konzeption und Durchführung von klinischen Studien in Hausarztpraxen spezialisiert und wird sich nun hauptsächlich um die Forschung kümmern. Simmenroth hat in Göttingen die Uni-Lehrklinik mitaufgebaut und will herangehende Mediziner in der Kommunikation stärken – ihr Schwerpunkt liegt in der Lehre. „Aber so genau lässt sich das gar nicht abgrenzen, es gibt Überschneidungen“, erklären die Medizinerinnen im Gespräch.

Trotz Lehrstuhl-Aufgaben bei Hausärzten mitarbeiten

Sie wollen sich beraten, ergänzen, vertreten – und damit mehr Kompetenz in den Lehrstuhl bringen, als dies mit einer Einzelbesetzung möglich wäre. Drei bis fünf Tage pro Woche werden sie abwechselnd und überschneidend am Institut verbringen.

Die Tandemlösung hat für die beiden Professorinnen einen weiteren Vorteil: Sie wollen, wie schon in Göttingen, auch in Würzburg in Hausarztpraxen mitarbeiten: „Wir möchten die Verbindung in den hausärztlichen Alltag aufrechterhalten“, sagt Gágyor, „nur so können wir uns die Bodenhaftung bewahren.“ Schließlich habe die Allgemeinmedizin als eines der wenigen Fächer keine Betten in einem Klinikum.

Ähnliches gilt für die Lehre. Nur vor Ort sehe man zum Beispiel die Herausforderungen niedergelassener Praxen, die Studierende im Praktischen Jahr (PJ) ausbilden, so Simmenroth.

Kinder im Studium, späte Karriere

Geerdet sind die Frauen auch privat, mit ähnlichen Biografien: Beide haben ihre Kinder mit Mitte 20 während des Studiums in Göttingen bekommen, mit allen Herausforderungen in einer Zeit, als es noch kaum Krippen gab.

Simmenroth hat damals in Niedersachsen die Einführung des Halbtages-PJ durchgesetzt. „Heute ist das normal.“ Mittlerweile sind Gágyors und Simmenroths Kinder erwachsen – ihre eigene Karriere haben sie etwas nach hinten geschoben.

Aufbauarbeit: Im Duo stärker als allein

Sie teilen sich den neuen Lehrstuhl nicht aus familiären Gründen („auch das wäre ein legitimer Grund“), sondern aus fachlicher Überzeugung. „Wir bauen hier etwas auf, das ist Pionierarbeit. Gerade da ist es gut, sich im Team zu ergänzen“, meint Anne Simmenroth. Allein der Personalaufbau mit Wissenschaftlern, Ärzten, Pflegern und Sekretariat wird sie fordern.

Nicht selten delegieren Lehrstuhlinhaber oder Institutsleiter eine gehörige Portion an Aufgaben an Mitarbeiter, weil das Quantum für einen Einzelnen gar nicht zu schaffen ist. So gesehen könnte die Doppelspitze als „ehrliche“ Lösung tatsächlich Vorbildcharakter haben, auch für Männer.

Universität Würzburg Vorreiter bei Doppelbesetzung

Oder funktioniert das Tandemmodell nur, wenn sich beide Lehrstuhlpartner gut kennen und verstehen? Gágyor: „Das ist hilfreich. Aber mit klar definierten Bereichen dürfte es auch in anderer Besetzung funktionieren.“

Die beiden Medizinerinnen hatten sich im Doppelpack auf den neuen Lehrstuhl beworben und sind dankbar, dass man sich in Würzburg darauf eingelassen hat. „Andere Universitäten sind da noch nicht so weit.“

 
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