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Würzburg
Wegen Noten: Druck von Eltern auf Lehrkräfte wächst
"Lehrer werden immer öfter ins Visier genommen, wenn Eltern Noten für ungerechfertigt halten", sagt ein Würzburger Schulamtsleiter. Einzelmeinung oder Bayern-Trend?
Im Mai entscheidet sich in Bayern, welche Viertklässler aufs Gymnasium dürfen, welche Kinder in die Realschule gehen werden und welche Kinder die Mittelschule besuchen. Entscheidend ist der Notenschnitt. Damit der Notenschnitt passt, legen sich immer mehr Eltern mit den Lehrern an.
Foto: Patrick Pleul, dpa | Im Mai entscheidet sich in Bayern, welche Viertklässler aufs Gymnasium dürfen, welche Kinder in die Realschule gehen werden und welche Kinder die Mittelschule besuchen. Entscheidend ist der Notenschnitt.
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:35 Uhr
Immer häufiger nehmen Eltern die Lehrer ihrer Kinder ins Visier, wenn sie die Noten für ungerechtfertigt halten. 
Foto: Britta Pedersen, dpa | Immer häufiger nehmen Eltern die Lehrer ihrer Kinder ins Visier, wenn sie die Noten für ungerechtfertigt halten. 

Eltern werden gegenüber Lehrkräften immer fordernder. Immer öfter meinen Eltern, eine Art Recht darauf zu haben, dass ihr Kind eine gewisse Note, die Versetzung in die nächste Klasse oder den Übertritt ins Gymnasium schafft. Sie versuchen dann, die Note, die Versetzung oder den Übertritt zu erkämpfen. So schildert es der Leiter des Würzburger Schulamts, Erwin Pfeuffer. 

"Ab dem dritten Schuljahr werden Lehrer ins Visier genommen, wenn die Eltern Noten für ungerechtfertigt halten", klagt  Pfeuffer, der seit zwölf Jahren das Schulamt leitet.  Es passiere immer häufiger, dass Eltern wegen der Bewertung einer Probe mit dem Lehrer argumentierten. Immer öfter seien neben der Schulleitung auch das Schulamt in den Konflikt involviert und müsse Stellung nehmen. Gerade wenn es in der vierten Klasse um den Übertritt auf weiterführende Schulengehe, werde mit harten Bandagen gekämpft. 

Schulamt: Immer öfter Kampf um Übertrittszeugnisse

Für den Übertritt ins Gymnasium ist in Bayern ein Notenschnitt von 2,33  nötig. Für die Realschule brauchen Viertklässler einen Schnitt von 2,66. Anfang Mai werden die Übertrittszeugnisse ausgegeben; die Frage, ob der erforderliche Schnitt für die erwünschte Schulart erreicht wird, stresst Pfeuffers Erfahrung nicht nur die Eltern. Gerade habe er einer Lehrprobe beigewohnt, erzählt Pfeuffer; Kinder hätten in dieser Stunde  das schriftliche Argumentieren lernen sollen. Erste Frage eines Viertklässlers: "Wird das benotet?" Für sein Dafürhalten, sagt Pfeuffer, gäben Eltern den Druck, den sie wegen des Übertritts selbst empfinden, zu stark an die Kinder weiter.

Aber haben denn Eltern nicht ein legitimes Interesse an den Noten ihrer Kinder? Haben sie nicht manchmal auch Recht, wenn sie Bewertungen anzweifeln? "Gewiss", sagt Pfeuffer und berichtet von einer Mutter, die ihm geschrieben hat, dass ihre Tochter das Abi geschafft hat - neun Jahre, nachdem eine Lehrkraft dem Kind die Gymnasialreife abgesprochen hatte. Grundsätzlich aber sei es ein Problem, dass Eltern nur im häuslichen Umfeld sehen könnten, was ihr Kind leiste und naturgemäß den Vergleich mit den Klassenkameraden nicht hätten. 

Elternvertreter: Erwartungshaltung von Eltern hat sich in Zeiten von Mails und Internet geändert

Wie stehen Eltern zu Pfeuffers Aussagen? Er glaube nicht, dass sich an den Erwartungen der Eltern in den letzten Jahren etwas Grundlegendes geändert habe, sagt Helmut Celina, stellvertretender Vorsitzende der bayerischen Landeselternvereinigung. "Eltern wünschen sich von den Schulen die bestmögliche Ausbildung ihrer Kinder." Allerdings kann sich Celina vorstellen, dass sich die Art und Weise geändert hat, wie sich diese "Erwartungshaltung praktisch äußert". Das könne mit der Erwartung von permanenter Erreichbarkeit zu tun haben. Celina nennt als Beispiel Eltern, die an einem Sonntag über das Online-Elternportal den Lehrer ihres Kindes mit einer Anfrage kontaktieren und am Sonntagabend nachfragen, warum noch keine Antwort da ist. 

BLLV leistet sich mehr Juristen als früher, um Lehrer anwaltlich zu unterstützen

Immer öfter brauchen Lehrer anwaltliche Hilfe - auch im Kampf gegen Eltern.
Foto: Julian Stratenschulte, dpa | Immer öfter brauchen Lehrer anwaltliche Hilfe - auch im Kampf gegen Eltern.

Die Haltung von Eltern gegenüber Lehrern habe sich den vergangenen Jahren sehr gedreht, sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands. Hätten Eltern Lehrer "damals vor zwanzig Jahren" noch mehrheitlich als Respektspersonen wahrgenommen, sei vielen Eltern der Respekt abhanden gekommen und durch Zweifel ersetzt worden. "Was hat sich denn diese Lehrkraft gegenüber meinem Kind herausgenommen?", sei eine unter Eltern immer verbreitete Haltung.

Die Aussage des Würzburger Schulamtsleiters, derzufolge Eltern immer häufiger gegen Lehrer um die Noten ihrer Kinder kämpften, kann Fleischmann insofern belegen, als ihr Verband - wie alle Lehrerverbände -Lehrern im Konfliktfall anwaltliche Unterstützung zusichert. "Wir leisten uns deutlich mehr Volljuristen als noch vor zehn Jahren, um die Lehrer in diesen Konflikten zu unterstützen", sagt sie. 

 
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  • Hery.Mennig@web.de
    Manche Schüler wären später in einem Handwerksberuf besser aufgehoben als an die Uni zu gehen. Eine gute Handwerksausbildung setzt nicht zwingend ein Abi voraus. In 10 oder 20 Jahren lachen die Handwerker die Akademiker aus, weil dann eine Handwerksleistung kaum noch zu bezahlen ist. Insoweit sollten sich Eltern darüber im klaren werden, dass nicht jedes Kind "hochbegabt" ist.
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  • DieWahrheit
    Die Frage, warum „Eltern“ den Druck auf die Lehrer erhöhen ist ein gesellschaftliches Problem. Haupt- und Mittelschüler werden in der allgemeinen Wertschätzung als Aussätzige angesehen. Der Realschulabschluss gerade so akzeptiert, diese Jugendlichen werden aber schon als Menschen 2. Klasse wahrgenommen.
    Die Folge, dass alle Kinder ins Gymnasium geprügelt werden ist doch, dass das Abitur nichts mehr wert ist. Das liegt zum einem daran, dass der Anspruch der Schule ist alle Schüler zum Abschluss zu bringen und zum anderem, dass die Eltern die Lehrkräfte unter Druck setzen. Jeder der vielem Druck ausgesetzt wird weicht aus und gibt im Zweifel die 4.
    Lösen kann man dieses Dilemma nur, indem die Benotung der Aufgaben von externen Stellen durchgeführt werden.

    Vorteil:
    Die Lehrer können sich auf die Vermittlung von Inhalten konzentrieren.
    Der Verdacht, dass Lehrer Lieblingsschüler haben geht ins Leere.
    Das Niveau des Abiturs geht wieder nach oben.

    Gruß
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  • Hery.Mennig@web.de
    Der Vorschlag, dass die Benotung durch andere Lehrer vorgenommen wird ist ganz hervorragend. Die Vorteile liegen auf der Hand. Am besten ist es, wenn die Schularbeiten "anonymisiert" werden. Das heißt, dass jede Schularbeit lediglich eine Nummer bekommt und nicht der Name des Schülers oben dran steht.
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  • chrihand
    Tja, das kommt davon, wenn man seine Kinder lieber vor Fernseher / Computer / Spielekonsole setzt statt ihnen aktiv das Lernen beizubringen.
    Und das beginnt WEIT vor irgendeiner Schule. Aber es ist ja so leicht, die Verantwortung auf Kindergarten und Schule abzuwälzen.
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  • FischersFritz
    Aktuell haben wir in Deutschland eine Abiturientenquote um die 50%. Prognosen gehen davon aus, dass diese Quote pro Jahr um ca. 1 Prozentpunkt steigen wird – also wären in 20 Jahren ungefähr 70 % zu erwarten. Damit verschiebt sich der durchschnittliche Bildungsabschluss deutlich und die Nicht-Abiturabschlüsse werden gefährlich abgewertet.

    Insofern einerseits verständlich, dass Eltern sich mehr und mehr darum bemühen, ihr Kind zum Abitur zu treiben. Andererseits ist das eine sehr besorgniserregende Entwicklung zum Nachteil unserer Kinder, unseres Schulsystems und unserer Gesellschaft – und es erscheint mir ein wenig befremdlich, wenn jetzt ausgerechnet die Lehrer darüber jammern.

    In Deutschland ist eine echte, tiefgreifende Reform des Schulsystems längst überfällig. Aber davon will keiner etwas wissen. Weil unsere Kultusministerien, Schulen und Lehrer so bräsig und unflexibel sind, bekommen unsere Kinder eine schulische Ausbildung auf dem Stand vor einem halben Jahrhundert …
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  • Reinshagen153@t-online.de
    Zitat: "Schulische Ausbildung auf dem Stand vor einem halben Jahrhundert."

    Schön wärs: Damals gabs noch Heimatkunde in der Grundschule, wo man Kartenlesen lernt. Was Hänschen nicht lernt lernt Hans (im Gymnasium) nimmermehr. So wurde die heutige Generation zu geografischen Analphabeten. In einer Zeit, wo in Medien mehr denn je Landkarten zu vielen Themen veröffentlicht werden; z. B. Daten zu den 16 Bundesländern, den ca. 95 Planungsregionen oder den ca. 400 Landkreisen bzw. kreisfreien Städten.

    Die heutigen Generation weiß nicht mehr, was eine Planungsregion oder kreisfreie Stadt ist. So kamen z. B. die Arbeitslosenzahlen in die Redaktion von TV-Touring SW, für SW-Stadt & SW-Land. Sie verstanden nicht warum es für SW 2 Werte gibt, addierten kurzerhand Stadt & Land und teilten das durch 2 zu einem gemeinsamen Durchschnittswert.

    Ein TVT-Redakteur saß als Moderator im Bierzelt und sagte: das SWer Volksfest ist das größte Fest im Landkreis SW. Der junge Mann wusste nicht mal wo er ist!
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  • jebusara@web.de
    Ach @Andy, das kann man beliebig fortführen. Vieles wurde abgeschafft. Nun zwickt es an allen Ecken und Enden. Es fehlt nicht nur an Bildung!
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