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REICHENBERG
Was mit Frauen passiert, wenn sie Mutter werden
Ulrike Sosnitza mit ihrem Roman „Hortensiensommer”-
Foto: Pat Christ | Ulrike Sosnitza mit ihrem Roman „Hortensiensommer”-
Pat Christ
Pat Christ
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:40 Uhr

Erfolg beflügelt. Wie sehr, das spürte Ulrike Sosnitza während der Arbeit an ihrem zweiten Roman, der soeben im Heyne-Verlag erschienen ist. Getragen von der positiven Resonanz auf ihren Erstling „Novemberschokolade“ schaffte es die Schriftstellerin aus Reichenberg, ihr 400 Seiten starkes Werk „Hortensiensommer“ in einem einzigen Jahr fertigzustellen. Am kommenden Sonntag, 25. März, um 11 Uhr, stellt Sosnitza ihren in Sommerhausen angesiedelten Roman im Theater am Neunerplatz vor.

Literatur war und ist für Ulrike Sosnitza ein wesentlicher Teil ihres Lebens. „Ich war als Kind eine richtige Leseratte“, erzählt die 52-Jährige. Als Teenager bewunderte sie Autoren wie Virginia Woolf und Hermann Hesse. Woolfs Romanbiographie „Orlando“ zählt bis heute zu den Lieblingsbüchern der Autorin. Aber auch das weniger bekannte Werk „Cloud Atlas“ von David Mitchell las sie in letzter Zeit gern. Daneben zählen „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen und „Der talentierte Mr. Ripley“ von Patricia Highsmith zu den Werken, die Sosnitza bisher am liebsten las.

Die Mutterrolle im Fokus

„Unglücklich verliebt, begann ich mit 15 Jahren, selbst Gedichte zu schreiben“, erzählt sie. Später engagierte sie sich in einer Schülerzeitung, schrieb erste Geschichten und Romanentwürfe. „Neben dem Studium und meiner Arbeit als Bibliothekarin schrieb ich weiter, aber erst, als ich mit den Kindern zu Hause war, wurden die Texte länger und umfangreicher“, so die zweifache Mutter. Irgendwann fand die Autorin ihre Werke gut genug, um sie veröffentlichen zu wollen.

Je nach ihrer aktuellen Lebenssituation veränderten sich die Themen und Inhalte ihrer Texte, sagt die gebürtige Darmstädterin, die an den Universitäten in Darmstadt, Bayreuth und Bonn als Bibliothekarin tätig war. So setzt sie sich, seit sie selbst Kinder hat, intensiv mit der Mutterrolle auseinander. „Novemberschokolade“ zum Beispiel dreht sich um das Schicksal eines Kindes, das von seiner Mutter verlassen wurde. In „Hortensiensommer“ verliert eine Mutter ihr Kind. Sosnitza: „Aber auch in meinen früheren Texten und Kurzgeschichten stand meist eine Mutter im Mittelpunkt.“ Was macht es mit Frauen, wenn sie Kinder bekommen? Das interessiert die Autorin.

In Reichenberg eine neue Heimat gefunden

Stellt sich die Frage, ob eine Schriftstellerin nicht noch schneller Karriere machen würde, wenn sie in einer Metropole lebte – in München, Hamburg oder Berlin etwa. Viele Autoren zieht es in Großstädte. Ulrike Sosnitza jedoch will Reichenberg treu bleiben. „Nach Würzburg zogen wir mit der Familie, weil mein Mann hier eine neue Arbeitsstelle fand.“ Ein schönes Haus mit einem tollen Garten gab den Ausschlag dafür, dass die Gemeinde Reichenberg ihre neue Heimat wurde.

Heutzutage muss ein Schriftsteller nicht dort leben, wo es eine besonders lebendige Literaturszene gibt. Moderne Kommunikationstechnologien ermöglichen den Austausch über kommunale und nationale Grenzen hinweg. „Meinen Agenten habe ich per Mail und Telefon gefunden“, schildert Sosnitza. Er bot ihr Manuskript „Novemberschokolade“ deutschen Verlagen auf einer Buchmesse in London an: „Die nachfolgende Auktion und die konkreten Verhandlungen fanden per Mail oder telefonisch statt, genauso wie das Lektorat mit Heyne.“ Sosnitza traf ihre Lektorin erstmals persönlich, als „Novemberschokolade“ schon im Druck war.

Sommerhausen als Inspiration

Exakt zwei Jahre ist es nun her, dass Sosnitza ihre Idee für den zweiten Heyne-Roman beim Verlag einreichte. Das dreiseitige Exposé wurde sofort akzeptiert. „Bei dieser Grundidee blieb es dann auch bis zum Schluss“, erzählt die Schriftstellerin, die täglich ab 8 Uhr am Schreibtisch sitzt und bis zum Nachmittag im Durchschnitt 1000 Wörter verfasst. Der Produktionsprozess unterschied sich diesmal deutlich von der Arbeit an „Novemberschokolade“. Ihren ersten Roman schrieb Sosnitza, nachdem zwei Drittel der Arbeit fertig waren, komplett um.

Die Grundidee von „Hortensiensommer“ im Detail auszuführen, war allerdings nicht so einfach. Schwer fiel allein die Entscheidung, wo denn der Roman spielen sollte: „Ich entschied mich schließlich, ihn in Sommerhausen anzusiedeln, weil allein der Name dieses Ortes ein Wohlgefühl auslöst.“ Aber auch nach diesem Entschluss gab es immer wieder Momente, an dem die Autorin nicht wusste, wie es weitergehen sollte: „Dann begab ich mich nach Sommerhausen und ging dort spazieren, was sehr inspirierend war.“

Lesungen in Vorbereitung

Wie in „Novemberschokolade“ bettet Ulrike Sosnitza auch diesmal wieder ein tragisches Schicksal in einen durch und durch sinnlichen Kontext ein. Mit Blütenduft und in Farben schwelgend transportiert sie unterschwellig eine wichtige Botschaft: Menschen, die, wie ihre Titelfigur Johanna, im Leben eine Krise durchmachen, brauchen andere Menschen, die sie auffangen und ein Stückchen weitertragen. „Das ist oft nicht der Fall“, meint das Mitglied des Würzburger Autorenkreises. Fremder Schmerz schreckt ab. Die Menschen wenden sich ab, weil sie nicht konfrontiert werden wollen mit der Verzweiflung ihrer Mitmenschen.

Längst liegt dem Heyne-Verlag das nächste Exposé vor. Auch das wurde akzeptiert. Und während Ulrike Sosnitza die ersten Lesungen aus „Hortensiensommer“ vorbereitet, sitzt sie seit September an ihrem vierten großen Prosawerk. Das wird diesmal ganz anders als die beiden Romane sowie der Erstling „Ein Klick zu viel“, der 2013 im Verlag Königshausen und Neumann erschien. Gemeinsam ist allen vier Werken einzig, dass eine Frau im Fokus steht. Diesmal allerdings keine junge: „Meine neue Protagonistin ist 52, also genauso alt wie ich.“

 
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