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Würzburg
Warum Prantl Donald Trump für einen Extremisten hält
Über Extremismus diskutiert der SZ-Journalist Heribert Prantl am 11. Oktober in Würzburg. Im Interview erklärt er, warum man dem Volk aufs Maul schauen muss.
Archivbild: Ein Plakat mit dem Slogan 'Gegen Populismus' ist im November 2016 auf einer Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt in Berlin zu sehen.
Foto: Jörg Carstensen, dpa | Archivbild: Ein Plakat mit dem Slogan "Gegen Populismus" ist im November 2016 auf einer Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt in Berlin zu sehen.
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:01 Uhr

Warum nehmen Populismus und Extremismus weltweit zu? Was macht unsere Demokratie stark? Diese Fragen stellen sich die katholischen Erwachsenenverbände in der Diözese Würzburg, der Diözesanrat der Katholiken, die Diözesanstelle Mission-Entwicklung-Frieden und das Eine-Welt-Forum Würzburg. Daher haben sie den Autor und Juristen Prof. Heribert Prantl am 11. Oktober zu einem Diskussionsabend nach Würzburg eingeladen. In die Region hat das ehemalige Mitglied der Chefredaktion der "Süddeutschen Zeitung" besondere Beziehungen. "Ich habe in Mainfranken viele alte Freunde und mag den Frankenwein. Eine meiner ersten großen Erlebnisse als Gymnasiast war ein Besuch des Torturmtheaters in Sommerhausen." Warum er Populismus gut findet, US-Präsident Donald Trump aber nicht für einen Populisten hält, erklärt er im Interview.

Frage: "Dem Volk aufs Maul geschaut" ist der Titel der Veranstaltung. Wie kommt es, dass Sie mit einem Spruch von Martin Luther ins katholische Würzburg kommen?

Heribert Prantl: Dem Volk aufs Maul zu schauen ist ein politischer Rat. Er ist für jeden wichtig, der in der Öffentlichkeit steht, der sich mit der Gesellschaft, ihrem Zustand und ihrer Zukunft beschäftigt. 

Dem Volk aufs Maul schauen heißt für Sie...

Prantl: ...verständlich reden, die Sorgen der Menschen ernst nehmen, zuhören, verstehen,  nachgehen, wo sie der Schuh drückt und dann mit den Erkenntnissen richtig umgehen. Es heißt nicht, den Menschen nach dem Mund reden, sondern auf ihren Mund zu schauen.

Finden Sie Populismus gut?

Prantl: Den populistischen Extremismus halte ich für furchtbar und gefährlich. Populismus ist aber nicht gefährlich, wenn man, wie ich, darunter das leidenschaftliche und verständliche Eintreten für eine Sache versteht. Man kann und muss für Demokratie und Rechtsstaat populistisch werben. Der verstorbene CDU-Politiker Heiner Geißler hat mir einmal gesagt, ein guter demokratischer Politiker muss den Menschen auch komplexe und komplizierte Dinge am Tapetentisch in der Fußgängerzone in fünf Minuten erklären können. Diese Art der Wissensvermittlung ist für mich guter Populismus.

Halten Sie US-Präsident Donald Trump für einen Populisten?

Prantl: Landläufig bezeichnet man die Leute vom Schlag eines Heinz-Christian Strache, Viktor Orbán oder Donald Trump als Populisten. Für mich ist das sehr verharmlosend. Es handelt sich um Politiker, die ihre extremen Positionen mit populistischen Mitteln vertreten. Nationalismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit und die Missachtung von Minderheiten sind nicht Populismus, sondern Extremismus.

Journalist Heribert Prantl
Foto: Jürgen Bauer | Journalist Heribert Prantl
Sind Extremisten mit populistischen Mitteln zu schlagen?

Prantl: Davon bin ich überzeugt. Den freiheitlichen Rechtsstaat, die Grund- und Menschenrechte sollte man mit Überzeugungskraft und Leidenschaft, also mit populären und populistischen Mitteln, verteidigen.

Wird der gute Populismus zu wenig genutzt?

Prantl: Leider ja. Am gefährlichsten ist für mich aber die Haltung der Apathie. Sie läuft darauf hinaus, den populistischen Extremismus hinzunehmen wie eine Naturkatastrophe. Diese Apathie halte ich für noch gefährlicher als den populistischen Extremismus. Sie raubt uns die Zukunft.

Sie machen sich als Kommentator für Menschlichkeit stark, zum Beispiel beim Thema Seenotrettung. Werden Sie von Extremisten zunehmend angegangen?

Prantl: Pöbler hat es schon immer gegeben. Doch sie hatten bis vor einiger Zeit nicht die Möglichkeiten, die sie heute im Netz haben. Die Pöbler heute sind extrem aggressiv. Viele Hemmungen sind verloren gegangen. Massive Beschimpfungen haben zugenommen, gerade in den sozialen Medien. Justiz und Gesellschaft sind gefordert, auch bei der harten Auseinandersetzung für Anstand zu sorgen – notfalls mit den Mitteln des Strafrechts.

Früher haben Sie als Richter und Staatsanwalt gearbeitet. Wie sehen Sie den Beschluss des Berliner Landgerichts, Grünen-Politikerin Renate Künast im Internet als "Schlampe, Drecksfotze und Stück Scheiße" zu bezeichnen, sei keine Beleidigung gewesen?

Prantl: Der Beschluss ist abenteuerlich falsch. Ich gehe davon aus, dass er von der nächsten Instanz rasch aufgehoben wird. Die drei Berliner Richter haben die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die harte politische Auseinandersetzung völlig missverstanden. Wenn dieses Urteil Schule machte, dann würden alle Dämme brechen. Es muss klar sein: Das Strafgesetzbuch gilt auch im Netz.

Wie sollte man Ihrer Meinung nach mit Extremismus umgehen?

Prantl: Ich muss mutig dagegen aufstehen. Extremisten müssen massive Kritik erfahren. Es darf nichts unwidersprochen bleiben. Das ist anstrengend, aber notwendig. Wir müssen mit aller Leidenschaft für die Grundrechte eintreten.

Ist das nicht ein Kampf gegen Windmühlen?

Prantl: Nein. Das ist Demokratie. Demokratie ist nicht irgendwann einmal vom Himmel gefallen und dann für immer da. Sie muss gelernt werden, immer und immer wieder. In jeder Generation, in jeder Zeit gibt es da andere, neue Schwierigkeiten. Ich muss ja nicht auf jede bösartige Zeile im Netz reagieren, sehr wohl aber auf den Extremismus, wie er mir in meinem Alltag begegnet. Als Politiker muss ich mich eindeutig positionieren, als Lehrer muss ich mich mit bestimmten Sprüchen meiner Schüler auseinandersetzen oder als Fahrgast meinen Mitfahrern oder dem Taxifahrer widersprechen, anstatt zu denken: Ich schleiche mich jetzt lieber, das ist einfacher.

Heribert Prantl kommt am Freitag, 11. Oktober, um 17 Uhr zu einer Diskussionsveranstaltung ins Kolping-Center Mainfranken, Kolpingplatz 1, in Würzburg. Der Eintritt ist frei.

In eigener Sache: In einer früheren Version lautete die Überschrift "Warum Prantl Donald Trump nicht für einen Populisten hält". Da man die Überschrift hätte missverstehen können, wurde sie in die jetzige Form geändert.

 
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