Seit drei Jahren ist Erich Schneider Gründungsdirektor des Museums für Franken. Für das Sommerinterview mit dieser Redaktion nimmt sich der 64-Jährige Zeit für einen Gang durch die Räume und erklärt, warum ein Museumsbesuch auch heute noch durch genaues Hinschauen interessant wird.
Erich Schneider: Eigentlich bin ich ja gar keiner. Das ist für mich Max H. von Freeden, der 1945 unter schwierigsten Bedingungen in einer visionären Leistung das Mainfränkische Museum auf der Festung eingerichtet hat. Gemeinsam mit anderen hat er damals – auf dem Tiefpunkt der Würzburger Stadtgeschichte – begriffen, dass die Menschen nicht nur Wohnraum und Nahrung brauchen, sondern auch Kunst und Kultur.
Schneider: Titel sind nicht so wichtig. Ich bin der Erich Schneider und darf mit meinen Mitarbeitern ein neues Museum planen. Dass der Freistaat die Trägerschaft des Mainfränkischen Museums übernommen hat und über 100 Millionen Euro in die Sanierung der Festung und die Neukonzeption des Museums stecken will, ist eine wahnsinnige Chance für Würzburg.
Schneider: In enger Zusammenarbeit mit unseren Architekten wurde eine Vorplanung erstellt, in der die Räume aufgeteilt sind. Momentan wird diese in konkrete Entwürfe umgesetzt, aus denen sich Kosten- und Zeitplan ablesen lassen. Anfang nächsten Jahres werden diese Pläne den zuständigen Ministerien vorgelegt. Neben dem großen Gesamtplan beschäftigen uns aber gleichzeitig auch schon viele Details.
Schneider: Die sogenannte Sandhofdecke wurde 1610 für den Sandhof in der Schönbornstraße Ecke Maulhardgasse gefertigt und bei dessen Abriss Ende des 19. Jahrhunderts gerettet. Teile der geschnittenen Friese und der Vertäfelungen mit Jagdszenen hängen im Fürstenbaumuseum, andere sind in Kisten verpackt in unserem Depot. Wir würden diese in fränkischen Adelshöfe des 16. Jahrhunderts typische Ausschmückung gerne im Museum präsentieren. Dazu klären wir gerade die Eigentumsverhältnisse der Fragmente, sie kamen nämlich vom Bayerischen Nationalmuseum zu uns, beziehungsweise an die Schlösserverwaltung. Und wir müssen noch herausfinden, wie groß das Puzzle in den Kisten sein wird.
Schneider: Das war von Beginn an klar. Ich freue mich auf eine neue Lebensphase mit hoffentlich vielen neuen Erfahrungen und mehr Zeit für mich und meine Familie.
Schneider: Das eine oder andere Buch habe ich ja auch geschrieben und schreibe weitere. Aber schon Professor Freeden, bei dem ich studieren durfte, hat damals zu uns gesagt: 'Wer von euch mal viel Glück hat, der darf später mal bauen.' Ich habe anscheinend viel Glück. Mir macht das Bauen schon Freude.
Schneider: Beides ist eine Herausforderung. Aber wichtiger als diese Unterscheidung ist das Team, mit dem man unterwegs ist. Ich treffe in meinem Büro auf der Festung ja keine einsamen Entscheidungen, ich bin eher der Moderator, der mit einem vierköpfigen Kernteam an guten Lösungen arbeitet. Eingebunden sind aber letztlich alle hier oben, von den Kuratoren über die Museumspädagogen bis zum Hausdienst und den Reinigungskräften, die uns sagen, wo sie Steckdosen brauchen.
Schneider: Wir werden gar nicht alles zeigen können, was wir momentan ausstellen. Denn zum einen werden wir die Objekte teilweise großzügiger präsentieren und zum anderen kommen ja noch neue Ausstellungsgegenstände dazu. Beispielsweise aus anderen Teilen Frankens, da sich unsere Sammlung auf Unterfranken konzentriert. Wir werden aber auch Objekte aus der jüngeren Vergangenheit erwerben müssen. Denn die Sammlung des Museums endet mit der Biedermeierzeit.
Schneider: Das Germanische und das Bayerische Nationalmuseum werden uns sicher wie in der Vergangenheit unterstützen. Leihgaben finden sich auch jetzt schon in der Ausstellung. Ein geeignetes Objekt zur fränkischen Identitätsstiftung gehört uns bereits jetzt: Die Kiliansfahne. Unter diesem fünf Meter hohen Banner besiegte das Würzburger Domkapitel 1266 in der Cyriakus-Schlacht bei Sulzfeld einige weltliche Adelsgeschlechter und festigte dadurch die Herrschaft des Fürstbischofs. Diese ehemals als eine Art Reliquie im Dom ausgestellte Fahne wird in der neuen Präsentation eine zentrale Rolle spielen. Ich denke sie ist für Franken möglicherweise sogar bedeutender als das Zeremonialschwert eines Fürsten.
Schneider: Das eine Franken gibt es nicht und hat es auch nie gegeben. Das aufzuarbeiten und zu vermitteln ist ein Teil unserer Aufgabe. Schon gleich im Foyer wird ein Film laufen, in dem Menschen aus den verschiedenen Regionen Frankens in ihrer Mundart sprechen. Wir wollen uns Franken von verschiedenen Blickwinkeln aus nähern.
Schenider: Unser Museum basiert auf historischen Objekten, die weiter im Mittelpunkt der Ausstellung stehen. Wir werden bei der Vermittlung unserer verschiedenen Themenschwerpunkte natürlich auch multimediale Möglichkeiten wie Fotos und Filme einsetzen. Vor allem, wenn es um die jüngste Vergangenheit geht, die durch diese Medien geprägt ist. Aber prinzipiell erfährt man in einem Museum auch schon viel über sich und über die Welt, indem man sich Dinge in Ruhe anschaut. Nehmen Sie zum Beispiel dieses Porträt in unserer Gemäldegalerie. Es zeigt Franz Ludwig von Erthal als jungen Gesandten des Würzburger Fürstbischofs in Rom. Ein eleganter Mann, der mitten in der Nacht am Schreibtisch arbeitet – das sieht man, weil der Diener gerade die Vorhänge zuzieht und die Zeiger der Uhr auf drei stehen. Erthal ist gerade heimgekommen, er hat schon einen Hausmantel an, aber den Hut noch auf und checkt nach einem Meeting noch seine Mails – so würde man heute sagen. Nikolaus Treu hat den ehrgeizige Mann, der später Fürstbischof wurde, 1759 gemalt, aber er ist gar nicht so weit weg von uns. Man muss die Dinge nur anschauen und Fragen stellen, dann wird es interessant.
Schneider: Wir suchen noch die richtigen Räume, um Bilder der Brücke-Sammlung angemessen zu zeigen. Nächstes Jahr könnte das klappen.
Schneider: Meine Frau und mich faszinieren vor allem Stücke, die mit einfachen Mitteln von Hand gemacht wurden und dadurch einen besonderen Charme haben. Manche dieser Kreisel oder Puppen sind in Notzeiten entstanden, während des Krieges oder in Gefangenschaft. Man spürt beim Betrachten die naive Freude daran, dass jemand ein Geschenk gefertigt hat und dieses auch erkennbar bespielt wurde. Inzwischen sind meine Frau und ich aber froh, wenn wir bei einem Flohmarktbesuch mal nichts finden.