Wie umgehen mit extremen Naturereignissen? An der Universität Potsdam untersuchen Geografen und Umweltwissenschaftler, welche gesellschaftlichen Auswirkungen Naturgefahren haben und wie die Bevölkerung besser auf Hochwasser, Starkregen, Dürren oder Hitzen reagieren kann. Für die Naturrisikenforscher war die Würzburger Landesgartenschau in den Hitzewochen da ein ideales Untersuchungsgebiet: An sechs Wochenenden im Juli und August führte ein Team um Umweltpsychologin Anna Heidenreich auf der LGS Messungen und Befragungen durch. Die Forscher wollen das Verhalten von Besuchern einer Großveranstaltung bei unterschiedlichen Wetterlagen, vor allem bei starker Hitze, nachzeichnen. Und aus den Ergebnissen dann allgemeine Empfehlungen für Veranstalter und Bevölkerung ableiten.
Ist die Würzburger Landesgartenschau die perfekte Untersuchungsfläche für Naturriskenforscher? Und für die Frage, wie Besucher mit Hitze umgehen?
Anna Heidenreich: Ja, die LGS bietet sich an. Es gibt auf der großen Gesamtfläche viele unterschiedliche Möglichkeiten zur Nutzung. Wir konnten also auch beobachten, welche Angebote von den Besuchern bei unterschiedlichen Wetterlagen besonders gern aufgesucht werden.
Machen Sie die gleichen Befragungen und Messungen auch noch anderswo, bei anderen (Groß-)Veranstaltungen?
Heidenreich: Die Untersuchung dieser Art ist neu konzipiert und für die Landesgartenschau entworfen. Aber man könnte sie in Zukunft auch bei anderen Veranstaltungen anwenden. Aus den Ergebnissen lassen sich Empfehlungen zum Beispiel für zukünftige Gartenschauen ableiten, die Veranstalter direkt anwenden können. Grünflächen in der Stadt sind allgemein bei Hitze wichtig, und ihre Nutzung soll in Würzburg in Zukunft auch weiter untersucht werden.
Haben Sie sich Würzburg angesichts des heißen, trockenen Sommers kurzfristig ausgesucht oder war das Projekt lange geplant?
Heidenreich: Das war natürlich schon länger geplant. Die Stadt Würzburg ist insgesamt ein Vorreiter bei den Themen Klimaschutz und Klimaanpassung. Die Hitzebelastung ist, vor allem in der Altstadt, aufgrund der Kessellage ja ein „heißes“ Thema in der Stadt. Ab Herbst wollen wir das in einem Forschungsprojekt systematisch gemeinsam mit der Stadt Würzburg und anderen Partnern bearbeiten, um gute Lösungen zu finden. Da geht es um Klimawandelanpassung und ganz im Konkreten um Naturrisiken, die wohl auch in Zukunft weiterhin auf uns zukommen werden. Hitze ist uns gerade ja am präsentesten, aber es gibt ja auch Starkregen und Hochwasser. Auf die Landesgartenschau zu gehen und das Thema dort zu untersuchen, hat sich einfach angeboten.
Sie wären auch bei kühlen Temperaturen und Regen auf die LGS gekommen?
Heidenreich: Ja, sicher. An einem unserer Untersuchungswochenenden hat es auch ziemlich geregnet. Das ist ein schöner Vergleichswert.
Was waren die höchsten gemessenen Temperaturen?
Heidenreich: Wir selbst waren ja nicht täglich, sondern nur an den Samstagen und Sonntagen ab Anfang Juli auf dem Gelände. Am ersten Augustwochenende haben wir auf dem ganzen Gelände über 34°C gemessen, das war ein sehr heißes Wochenende. Gut möglich, dass es an anderen Tagen und anderen Standorten, wie zum Beispiel in der Altstadt, auch zu noch höheren Temperaturen kam.
Wie viele Besucher haben Sie gefragt – und was?
Heidenreich: In der Summe waren es über 300 Besucherinnen und Besucher. Wir haben gefragt, welche Angebote sie genutzt haben, wie viel Bedeutung sie der Thematik Hitze beimessen und welche Anpassungsstrategien sie persönlich haben.
Und was belastet die Besucher am meisten?
Heidenreich: Wir beginnen die Auswertung jetzt ja erst. Eins zu eins kann man das sicher nicht an Temperaturen festmachen. Aber hohe Temperaturen erleben viele Besucher schon als belastend. Der Regentag wurde von vielen allerdings auch als belastend bewertet, sommerliche Temperaturen als angenehmer.
Ist das eine Altersfrage?
Heidenreich: Am Alter allein kann man das nicht festmachen, auch andere Faktoren wie zum Beispiel die Gesundheit spielen eine Rolle. Hohe Temperaturen werden aber irgendwann für alle stressig.
Bietet die LGS den Besuchern denn ausreichend Ausgleich und Schutz gegen die Hitze?
Heidenreich: Die LGS bietet viele kostenlose Möglichkeiten, sich zu schützen. Die sind den Befragten auch aufgefallen. Man findet über das Gelände verteilt überall Schirme und viele Schattenplätze unter Bäumen. Und im Wasserbecken kann man kurz die Füße erfrischen. Daneben kann man natürlich an vielen Orten ein gekühltes Getränk oder Eis kaufen. Als Besucher kann ich aber auch an ein paar Dinge denken: morgens direkt Sonnencreme auftragen und etwas zum Trinken einpacken. Und die eigene Trinkflasche kann man auf dem Gelände wieder auffüllen.
Der größte Schwachpunkt der LGS?
Heidenreich: Da die LGS sich über ein recht großes Gelände erstreckt, muss man viele Wege in offener Sonne zurücklegen. Da ist es praktisch, logistisch nicht möglich, alles zu beschatten. Viele Besucher erleben das als schwierig. Inzwischen fahren ja die beiden kleinen Bahnen, mit denen man sich die größten Wege sparen kann und ohne viel Anstrengung im Schatten der Bahn sitzend einen guten Überblick über das Gelände bekommt. Da hat der Veranstalter gut reagiert.
Wie haben Sie sich denn selbst geschützt?
Heidenreich: Wir haben viel getrunken und unsere Flaschen unterwegs am Trinkwasserspender aufgefüllt. Mittags haben wir pausiert und uns im Schatten aufgehalten – da bieten insbesondere der Alte Park und das Aktivband viele Möglichkeiten. Auch Sonnencreme und helle, leichte Kleidung sind für mich ein Muss. Worauf ich an den besonders sonnigen Tagen nicht verzichten wollte, war mein Sonnenhut, der hat mir die Arbeit sehr erleichtert.
Gibt?s besondere Tricks bei Hitze?
Heidenreich: Viel trinken und auf den eigenen Körper hören – also den Tag lieber etwas ruhiger angehen lassen und besser mehr Zeit für Pausen nehmen und diese im Schatten verbringen.
Würden Sie eigentlich privat bei so einer Hitze eine Landesgartenschau besuchen?
Heidenreich: Ich könnte mir auch vorstellen an einem heißen Tag auf die LGS zu gehen, würde mir dann aber keine großen körperlichen Anstrengungen vornehmen, sondern gezielt meine Zeit im Schatten verbringen. Wichtig ist aber die Mittagshitze zu meiden, also früh oder am Abend zu gehen. Für Nutzer einer Dauerkarte ist das in Würzburg kein Problem, aber auch mit einem Tagesticket kann man mit dem Stempel vom Ausgang wiederkommen.
Die Lehren aus der Würzburger Hitze: Welche Handlungsempfehlung für Veranstalter wird es von Ihnen am Ende ganz sicher geben?
Heidenreich: Das kann man noch nicht sagen, da wir uns erst am Anfang der Auswertung unserer Untersuchungen befinden. Ganz allgemein ist sicher jedem Veranstalter anzuraten, ein Konzept für Hitzetage zu entwickeln, zum Beispiel in Kooperation mit dem Rettungsdienst.
Naturrisikenforschung an der Uni Potsdam
Mit einer Professur „Geographie und Naturrisikenforschung“ am Institut für Erd- und Umweltwissenschaften hat die Universität Potsdam auf einen aktuellen Bedarf aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft reagiert: Weltweit steigende Schäden in Folge von extremen Naturereignissen unterstreichen die Notwendigkeit einer effektiven Vorsorge. Die 2011 eingerichtete Arbeitsgruppe will Konzepte entwickeln sowie Erkenntnisse gewinnen, die ein tieferes Verständnis der gesellschaftlichen Auswirkungen von Naturgefahren, der Schadensursachen sowie der Wirksamkeit von Vorsorgemaßnahmen ermöglichen. In diesem Herbst starten die Potsdamer Forscher ein Projekt mit der Stadt Würzburg zum Thema Klimawandel und Klimaschutz.
Anna Heidenreich, die die Untersuchungen auf der Landesgartenschau in Würzburg betreut, ist Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am „Lehrstuhl für Geographie und Naturrisikenforschung“ in Potsdam. Die 27-Jährige hat in Jena Psychologie studiert und dann in Magdeburg den Master Master Umweltpsychologie/Mensch-Technik-Interaktion gemacht.
Ein Blick nach Japan oder in die Millionenmetropolen wie New York kann hierzu hilfreiche Inspirationen liefern!
Aus der Würzburger Innenstadt müssten dringend die Autos raus um Freiraum für mehr Grünflächen und Radwege zu schaffen. Das Strabanetz muss dringen ausgebaut werden.
Autos bringen mit ihren Verbrennungsmotor noch mehr heißen Abgase in die Stadt.
Deshalb mehr Parkplätze in der Stadt.
"...Solange die läuft kann es draussen heiss sein, wie es will..."
Da sag ich nur, solange "die" läuft, ist auch der Motor an und verpestet weiter die Luft in der Umgebung.
Hab ich noch ein ganz klein wenig Verständnis für Autos mit laufendem Motor im Winter für die Heizung (ist übrigens auch verboten!), so fehlt mir ein solches total für diejenigen die bei größter Hitze ihren Motor während der Park- bzw. Standzeit laufen lassen und Zeitung im Fahrzeug lesen, während die Gattin (nur ganz kurz...) einkaufen ist.
Sie wohnen wahrscheinlich nicht in der Stadt bei solchen Kommentaren.
MfG