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Würzburg
Warum der Würzburger Missbrauchsprozess so ungewöhnlich ist
Vor dem Würzburger Landgericht geht es ab heute um ein schreckliches Verbrechen: Ein Sprachtherapeut soll Kinder missbraucht haben. Der Fall führt in menschliche Abgründe.
Ab diesem Donnerstag steht ein Würzburger Logopäde vor Gericht. Er soll mehrere Kinder missbraucht haben.
Foto: Oliver Berg, dpa | Ab diesem Donnerstag steht ein Würzburger Logopäde vor Gericht. Er soll mehrere Kinder missbraucht haben.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:14 Uhr

Nun kommt das dunkle Geheimnis ans Tageslicht, das ein Logopäde 20 Jahre lang sogar vor seinem Partner verborgen haben soll. Ihm wird vorgeworfen, Kinder missbraucht und die Taten fotografiert und gefilmt zu  haben, um Bilder zum Tauschen zu bekommen. Weil seine Opfer meist nicht reden konnten, konnten sie ihn auch nicht verraten. Der Prozess beginnt an diesem Donnerstag.

Der Mann galt als besonders einfühlsam

Was den Würzburger Fall besonders macht, ist der Angeklagte selbst: Der 38-Jährige mit der leisen Stimme und dem sanften Auftreten galt als ungewöhnlich einfühlsamer und engagierter Therapeut. Angesehen bei Kollegen, ausgezeichnet mit Preisen. Ihm vertrauten Eltern ihre behinderten Kinder an, weil sie glaubten, bei dem Logopäden wären sie in guten Händen. Die Warteliste für Neuaufnahmen war lang.

Der Angeklagte und sein Mann galten als Vorzeige-Paar. Sie taten viel dafür, Vorurteile gegen gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften schwinden zu lassen. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet in diesem immer freundlichen Mann eine so brutale Neigung schlummert?

Elf Info-Veranstaltungen für 700 besorgte Eltern

Über 50 Beamte gehörten zeitweise der Sonderkommission an, die bis tief in den Sommer hinein ermittelte. In elf Großveranstaltungen stellte man sich besorgten Fragen von gut 700 Eltern, deren Kinder ins Beuteschema des Mannes zu passen schienen. Am Ende wurde sieben Buben als Opfer identifiziert.

Wie sehr seine Taten den Ruf der Einrichtungen und seines Berufsstandes schädigte, lässt sich nur schwer abschätzen. Das heimtückische an dieser Neigung ist nach Angaben von Medizinern, dass sie immer stärkere  Reize braucht. Das treibt die Täter dazu, sich Gleichgesinnte zum Tauschen von Bildern zu suchen – auch im Darknet. Dort muss man als "Keuschheitspobe" (zum Schutz vor verdeckten Internet-Ermittlern) zuerst selbst strafbare Bilder liefern, ehe man selbst welche bekommt.

Eine Flut von Bildern

Der Würzburger soll genaue Anweisungen bekommen haben, was für Aufnahmen er anfertigen musste, um in einem perversen Ranking so weit aufzusteigen, dass er selbst Zugang zu Bildern bekam, die er zu Befriedigung des eigenen Begehrens brauchte.

Die Ermittler stießen auf 23 000 pornografische Aufnahmen in der Größenordnung von mehreren Terabyte. Geht man von von aus, dass ein Bild im Schnitt 200 Kilobyte hat und sich ein Ermittler pro Sekunde ein Bild anschaut, hätte er nach neun Monaten gerade ein Terabyte ausgewertet. Inzwischen setzen Ermittler auf Fachfirmen, die schneller auswerten. Dennoch mussten monatelang Opfer identifiziert und die Aufnahmen auf Strafbarkeit überprüft werden – eine belastende Aufgabe, die selbst leidgeprüfte Ermittler an ihre Grenzen brachte.

Fassungsloses Entsetzen

Ungewöhnlich war die große Zahl potenzieller Opfern – alles Jungs bis zu sechs Jahren, viele nicht in der Lage zu sprechen und so zu verraten, was ihnen angetan wurde: Fassungslosigkeit und großes Entsetzen herrschte unter den Eltern – aber auch kalte Wut, als feststand, wer unter den Opfern war. Der Logopäde hatte zwei Praxen in Würzburger Stadtteilen. Zudem war er als Berater und Therapeut in verschiedenen Kindertageseinrichtungen tätig. In seiner Freizeit bot er in einem Würzburger Sportverein zehn Jahre lang ein inklusives Kinderturnen an. 

Im Unterschied zu anderen Pädophilen hat der Logopäde seine Taten weitgehend gestanden. Das Gericht muss dieses Geständnis aber überprüfen. Das wäre schon bei gesunden Kindern schwierig. Bei den Opfern hier, die bis auf eines nicht sprechen können, ist man auf Beobachtungen und Schilderungen der Eltern angewiesen.

Prozess wohl weitgehend nicht öffentlich

Eine letzte Besonderheit: Weil schützenswerte Details aus dem Intimbereich von Opfern im Mittelpunkt des Prozesses stehen, wird der wohl weitgehend hinter verschlossenen Türen stattfinden. Die Ergebnisse dann der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wird eine besondere Herausforderung sein – wie in Aschaffenburg, wo gerade über einen vor 40 Jahren geschehenen Mord verhandelt wird und der Angeklagte zur Tatzeit unter 18 Jahren alt war. Wie in Aschaffenburg wird auch in Würzburg ein Sprecher des Gerichts sozusagen der Dolmetscher zur Öffentlichkeit sein.

Der Prozess beginnt an diesem Donnerstag um 9 Uhr.

 
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