Susanna Kempf ringt um Fassung, als sie an der Rezeption im historischen Meisnerhof in Erlabrunn einen dicken Packen bedrucktes Papier in den Händen hält. "Dies sind alles Absagen für Hotel-Buchungen im Zeitraum des Lockdowns." Für Familie Kempf ist dieser Verlust aber nur ein Teil der Auswirkungen der Corona-Krise. Die Kempfs spielen im 1800-Seelenort eine wichtige Rolle: Neben dem Hotel und dem zugehörigen Restaurant mit Biergarten im Meisnerhof betreibt die Familie im Ortskern auch die Pizzeria Da Marco sowie einen Friseursalon. Dessen Betriebsjubiläum zum 30-jährigen Bestehen fiel ebenfalls dem Lockdown zum Opfer; die geplante Party mit den Stammgästen soll laut Susanna Kempf so bald wie möglich nachgeholt werden.
Anlässlich der aktuellen Lockerungen für die von Susanna und Marco Kempf als Familienunternehmen geführten verschiedenen Betriebssparten ziehen die beiden vor dem sehnlich erwarteten Neustart eine erste Bilanz. Susanna Kempf bedankt sich bei der Bevölkerung im Ort und den Kunden aus dem Umkreis für die Unterstützung während der vergangenen Monate: "Unzählige Menschen haben uns durch die Nutzung unserer 'To-go-Angebote' aus der Meisnerhof-Küche über Wasser gehalten", so die Wirtin.
Die Absagen der Hotelgäste gehen bis in den Herbst
"Von einem Tag auf den anderen befanden sich alle unsere Betriebszweige wegen der strikten Ausgangsbeschränkungen im freien Fall", erinnert sich die Chefin an den März 2020. Im Friseursalon war dies noch relativ leicht zu handhaben. Das Hotel aber war voll ausgebucht, wie fast immer im Frühjahr, wenn die ersten Touristen nach Franken kommen. Die Folge: Seit März stehen 23 Zimmer leer. Der damit verbundene finanzielle Verlust hätte mindestens für die fünfstelligen Unterhaltungskosten gereicht, schätzt die Inhaberin. Die Absagen der Gäste aber gehen bis in den Herbst. Und auch nach den seit Mai angekündigten Freigaben für Hotel- und Gastronomiebetriebe sei nur eine sehr verhaltene Nachfrage zu verzeichnen.
In den ersten Tagen des Lockdowns waren die dreißig Angestellten mit der Rückabwicklung von verderblichen Lagerbeständen des Restaurants beschäftigt. Wegen der angeordneten Schließungen ging es für die Voll- und Teilzeit-Beschäftigten danach nahtlos in Kurzarbeit über. Die überwiegend im Zimmerservice auf Minijob-Basis beschäftigten Mitarbeiter sind seit Corona freigestellt. Schweren Herzens haben die Kempfs so versucht, die Auswirkungen des Lockdowns halbwegs zu begrenzen. Zur einzigen Einnahmequelle innerhalb der vergangenen drei Monate habe sich das To-go-Angebot von "Heikos Barbecue" aus dem Meisnerhof-Restaurant entwickelt. Burger-Variationen, Spareribs vom Smoker oder auch typisch fränkische Kost seien gut gefragt gewesen.
Von Resignation aber ist bei Susanna Kempf nichts zu spüren. "Wir lassen uns nicht runterziehen und krempeln wieder die Ärmel hoch", sagt sie entschlossen. Unter Einhaltung der Hygienebestimmungen und der Abstandsregel darf ab 18. Mai auch im Meisnerhof direkt am Main zumindest der Biergarten wieder öffnen. Die Vorbereitungen dazu sind jedenfalls getroffen.