Am 2. Juli sind die Würzburger zum siebten Mal zu einem Bürgerentscheid aufgerufen, nächste Woche werden die Unterlagen verschickt. Es geht um die Zukunft des Kardinal-Faulhaber-Platzes.
Der Stadtrat ist in der Frage gespalten: Grüne, ÖDP, ZfW und Linke haben sich dem Aktionsbündnis „Grüner Platz am Theater“ angeschlossen – sie fordern einen „echten Park“ mit großen Bäumen.
Die Mehrheit des Stadtrates aus CSU, SPD, FDP-Bürgerforum, WL und FWG will dagegen eine Tiefgarage und darüber einen begrünten und gestalteten Platz – ebenfalls mit Bäumen und einem begehbaren Wasserbecken.
Auf Drängen der Grünen hat der Stadtrat am Donnerstag auch die konkreten Beschlüsse dazu gefasst. Oberbürgermeister Christian Schuchardt hat deshalb die Bürgerinitiative aufgefordert, bis Sonntag den Bürgerentscheid zurückzuziehen – was als unwahrscheinlich gilt.
In einem Main-Post-Streitgespräch, das vor der Stadtratssitzung stattfand, machten Stadtbaurat Christian Baumgart und Grünen-Stadtrat Patrick Friedl die wesentlichen Unterschiede zwischen Bürger- und Ratsbegehren klar. Deutlich wurden auch Gemeinsamkeiten zwischen den Kontrahenten.
Patrick Friedl: Ich bin zwar immer zufrieden, wenn man sich in politischen Positionen aufeinander zu bewegt. Aber das hier ist etwas anderes. Das Ratsbegehren will durch Titel, Darstellung und Text den Eindruck erwecken, dass es sehr nahe am Bürgerbegehren wäre. Aber tatsächlich steht auf der einen Seite ein Bürgerbegehren, das eine Begrünung will, und auf der anderen Seite ein Ratsbegehren, das eine Tiefgarage und eine Bebauung möchte.
Christian Baumgart: Inhaltlich ist der Unterschied zwischen den Positionen doch klar. Für mich und eine deutliche Stadtratsmehrheit ist eine lebendige Innenstadt und ein lebendiger Platz mehr als ein rein grüner Platz. Eine lebendige Innenstadt zeichnet sich durch Erreichbarkeit, Aufenthaltsqualität, Handel und Wandel und auch durch ein Wechselspiel aus bebauten und freien Flächen aus.
Plätze sind in der Regel gefasst, haben Platzkanten und eine verkehrliche Abschirmung. Es macht Sinn, auch auf dem Garagendeckel Grünflächen und Baumpflanzungen zu haben, aber ich halte es auch für richtig, dort ein geordnetes Wegesystem und klare Oberflächen und Gestaltungselemente zu haben. Das alles liegt unserer Planung zugrunde. Klar sind die architektonischen Details des Eckgebäudes noch nicht entschieden. Aber hinter seiner Größe hat sich die Mehrheit versammelt, sonst gäbe es das Ratsbegehren nicht.
Herr Friedl, warum reicht Ihnen das nicht?
Friedl: Die Tiefgarage ist eine Platzversiegelung, die nur relativ schmächtiges Grün erlaubt. Wenn sie Plätze über Tiefgaragen anschauen, dann wachsen da kümmerliche Bäumchen. Für richtige Bäume braucht man laufende Bewässerung.
Baumgart: Bewässern müssen sie künftig alles, was es an Stadtgrün gibt. Mit einem Substrataufbau von etwa 1,20 können auf der Tiefgarage Bäume bis zu neun Meter hoch werden. Drei große, raumprägende Bäume stehen außerdem bewusst außerhalb der Tiefgarage.
Friedl: Die Stadt hat ja alles dafür getan, dass er nicht wahrgenommen wird. Warum nennen Sie das Ding „grüner Platz“ und „Innenstadt für alle“? Sie stellen die Erreichbarkeit der Innenstadt in Frage – obwohl es gerade mal um den Wegfall von 70 Parkplätzen geht.
Baumgart: Wenn Sie das Stadtklima in Frage stellen, können Sie das natürlich auch mit der Erreichbarkeit tun.
Friedl: Ich sage doch nur folgendes, wenn die Erreichbarkeit das zentrale Argument ist, darf man es nicht „Grünen Platz“ und „Innenstadt für alle“ nennen darf. Wenn man eine klare Entscheidung für die Erreichbarkeit der Innenstadt will, hätte man das auch im Titel deutlich formulieren können. Dann hätten Sie das Ratsbegehren „Tiefgarage für alle“ nennen müssen.
Baumgart: Für den unbeteiligten Bürger, der sich bislang nicht damit beschäftigt hat, kommen die Dinge natürlich sehr ähnlich daher. Die Platzsituation ist ja auch bei beiden Vorschlägen ähnlich, weil die Fortführung der Ludwigstraße wegfallen soll. Es bleibt der Unterschied zwischen der städtischen Ausprägung eines gestalteten Platz mit einem Gebäude und der Tiefgarage und dem reinen, freien Grün.
Baumgart: Darüber habe ich keine Erkenntnis, weil ich in die Köpfe derer, die das entschieden haben nicht reingucken kann. Ich halte die Darstellung im Grundsatz nach für plausibel und nachvollziehbar. Wer sich die Zeit nimmt, erkennt die Unterschiede.
Unterscheiden sich die beiden dargestellten grünen Plätze in Ihrer Klimawirkung überhaupt?
Friedl: Auf dem Platz stehen heute sieben Großbäume mit einer großen Verdunstungs- und damit Kühlleistung. Damit ist die Klimawirkung heute schon besser, als die, die mit dem Ratsbegehren kommen würde.
Baumgart: Was? Im Leben nicht.
Friedl: Erst einmal ist sie besser. Wenn sie kleine Bäume darauf stellen, dauert es Jahre, bis sie diese Leistung haben. Und solange muss man im Sommer mit 10 000 Litern Trinkwasser am Tag wässern. Wir wollen die sieben Großbäume erhalten und dazu Raum für weitere schaffen. Die werden bis 20 Meter hoch. Die Frage ist deshalb: Wollen wir einen Stadtpark oder gestaltete Plätze.
Wie könnte denn dieser kleine Stadtpark genutzt werden?
Friedl: Es gibt gute Möglichkeiten innerstädtische, auch kleine, Parks mit hoher Aufenthaltsqualität zu gestalten. Beispiele dafür existieren in vielen europäischen Städten.
Baumgart: Es gibt sie überwiegend in historisch gewachsenen Situationen, sie sind überwiegend gefasst bis eingezäunt und nieein Ersatz für Stadträume, die auch Plätze sind. Der gewollte, gekünstelte Hauruck-Park ist nicht die Antwort auf städtische Herausforderungen von Plätzen!
Baumgart: Ich glaube nicht, dass wir es gebraucht haben. Wir haben die Variante 8 (Anmerkung der Redaktion: acht verschiedene Varianten der Platzgestaltung hat das Baureferat ausgearbeitet und 2016 dem Stadtrat vorgestellt) weiterentwickelt. Für die Variante 8 habe ich im Stadtrat eine Mehrheit gespürt, in diese Richtung sollte auch der städtebauliche Wettbewerb gehen. Wir haben uns dann weiter in der Stadtbildkommission damit beschäftigt, sind aber letzten Endes von der Einreichung der Unterschriften überholt worden. Ich sehe in der Aufeinander-zu-Bewegung überhaupt nichts Negatives.
Friedl: Das habe ich auch nie behauptet. Es sind aber noch viele Fragen ungelöst: Was wird es kosten die Tiefgarage um die eineinhalb Meter tiefer zu legen, die sie tiefer gelegt werden soll, um darauf etwas pflanzen zu können? Gibt es andere Probleme im Untergrund oder – und da bin ich mir ziemlich sicher – bei der Verkehrsführung? Da kann es noch viel Diskussionsstoff geben.
Baumgart: Das gilt aber für alle.
Baumgart: Man muss einfach festhalten, dass sowohl ein gewonnener Ratsentscheid wie auch ein gewonnener Bürgerentscheid wieder den Stadtrat beschäftigen werden.
Friedl: Das ist ein Sonderfall. Die Bürger haben ausdrücklich den Wunsch geäußert, über diesen Platz mit zu verhandeln und die Stadtratsmehrheit will das nicht. Wenn die Bürger ihre Mitbestimmung dann aber trotzdem einfordern, finde ich das normal. Ich verstehe mich auch als Bürger dieser Stadt.
Baumgart: Bürger dieser Stadt bin ich auch, und basisdemokratische Entscheidungen halte ich für völlig legitim und ihre Ergebnisse für wichtig – wenn sie dank einer hohen Beteiligung repräsentativ sind. Deshalb hoffe ich auch, dass sich diese Mal mehr beteiligen, als bei den letzten Bürgerentscheiden
Baumgart: Das erweiterte Theater wird ein weiteres nahes Parkplatzangebot brauchen, und auch der Innenstadt würde an dieser Stelle ein weiteres Parkangebot gut tun.
Friedl: Das kann ich nicht nachvollziehen. Es gibt 19 Parkierungsanlagen in der Innenstadt und weit über 7000 Parkplätze in Laufnähe zum Theater. Außerdem findet Theater abends statt, da gibt es freie Parkplätze.
Baumgart: Ich bitte Sie herzlich: Stellen sie mich nicht in die Ecke der Auto-Freaks! Da gehöre ich nicht hin. Aber sehr wohl stelle ich mich mit Ihnen in die Ecke derjenigen, die Oberflächenparkplätze zugunsten von mehr Stadtqualität weg haben wollen – zum Beispiel am Paradeplatz und hinter dem Dom. Wenn wir das an verschiedenen Stellen tun und punktuell dort Begrünung und Aufenthaltsqualität schaffen, kriegen wir in toto mehr für das Stadtklima als mit diesem Ziergärtchen auf dem Faulhaber-Platz.
Friedl: Aber nicht, solange bei CSU und FDP das Dogma herrscht, dass nirgendwo ein Parkplatz wegkommt, wenn er nicht ersetzt wird. Mit diesem Dogma kann ich Stadtgestaltung mit lebendigen Plätzen und Begrünung, die wir beide wollen, aufgeben. Ziehen Sie mal von den 100 Tiefgaragenplätzen die 70 ab, die dann oben wegfallen, und dann noch die Stellplätze, die für das von Ihnen geplante Gebäude gebraucht werden. Dann bleiben vielleicht zehn – damit räumen Sie noch nicht einmal die paar Parkplätze hinter dem Dom weg. Denn die zählen das nach und fordern dann den Bau der nächsten Tiefgarage. Deshalb ist der Bürgerentscheid wichtig: Die Menschen können zeigen, dass sie nicht an jedem einzelnen Parkplatz hängen, sondern sich stattdessen eine neue Straßenbahnlinie und gute Radwege wünschen, um in die Stadt zu kommen.
Baumgart: Das von ihnen bemängelte Dogma gibt es, auch wenn da durchaus Zwischentöne in den größeren Fraktionen dabei sind. Aber wenn sie das Dogma Parkplätze mit dem Dogma Stadtklima bekämpfen, machen Sie es doch nicht besser. Es gibt eben nicht nur die Bürger, die ÖPNV und Rad benutzen, es sind auch welche auf ihr Fahrzeug angewiesen. Ich bin völlig mit Ihnen einverstanden, dass wir an vielen Stellen in der Innenstadt nachgrünen müssen. Aber an einem städtischen Platz sind auch weitere Nutzungen erlaubt und nicht nur die, dass wir mit diesem Plätzchen die klimatische Welt der Stadt reparieren.
Aber repariert eine Tiefgarage das Problem der Parkplatzsuche? Wer auf der Straße einen finden kann, fährt da gar nicht rein.
Baumgart: Solange es noch Oberflächenparkplätze gibt, ja. Aber nach meinem Verständnis gibt es irgendwann keine mehr.
Friedl: Habe ich gerade richtig gehört?
Baumgart: Ja, ich halte Stadtoberfläche für viel zu . . .
Friedl: . . .wertvoll . ..
Baumgart: . . . .für deutlich zu wertvoll, um sie mit Autos zuzustellen. Deshalb halte ich zentral um die Innenstadt angeordnete Tiefgaragen für sinnvoll, auch um den Parksuchverkehr zu minimieren. Der Faulhaber-Platz ist dafür ein geeignetes Beispiel.
Friedl: Das ist er nicht. Wir brauchen Parkhäuser zum Beispiel am Bahnhof. Aber der Faulhaber-Platz ist aus klimatischen Gründen für die Aufenthaltsqualität und für die Gesundheit derer, die dort leben – nicht derer, die dort parken – von zentraler Bedeutung. Es ist doch kein Dogma, wenn man an einem solchen Ort echte Großbäume will.
Baumgart: Aber irgendwo muss auch mal ein Angebot für eine Parkmöglichkeit in der Innenstadt gemacht werden.
Baumgart: Aus dem städtischen Haushalt. Kosten sind nicht abschließend ermittelt, aber der Kostenfaktor ist erheblich. Demgegenüber steht die Erreichbarkeit der Innenstadt und Einnahmen.
Friedl: Ein Park ist einfach umzusetzen. Bis zum Beginn der Landesgartenschau könnte er da sein. Den Stadtrat, der sich unter diesen Bedingungen nicht an das Votum dieses Bürgerentscheids hält, möchte ich sehen.
Baumgart: In beiden Fällen muss der Stadtrat Millionen von Euro bereit stellen, um den Platz zu vergrößern und Straße, Kanäle und Leitungen zu verlegen. Ob in diesem oder nächsten Jahr oder bei welchen Haushaltsberatungen auch immer.
Zur Person
Patrick Friedl ist seit 2008 für die Grünen im Stadtrat. Der 46-jährige Jurist arbeitet für das evangelischen Beratungszentrum in Würzburg, ist verheiratet und Vater einer Tochter.
Das steht zur Abstimmung:
Bürgerentscheid 1 (Ratsbegehren)
„Grüner Platz: Innenstadt für alle“
Frage: Sind Sie dafür, den Kardinal-Faulhaber-Platz nicht zu veräußern und den jetzigen Parkplatz als begrünte Erholungs- und Freizeitfläche zu vergrößern und umzugestalten, mit einer Tiefgarage und einem zurückhaltenden Gebäude als Abschluss des Platzes im Süden?
Begründung: Keine Veräußerung des Kardinal-Faulhaber-Platzes, inklusive umzuverlegender Straßenräume. Gegebenenfalls Bestellung von Erbbaurechten oder Baukonzessionen für städtische Gesellschaften zum Zwecke der Errichtung einer Tiefgarage oder eines Gebäudes. Aufwertung des städtebaulichen Raumes mit Verweilqualität durch das Anlegen von Ruhe- und Aufenthaltszonen.
Ausreichend Raum für Grünzonen und „echte“ Stadtbäume auch außerhalb möglicher baulicher Einschränkungen (Tiefgarage). Vergrößerung der Erholungs- und Freizeitflächen durch Straßenverlegung. Ersatz der wegfallenden Stellplätze an der Platzoberfläche durch großzügige Tiefgaragenstellplätze.
Direkte Anknüpfung eines attraktiven End- und Ausgangspunktes an die Fußgängerzone Spiegel- und Eichhornstraße mit ergänzenden Angeboten, ohne trennende Straßenquerung.
Randbebauung unter der Voraussetzung einer nachhaltigen Stadtentwicklung und eines respektvollen Umgangs mit der historisch wertvollen Nachbarbebauung.
Einbeziehung des Stadttheaters in den städtebaulichen Kontext durch verbindende Strukturen (Achse Innenstadt-Theater).
Bürgerentscheid 2 (Bürgerbegehren)
„Grüner Platz am Theater“
Frage: Sind Sie dafür, dass die Stadt Würzburg den Kardinal-Faulhaber-Platz nicht veräußert, nicht bebaut und auch nicht bebauen lässt, sondern zum frühest möglichen Zeitpunkt sämtliche rechtlich zulässigen Maßnahmen ergreift, um ihn als innerstädtische Erholungs- und Freizeitfläche zu begrünen und mit Bäumen zu bepflanzen?
Begründung: Die Würzburger Innenstadt braucht dringend mehr Grün.
Die Menschen leiden zunehmend unter Luftverschmutzung und Überhitzung in den Sommermonaten. Die Hitzetage nehmen stetig zu. Dies wird sich durch den Klimawandel noch verschärfen. Die Theaterstraße ist schon heute stark von Feinstaub und Stickoxiden belastet.
Bei der geplanten Erweiterung des Stadttheaters droht die Fällung der Bäume vor dem Theater. Daher ist ein grüner Platz am Theater zur Luftverbesserung und Abschattung dringend nötig. Der Stadt wurde dies durch selbst beauftragte Gutachten bestätigt. An Stelle von Autoparkplätzen wird deshalb der Kardinal-Faulhaber-Platz mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt.
Der neue grüne Platz bildet als kleine Parkanlage einen zum
Verweilen einladenden Ruhepunkt.
Am Rand der Fußgängerzone dient er den Bürgerinnen und Bürgern als attraktiver Aufenthalts- und Begegnungsort, als grüne Oase im Herzen der Stadt
Am Grünen Wesen hat die Welt zu genesen!
Und wenn in Mittelamerika die Bauern durch Palmölplantagen von Alnatura vertrieben werden haben sie wahrscheinlich einfach nicht oft genug Bio gekauft!