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WÜRZBURG
Vor 500 Jahren: Reformation contra Bauernkrieg in Franken
Martin Luther (rechts oben) und die Hl. Schrift triumphieren über Papst Leo X. und die römische Kirche (zeitgenössischer Holzschnitt). Foto: Ulrich Wagner
Foto: Ulrich Wagner | Martin Luther (rechts oben) und die Hl. Schrift triumphieren über Papst Leo X. und die römische Kirche (zeitgenössischer Holzschnitt). Foto: Ulrich Wagner
Von Ulrich Wagner
 |  aktualisiert: 27.04.2023 05:33 Uhr

Widerstand gegen die Kirche war lebensgefährlich: Bücherverbrennungen und Todesurteile konnten für Kirchenkritiker die Folge sein. Doch die Gedanken waren – und sind – frei. Korruption und Sittenlosigkeit der Religionsverwalter veranlassten Martin Luther am 31. Oktober 1517, vor 500 Jahren, in Wittenberg zur publikumswirksamen Veröffentlichung seiner 95 Thesen. Der Kern des Glaubens stellte für ihn die Bibel dar. Die Tragweite der angestrebten Kirchenreform war nicht absehbar. Gegen die Autorität von Papst und Konzilien setzte er auf die Wahrheitsfindung in der Hl. Schrift, und dies wurde in weiten Kreisen durchaus als legitim empfunden.

Der Aufrührer: Thomas Müntzer

Sucht man nach bedeutenden reformatorisch gesinnten Personen im Würzburger Umfeld, so sind u. a. Thomas Müntzer in Thüringen, Andreas Bodenstein aus Karlstadt und Argula von Grumbach aus der Nähe von Regensburg zu erwähnen. Wie Tilman Riemenschneider um 1489 geboren, stammte Müntzer ebenfalls aus dem Harz, wirkte als Priester auf verschiedenen Pfarrstellen, in Orlamünde als Kaplan des Andreas Bodenstein. Vor Luther verfasste er eine deutschsprachige Liturgie, wich in seiner Theologie jedoch von diesem ab, – die Gegenwart war für ihn die Endzeit – und predigte in den Aufstandsgebieten der Bauern im Hegau und im Klettgau.

Im Februar 1525 kehrte er nach Mühlhausen als Pfarrer an der Marienkirche zurück und wirkte beim Sturz des Stadtrates mit. Als Zeichen des „Ewigen Bundes“ ließ er die Regenbogenfahne anfertigen, die auch in Würzburg von den aufständischen Bauern beim zweimaligen erfolglosen Sturm auf die Burg mitgeführt wurde. Um das Reich Gottes real umzusetzen, zog er am 15. Mai 1525 mit dem militärischen Aufgebot der Stadt Mühlhausen in die letzte Schlacht, predigte seiner Schar ihren unmittelbar bevorstehenden Sieg als Auserwählte und wurde nach der vernichtenden Niederlage vor den Toren der Stadt hingerichtet.

Der Gelehrte: Andreas Bodenstein

Andreas Bodenstein, auch Karlstadt genannt, Doktor der Theologie, Priester und Doktorvater Luthers, war anfangs einer seiner eifrigsten Mitstreiter, dann auch dessen großer Rivale.

Noch vor ihm veröffentlichte er in Wittenberg seine Thesen, die teilweise von Luther übernommen wurden. Mit Flugschriften fachte er die neue evangelische Lehre an und verbreitete sie. Das Fegefeuer lehnte er jedoch ebenso wie Luthers Abendmahllehre ab. Aufgrund seiner radikalen Predigten und seines Aufrufs zum Bildersturm geriet er in Konflikt zu den sächsisch-kurfürstlichen Räten.

Luther zeigte Bodenstein beim Kurfürsten an, so dass er aus Sachsen ausgewiesen wurde. Über Rothenburg ob der Tauber setzte er sich 1525 nach der Niederlage der Bauern als Wanderprediger nach Basel ab, wo er als Universitätsprofessor lehren konnte. Er verstarb 1541 an der Pest. In seiner Heimatstadt Karlstadt hat er in der Andreaskirche auf der von Tilman Riemenschneider geschaffenen, bis heute erhaltenen steinernen Kanzel reformatorisch gepredigt.

Die Mutige: Argula von Grumbach

Argula von Grumbach, Hoffrau in München, kam im Alter von 18 Jahren durch ihre Heirat mit dem fränkischen Adligen Friedrich von Grumbach 1516 in Beziehungen zu Franken. 1522 schenkte Luther ihr sein „Betbuchlin“ mit handschriftlicher Widmung. Als ein Wittenberger Student an der Universität Ingolstadt seinem evangelischen Glauben abschwören sollte, protestierte sie schriftlich, worauf ihr Mann von den bayerischen Herzögen entlassen wurde. Sie verlegte ihren Wohnsitz nach Burggrumbach und Zeilitzheim. 1530 traf sie Luther in Coburg und besuchte den Reichstag in Augsburg.

In Würzburg freundete sie sich mit Paul Speratus, dem reformatorisch gesinnten Prediger am Würzburger Dom, und dem Würzburger Stadtschreiber Martin Cronthal an. Cronthal, der mit Luther in Briefkontakt stand, unterstützte sie bei der Bewirtschaftung ihrer Weinberge. Als ihr Mann starb, schuf Riemenschneider dessen Grabmal. In ihren mit circa 30 000 Exemplaren weit verbreiteten Flugschriften entwarf sie Reformvorschläge für die bayerische Kirche, die Erziehung der Jugend und protestierte gegen die Zensur evangelischer Schriften. Weder Bauer noch Weib seien vom Geiste Gottes ausgeschlossen, so ihr Diktum. Luthers Lehre vom allgemeinen Priestertum gelte auch für die Frauen.

Argula, erste evangelische Schriftstellerin in Europa, initiierte eine Bewegung von Laien, die Widerstand leisteten und in Franken kleine evangelische Gemeinschaften begründeten. Von kirchlichen Kreisen und Historikern wird sie heute als frühe Feministin gewürdigt. Wie vielfache Einzelhinweise belegen, verbanden sich die reformatorischen Ideen mit den Forderungen der aufständischen Bauern. In deren zentralem Dokument, den Memminger „Zwölf Artikeln“, formulierten sie mit Bezug auf das Wort Gottes ihre Forderungen, darunter Wahl der Pfarrer durch die Gemeinde, Minderung der Abgaben und Abschaffung der Leibeigenschaft. Die ungleiche Lastenverteilung und die wirtschaftlich schwierige Lage der Bauern sollten grundlegend verbessert werden.

Wie in den Bildwerken Tilman Riemenschneiders zu sehen, sollte die grausame Wirklichkeit, die kriegserfüllte Aktualität in eine heile Gegenwelt umgeformt werden. Eine christliche Obrigkeit war zu akzeptieren und als Endziel eine Neuordnung der Gesellschaft anzustreben. Die Bauern beriefen sich auf Lehre und Charisma Luthers, doch dieser versagte die Umdeutung seiner Predigten. Die gewaltsame und blutige Aufstandsbewegung lehnte er strikt ab.

Der Klerus war gespalten, ein beträchtlicher Teil war akademisch gebildet und profitierte von der hohen Abgabelast der Bauern und Bürger, ein anderer Teil wurde zum maßgeblichen Träger der Reformation. Insgesamt belegen die expandierenden Ereignisse in Bauernkrieg und Reformation ein unbändiges Streben nach Freiheit, Wahrheit und Gerechtigkeit.

Systematisch brannten die aufständischen Bauern die Burgen, Zentralen adliger Herrschaft, nieder, plünderten Klöster und Kirchen, an die hohe Abgaben zu leisten waren. Foto: Hauptstaatsarchiv München
Foto: Ulrich Wagner | Systematisch brannten die aufständischen Bauern die Burgen, Zentralen adliger Herrschaft, nieder, plünderten Klöster und Kirchen, an die hohe Abgaben zu leisten waren. Foto: Hauptstaatsarchiv München
Kanzel vom Tilman Riemenschneider in St. Andreas in Karlstadt. Foto: Ulrich Wagner
Foto: Ulrich Wagner | Kanzel vom Tilman Riemenschneider in St. Andreas in Karlstadt. Foto: Ulrich Wagner
Andreas Bodenstein. Foto: Stadtgeschichtliches Museum Karlstadt.
Foto: Ulrich Wagner | Andreas Bodenstein. Foto: Stadtgeschichtliches Museum Karlstadt.
Bildersturm in einer Kirche (Holzschnitt Straßburg, 1525). Foto: Ulrich Wagner
Foto: Ulrich Wagner | Bildersturm in einer Kirche (Holzschnitt Straßburg, 1525). Foto: Ulrich Wagner
 
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