Wer war Andreas Bodenstein? Ein Bilderstürmer, ein Schwärmer bloß oder doch ein bedeutender Reformator? Geboren wurde der – zeitweise – Weggefährte von Martin Luther 1486 in Karlstadt. Das Geburtshaus von Bodenstein, der sich später nach seiner Geburtsstadt benannte, wurde Anfang der 60er Jahre abgerissen. Nur eine Tafel mit dem Hinweis an dem Haus in der Alten Bahnhofsstraße deutet auf den Reformator hin. Zum Jahrestag der Reformation– vor 500 Jahren heftete Martin Luther seine Thesen an die Wittenberger Kirchentür – widmet Karlstadt dem bedeutenden Sohn der Stadt eine Ausstellung (siehe Kasten).
Wolfgang Merklein, Vorsitzender des Historischen Vereins Karlstadt, hat sich ausführlich mit Bodensteins Leben beschäftigt. Zu Unrecht sei Bodenstein jahrhundertelang als Irrlehrer abgestempelt worden. Dass die ganze Welt Luther kennt und Bodenstein ihm gegenüber nur eine Randfigur ist, hat nach Merkleins Überzeugungen einen einfachen Grund. „Luther war die deutlich charismatischere Figur, er war wortgewaltiger als Bodenstein.“ In seinem ganzheitlichen Ansatz sei Bodenstein Luther aber voraus gewesen.
Thesenanschlag vor Luther
Martin Luther, der heute als der Reformator schlechthin gilt, schlug seine 95 Thesen am 31. Oktober 1517 an der Schlosskirche zu Wittenberg an. Dies gilt als Beginn der Reformation. Bodenstein sei aber Luther zuvorgekommen. Sein Thesenanschlag am 26. April 1517 – ein halbes Jahr vor Luther – ist geschichtlich verbürgt. Mit 152 Thesen ging Bodenstein an die Öffentlichkeit, mit denen er sich an die Spitze der reformatorischen Bewegung setzte. Diese hat er auch an die Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen. Thesen an der Kirchentüre publik zu machen, war damals ein übliches akademisches Verfahren. Bodenstein alias Dr. Karlstadt war in Wittenberg Dekan und stand im Rang über Martin Luther.
1518 kam es zur Leipziger Disputation. Das heftige theologische Streitgespräch machte Luther zur prägenden Figur der Reformation. Zunächst diskutierte der Theologieprofessor Johannes Eck als Vertreter der Papstkirche mit Bodenstein über kirchliche Grundsätze.
Die erste Messe auf Deutsch
Bodenstein war Eck aber nicht gewachsen. Und so übernahm im Verlauf der Disputation Luther die Wortführung. Der Streit zwischen katholischer Kirche und den Reformatoren konzentrierte sich zunehmend auf Martin Luther. Dazu trug später dessen berühmter Auftritt vor dem Wormser Reichstag bei, als er vor dem Kaiser Karl V. seine Lehre widerrufen sollte, aber, so wird erzählt, mit den Worten widerstand: „Hier stehe ich und kann nicht anders.“ Luther hatte mit Kurfürst Friedrich von Sachsen einen mächtigen Verbündeten.
Gegen das Zölibat
Während Luther sich auf der Wartburg verstecken musste und als Junker Jörg die Bibel übersetzte, setzte Andreas Bodenstein in Wittenberg sein reformatorisches Wirken fort. Unter anderem feierte Dr. Karlstadt Weihnachten 1521 eine Messe auf Deutsch und in weltlicher Kleidung. Es erschien sein Traktat, mit dem er sich gegen das Zölibat richtet – denn nirgendwo in der Bibel stehe geschrieben, dass Pfarrer nicht heiraten dürfen. Bodenstein heiratete. Er wandte sich auch gegen Bilder in der Kirche. Diese würden von der Andacht ablenken und nichts, so der Kern der reformatorischen Thesen, solle zwischen den Gläubigen und Gott stehen.
Doch diese Veränderungen führten zu Unruhe und Missstimmung in der Bevölkerung. Um die Lage zu beruhigen, rief Kurfürst Friedrich Martin Luther von der Wartburg zurück nach Wittenberg. Luther riss die Zügel der Reformbewegung an sich, predigte gegen den Aufruhr. Karlstadt wurde verpflichtet, die Messe wieder im Ornat und in alter Tradition zu halten. Missmutig reifte bei Bodenstein-Karlstadt daher der Entschluss, die akademische und klerikale Karriere in Wittenberg zu beenden.
Kurz zurück in der alten Heimat
Doch seinen Überzeugungen blieb er treu und versuchte sie als Gemeindepastor in Orlamünde (heutiges Thüringen) zu verwirklichen. Er setzte das Reformmodell des Laienchristentums um. Er ließ Bilder und Skulpturen aus der Kirche entfernen und verzichtete auf Zehntabgaben des Kirchenvolks. Bodenstein führte Gesprächskreise zur Vertiefung des Glaubens und zur Auslegung der Bibel ein, schaffte die Kindertaufe ab und feierte das Abendmahl mit Brot und Wein. Und wieder geriet Bodenstein-Karlstadt in Konflikt mit Luther, der in ihm einen Anhänger Thomas Münzer sah. Luther betrieb dessen Absetzung und Ausweisung.
Für Andreas Bodenstein begann eine schwere Zeit. Er ging auf Wanderschaft durch verschiedene Städte. Unter anderem fand er in Rothenburg ob der Tauber Unterschlupf und hielt sich auch wieder kurze Zeit in Karlstadt auf, der Stadt seiner Kindheit. Hier feierte er 1525 die erste evangelische Predigt in der Pfarrkirche St. Andreas. Nach vielen Stationen – zwischenzeitlich gab es auch eine Aussöhnung mit Luther – kam er schließlich als Dozent und Pfarrer nach Basel und wurde Rektor der dortigen Universität. Er starb hier in der Weihnachtsnacht 1541 an der Pest. Mit Informationen von hele
Ausstellung zu Bodenstein in Karlstadt
Das Stadtmuseum Karlstadt widmet Andreas Bodenstein, der sich nach seiner Geburtsstadt Karlstadt benannte, eine Ausstellung. Sie zeigt Leben und Werk des Luther-Weggenossen. 21 Texttafeln, illustriert mit Bildern und Dokumenten, informieren über Bodensteins Leben. Gezeigt werden Originaldrucke sowie Objekte aus jener Zeit aus Karlstadt und der Nachdruck einer Lutherbibel aus dem 17. Jahrhundert, eine Leihgabe aus dem Stadtarchiv Kitzingen.
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10–13 und 14–18 Uhr. Samstag 10–13 und 15 bis 17.30 Uhr. Sonntag 10–12 und jeweils am ersten Sonntag auch 14–18 Uhr. Die Ausstellung dauert bis 31. Oktober. Eröffnung ist an diesem Donnerstag, 6. April, 18 Uhr.