Edith Ballhaus hat sich für Barbara Stamm schon engagiert, als deren Karriere noch lange nicht absehbar war. "1974 im Landtagswahlkampf", erinnert sie sich, da habe sie an den CSU-Infoständen Werbung für die junge Erzieherin gemacht, "damit auch mal eine Frau in den Landtag kommt". An diesem Sonntagmorgen hat sich Ballhaus ins Defilee im Vogel Convention Center (VCC) eingereiht, um der früheren Sozialministerin, Landtagspräsidentin und stellvertretenden CSU-Vorsitzenden zum 75. Geburtstag zu gratulieren.
- Lesen Sie auch: Barbara Stamm ist 75: Beim Karteln bleibt sie Frau Präsidentin
Weit über 1000 Menschen sind gekommen: Ehemann Ludwig eigens aus der Reha, die drei Kinder und die sieben Enkel, viele Freunde und Weggefährten. Und die politische Prominenz mit dem CSU-Vorsitzenden, Ministerpräsident Markus Söder, an der Spitze. Fast das halbe bayerische Kabinett hat er mitgebracht. Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein ist auch da. Und von der Leinwand grüßt in einem Video CSU-Übervater Franz Josef Strauß, der Stamm 1987 als Staatssekretärin in sein Kabinett geholt hatte. Nicht in echt natürlich, sondern parodiert von Helmut Scheich. Tochter Claudia, die frühere Grünen-Abgeordnete, hatte den Kabarettisten für den Spaß gewinnen können.
Söder: "Stamm ist die CSU-Vorsitzende der Herzen"
Söder würdigt das politische Lebenswerk Barbara Stamms als "soziales Gewissen", als Kämpferin für die Familien, für sozial Benachteiligte, für Menschen mit Behinderung. Leicht habe sie es der CSU nicht immer gemacht - und umgekehrt. Offiziell CSU-Vize, sei die Würzburgerin die "Parteivorsitzende der Herzen" gewesen, so der Ministerpräsident. Gut gelaunt fügt er hinzu: "Vielleicht war ihre Ausbildung zur Kindergärtnerin genau das Richtige, um in der Männerpartei CSU erfolgreich zu sein."
Ob Söder da schon weiß, dass sich für den Nachmittag, just nach seinem Abgang im VCC, ein Überraschungsgast angekündigt hat? Horst Seehofer, der Söder-Vorgänger, der sich im Freistaat mittlerweile weitgehend rar gemacht hat, lässt es sich nicht nehmen, "eine der größten Persönlichkeiten in der bayerischen Nachkriegsgeschichte" persönlich zu beglückwünschen. Die 75-Jährige ist sichtlich gerührt. Immer wieder hatte sie zuletzt damit gehadert, dass der Gesprächsfaden zu Seehofer angesichts des Streits um die Flüchtlingspolitik gerissen war. Und es ist typisch Stamm, wenn sie dem Bundesinnenminister jetzt angesichts dessen Ansage, 25 Prozent der aus Seenot geretteten Bootsflüchtlinge in Deutschland aufzunehmen, zuruft: "Horst, es waren nicht immer einfache Zeiten zwischen uns. Aber was Du jetzt machst, ist alles richtig. Da werde ich Dich unterstützen."
Der Papst verleiht Stamm den Gregoriusorden
Für einen weiteren Gänsehaut-Moment an diesem Vormittag sorgt Bischof Franz Jung. Gemeinsam mit Domkapitular Clemens Bieber heftet er Stamm den Gregoriusorden an, eine der höchsten Auszeichnungen des Papstes, für ihre Verdienste um die katholische Kirche, allen voran um die Caritas, ans Revers. "Eine tolle Geste", freut sich im Publikum Hans Maier. Der 88-Jährige war von 1970 bis 1986 bayerischer Kultusminister und von 1976 bis 1988 Vorsitzender des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken. Gemeinsam mit Barbara Stamm und anderen kämpfte er vor 20 Jahren vergeblich gegen den Ausstieg der katholischen Kirche aus der Schwangerenberatung. Die Gründung des Hilfswerks Donum Vitae war die Folge. Der Orden für Stamm sei ein Zeichen, sagt Maier, das auch andere Laien ermutigen könne, sich trotz aller Kritik in der katholischen Kirche zu engagieren. Barbara Stamm erweist sich derweil auch im Moment der Ordensverleihung als wacher Geist. Ausdrücklich ermuntert sie den Bischof, bei der Aufklärung der Missbrauchsfälle weiter voranzuschreiten.
Spätes Glück mit der "Schwester"
Ein privater Gast beim Empfang ist Elsa Prinz aus Bad Mergentheim. 2003 erst hat die heute 70-Jährige erfahren, dass Barbara Stamm das Mädchen war, das in ihrer Familie die ersten acht Jahre ihres Lebens als Pflegekind verbracht hatte. Mittlerweile genießen die beiden ihren "schwesterlichen Kontakt" abseits der Politik, soweit es der nach wie vor volle Terminkalender der ehemaligen Landtagspräsidentin möglich macht. "Schön, dass wir uns wieder kennenlernen konnten."
Edith Ballhaus, die Wegbegleiterin aus den Anfangsjahren, blickt derweil mit "großem Respekt" auf die Karriere, die Barbara Stamm in all den Jahren hingelegt hat. Zu erwarten sei das in den 70er Jahren sicher nicht gewesen, sagt sie. Ob sie ein Erfolgsrezept ausmachen kann? "Ich mag sie, weil sie ehrlich ist. Sie lacht einen nicht nur einfach an, ihre Augen gehen mit. Ich glaube, das merken auch andere Menschen."
Man muss auch gönnen können.