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Würzburg
Viren, Bakterien, Pilze: Riesenschub für Infektionsforschung an der Universität Würzburg mit Millionenförderung
Corona hat gezeigt, wie wichtig Wissenschaft im Kampf gegen Infektionskrankheiten ist. Wie Würzburger Forscher dazu nun einen neuen Sonderforschungsbereich starten.
Prof. Thomas Rudel ist Inhaber des Lehrstuhls für Mikrobiologie an der Universität Würzburg und verantwortlich für den neuen Sonderforschungsbereich.
Foto: Ulises Ruiz Diaz | Prof. Thomas Rudel ist Inhaber des Lehrstuhls für Mikrobiologie an der Universität Würzburg und verantwortlich für den neuen Sonderforschungsbereich.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:21 Uhr

Der Kampf gegen Bakterien und Viren: Nie wurde er global dramatischer und intensiver geführt als in den vergangenen drei Pandemiejahren. Wobei dieser Kampf nicht neu ist. Ständig werden gegen Infektionskrankheiten Wirkstoffe wie Antibiotika entwickelt und verändert, lange Zeit mit großem Erfolg. Doch auch die Erreger passen sich an, sind immer häufiger gegen verabreichte Mittel resistent. Ist das "Wettrüsten" also überhaupt zu gewinnen? 

Strategiewechsel: Erreger nicht direkt angreifen, sondern den Wirt stärken

Professor Thomas Rudel hat da seine Zweifel – und deshalb setzt der Leiter des Lehrstuhls für Mikrobiologie im Biozentrum der Universität Würzburg auf einen Strategiewechsel, der an die Immuntherapie erinnert: Man greift den Erreger nicht mehr direkt an. Stattdessen stärkt man seinen Wirt – also den Menschen – in einer Weise, die krankmachende Viren, Bakterien oder Pilze ins Leere laufen lässt. Es käme gar nicht erst zur Infektion, oder sie hätte keine schwerwiegenden Folgen.

Damit dies gelingt, müssen die Forscher noch Vieles verstehen. Topaktuell sind Fragestellungen wie: Warum ist eigentlich das Coronavirus SARS-CoV2 für alte Menschen so viel gefährlicher als für junge? Und warum attackiert das RS-Virus kleine Kinder so viel stärker als Erwachsene? Welche Rolle spielt das Gewebe dabei? Warum infiziert sich beim gleichen Erreger der eine – und die andere nicht?

Diesen Zusammenhängen von Erregern, Gewebe und Immunsystem will Mikrobiologe Thomas Rudel gemeinsam mit 25 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Würzburg auf die Spur kommen. Sie alle sind Spezialisten für bestimmte Erreger oder Verfahren, ihr Knowhow aus Biologie, Medizin und Informatik wird jetzt in einem neuen Sonderforschungsbereich (SFB) gebündelt: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die insgesamt 17 Einzelprojekte gerade mit einer Förderung von 13 Millionen Euro für vier Jahre bewilligt. Eine zweimalige Verlängerung um jeweils weitere vier Jahre ist möglich.

Was Infektionskrankheiten angeht, ist Würzburg damit noch markanter auf der nationalen und internationalen Forschungslandkarte platziert. Eine Art Ritterschlag, nicht nur finanziell. SFBs gelten als zukunftsträchtige Konzentrate der Spitzenforschung, nicht selten entstehen daraus Projekte im Rahmen der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern.

Aktuell sind an der Julius-Maximilians-Universität als alleinigem Träger nur zwei weitere Sonderforschungsbereiche angesiedelt – in der Kardiologie zur Erforschung von Herzerkrankungen (seit 2022) und in der Festkörperphysik (seit 2015), hier geht es um Elektronik in Ober- und Grenzflächen. Daneben ist die Uni mit anderen Standorten zusammen an elf weiteren Sonderforschungsbereichen überwiegend aus der Medizin beteiligt.

Auch das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) ist an dem neuen Sonderforschungsbereich beteiligt, hier Doktorand Marco Antonio Olguín Nava in einem Labor. 
Foto: Daniel Peter | Auch das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) ist an dem neuen Sonderforschungsbereich beteiligt, hier Doktorand Marco Antonio Olguín Nava in einem Labor. 

Die Infektionsforschung ist in Würzburg traditionell stark, 1993 wurde ein eigenes Zentrum dafür gegründet, bereits 2003 erhielt man einen Sonderforschungsbereich zur Entdeckung neuer Wirkstoffe gegen Infektionskrankheiten. 2017 folgte das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) als außeruniversitäre Einrichtung. Mit ihr arbeitet der neue SFB ebenso zusammen wie mit den Max-Planck-Forschungsgruppen für Systemimmunologie und der Uniklinik in Würzburg, dem Helmholtz-Institut in Braunschweig, der TU Berlin und der Uni Münster. 

Ziel der Forschenden: Bedingungen für Infektionen besser verstehen

Rund 400 Seiten dick war der Antrag für den neuen Sonderforschungsbereich "DECIDE". Der Titel steht für "Decisions in Infectious Diseases" – denn es geht genau um diese Entscheidungsprozesse, die im Körper ablaufen: Wann wird aus dem Erregerkontakt überhaupt eine Infektion? Warum bleibt sie das eine Mal lokal begrenzt oder führt ein anderes Mal zu systemischen Erkrankungen wie häufig bei Covid-19? Und verschwinden die Erreger wieder oder nisten sie sich chronisch im Körper ein?

Das Besondere dieser Forschungsinitiative laut Rudel: Man konzentriert sich nicht auf einen bestimmten Erreger, sondern kombiniert Arbeiten zu verschiedenen Bakterien, Viren und Pilzen, die beim Menschen Infektionen verursachen. Thomas Rudel selbst ist Experte für Chlamydien, einer der häufigsten Erreger von Geschlechts- und Augenkrankheiten. Sein Fachwissen dazu hat er aus Berlin mitgebracht, wo er bis zu seinem Wechsel nach Würzburg 2008 am Max-Planck-Institut für Infektionsforschung tätig war.

Der Infektionsbiologe spricht von "Langstreckenlauf": Am Ende des Förderzeitraums des neuen SFB könnte eine vorklinische Phase mit der Entwicklung neuartiger Therapien stehen, zum Beispiel an der Würzburger Universitätsklinik. Ein Sonderforschungsbereich sei besonders für Nachwuchsforscher attraktiv, sagt Rudel: "Er ist strukturbildend, er prägt einen Standort." Und er könnte helfen, talentierte junge Wissenschaftler auch dauerhaft in Würzburg zu halten. 

Der Sonderforschungsbereich im Internet: www.crc-decide.de/de

 
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Kommentare
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  • kaleos
    Klingt gut, aber das nützt den Hinterbliebenen leider überhaupt nichts, wenn Patienten an Viren versterben die sie sich in der Klinik geholt haben.
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  • Meinungsvertreter
    Mit dieser „Logik“ müsste man sofort jede medizinische Forschung einstellen. Schon mal daran gedacht, dass man mit den Erkenntnissen zukünftiges Leid vermeiden kann?
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