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WÜRZBURG
Vertriebenen-Feier: Rednerin sorgt für Kritik
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:58 Uhr

Auch in diesem Jahr begeht der Bund der Vertriebenen (BdV) am 3. Oktober einen „Tag der Heimat“, das Leitthema lautet „Identität schützen – Menschenrechte achten“. Die Sudetendeutsche und alle anderen Landsmannschaften laden ihre Mitglieder und die Öffentlichkeit zu der Feier ab 14 Uhr ins Pfarrzentrum Heiligkreuz in die Zellerau ein.

Die Festansprache hält die langjährige Bundesvorsitzende der Vertriebenen und heutige Ehrenpräsidentin Erika Steinbach. Und genau wegen ihr kommt SPD-Stadtrat Heinrich Jüstel nicht zum „Tag der Heimat“.

Jüstel ist Mitglied der Seliger-Gemeinde sozialdemokratischer Sudetendeutscher. Ein Problem mit Steinbach hat er aber nicht wegen deren Parteibuch – sie ist seit 1974 in der CDU und vertritt die Union seit 1990 im Bundestag, unter anderem als Sprecherin für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Was Jüstel sauer aufstößt, sind fremdenfeindliche und geschichtsklitternde Äußerungen Steinbachs.

Erst Anfang des Jahres schürte sie Ängste vor einer Überfremdung: Sie hatte über den Kurznachrichtendienst Twitter mit der Überschrift „Deutschland 2030“ ein Bild gepostet, in dem ein blondes Kind von dunkelhäutigen Jugendlichen umringt und bestaunt wird: „Woher kommst Du denn?“

Fremdenfeindlich auf Twitter

Dieser öffentliche Tweet trug Steinbach scharfe Kritik unter anderem vom Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ein. Dass Steinbach die AfD für koalitionsfähig hält und Polen eine Mitschuld am Ausbruch des 2. Weltkrieges gab, hat die frühere BdV-Vorsitzende in den Augen von SPD-Mann Jüstel „derart diskreditiert, dass sie beim besten Willen nicht mehr als Festrednerin in Betracht kommt.“ Dies schreibt Jüstel an den BdV-Kreis- und Bezirksvorsitzenden Albert Krohn.

Erst vor zwei Jahren war es zu einem Eklat gekommen, weil die Vertriebenen mit Michael Paulwitz einen Republikaner-Funktionär und rechtspopulistischen Publizisten als Festredner zum „Tag der Heimat“ eingeladen hatten.

Die Stadt Würzburg sagte nach Bekanntwerden einen Empfang im Rathaus ab.

Jüstel zeigt sich gegenüber der Redaktion verärgert, das der Bund der Vertriebenen in Würzburg wiederholt Repräsentanten „von Rechtsaußen“ aufbietet. Erika Steinbach polarisiere statt auszugleichen. Dabei müsse das Thema der Vertreibung differenziert, mit Ursache und Wirkung gesehen werden. Hierfür gebe es breites Repertoire an möglichen Rednern.

Jüstels Parteikollege Volkmar Halbleib dagegen hat für die Feier zugesagt. Der Ochsenfurter Landtagsabgeordnete und vertriebenenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion hält die Wahl Steinbachs für vertretbar. Ja, sagt er auf Anfrage, Steinbach habe häufig durch eigenes Zutun „extrem polarisiert“. Er selbst kritisiert Äußerungen von ihr wie zuletzt zur Zuwanderungspolitik. Andererseits habe sie sich Verdienste erworben, etwa bei der Gründung des Zentrums gegen Vertreibungen, gemeinsam mit dem früheren SPD-Politiker Peter Glotz.

„In meinem Grußwort werde ich deutlich machen, dass die Vertriebenen Brückenbauer zu den osteuropäischen Staaten sind und nur ein gemeinsames Europa neue Nationalismen verhindern kann“, so Halbleib.

Im Würzburger Rathaus sieht man – anders als vor zwei Jahren – keinen Handlungsbedarf: Ein Empfang für die Landsmannschaften findet am 3. Oktober wie geplant im Wenzelsaal statt. Steinbach soll ohnehin erst danach zur Feierstunde in Heiligkreuz eintreffen. Auch Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) will manche Äußerungen Steinbachs in den sozialen Netzwerken nicht teilen. Aber „sie ist seit 1990 Mitglied des Bundestages für die CDU und somit vollkommen im demokratischen Spektrum.“

Zum Tag der Heimat laden alle Landsmannschaften im BdV ein, besonders stark vertreten sind die Sudetendeutschen. Deren Bezirksobmann und stellvertretender BdV-Landesvorsitzende Alfred Kipplinger steht zu der Einladung von Erika Steinbach, die im BdV-Bezirksvorstand einstimmig beschlossen wurde. „Sie ist eine verdiente und wichtige Persönlichkeit, in der Vergangenheit wurde sie teils unqualifiziert angegriffen.“

Gleichwohl räumt Kipplinger ein, dass auch er nicht glücklich ist über Steinbachs Haltung und zuletzt gemachte Äußerungen im Kontext der aktuellen Flüchtlingskrise.

„Sie hat ihr Amt gut geführt“

Dagegen wundert sich der Würzburger Kreisvorsitzende und Bezirksvorsitzende der Vertriebenen über Jüstels Protest. „Übertrieben empfindlich“ sei dessen Reaktion, „ich kann die Empörung nicht nachvollziehen“, sagte Albert Krohn am Mittwoch der Redaktion.

Nach dem Landesvorsitzenden Christian Knauer im vergangenen Jahr habe er nun die langjährige Bundesvorsitzende der Vertriebenen eingeladen. „Sie hat ihr Amt gut geführt, das reicht“, erklärt Krohn zu seinem Personalvorschlag für die Festrede. Das von Steinbach zur Flüchtlingsfrage getwitterte Bild findet der BdV-Bezirkschef „harmlos“ und „nicht rassistisch“. Krohn: „Die Geschichte wurde hochgespielt.“

 
 
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  • U4564@gmx-ist-cool.de
    ist das so, als wenn ein Metzger eine Rede beim Vegetariertreffen halten würde.
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  • jebusara@web.de
    ist eine der Wenigen die immer wieder an das Unrecht das seinerzeit mit den Sudetendeutschen geschah erinnert und darum vielen Leuten ein Dorn im Auge. Sie sagt offen die Wahrheit, schonungslos, genauso schonungslos wie man seinerzeit mit den Heimatvertrieben umging.

    Ihr Name ist ein Begriff! Aber wer bitte ist Herr Jüstel?
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  • Lebenhan1965
    Der Name Erika Steinbach ist ein Begriff der der Versöhnung mit Deutschlands östlichen Nachbarn im Wege steht!
    Das Unrecht an den Sudetendeutschen soll ja gar nicht geleugnet werden, aber die Benesch-Dekrete waren doch nur eine Antwort auf die Massaker der SS in Lidice und anderswo.
    Beides sollte nicht vergessen werden, nur mit dem Unterstreichen des Zweiten und dem Verschweigen des Ersten, wie es Fr. Steinbach macht, wird Versöhnung sehr sehr schwierig!
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  • meeviertel
    Wenn jemand klare Prinzipien hat, dann darf er deswegen nicht verurteilt werden. Heinrich Jüstel hat meiner Meinung nach absolut Recht. Erika Steinbach ist als Festrednerin ungeeignet, egal ob sie Verdienste um die Vereinsführung hat oder nicht. Sie polarisiert und sie diskriminiert! Noch schlimmer sind ihre Versuche der Geschichtsverfälschung.
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  • Lebenhan1965
    von Erika Steinbach ist schon eine Provokation für alle, denen die Aussöhnung mit Deutschlands Nachbarn ein Anliegen ist.
    Durch ihre Äußerungen bei verschiedenen Gelegenheiten hat sie ja deutlich gemacht, dass sie nicht die Gemeinsamkeiten mit Deutschlands östlichen Nachbarn sucht.

    Wenn jetzt der Vorsitzende der Vertriebenenverbände die Brückenbauerfunktion der Vertriebenenverbände betont, hätte er gerade nicht Erika Steinbach einladen dürfen, die ja den deutschen Nationalismus so oft in ihren Reden und Äußerungen vor sich hergetragen hat, bis hin zu der absurden These, dass das damals militärisch unterentwickelte Polen Mitschuld am 2. Weltkrieg hat durch Provokationen gegen das hochgerüstete Nazi-Deutschland.
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  • uwe.luz@t-online.de
    Herr Jüstel ist, wie der größte Teil seiner Partei, immer noch in den überholten Verhaltensstrukturen verhaftet. Anstatt mit dem politischen Gegner einen fairen und sachlichen Disput zu führen, stellen wir ihn mit Totschlag-Argumenten in die Nazi-Ecke. Herr Jüstel wird, wie seine ganze Partei, lernen müssen, dass diese unsägliche Methode der 68er Generation nicht mehr funktioniert. Die 68er sterben langsam aus und geben den Raum frei für eine demokratischere Form der politischen Auseinandersetzung. Außerdem ist sein Verhalten widersprüchlich. Im Thüringer Landtag regiert die SPD einträchtig zusammen mit 16 ehemaligen Stasi-Funktionären der LINKE, was man nicht als anstößig betrachtet. Scheinbar ist „links außen“ aus Sicht der SPD nicht so schlimm, wie „rechts außen“. Für meine Wenigkeit ist beides gleichermaßen unerträglich. Und scheinbar für viele Mitbürgerinnen und Mitbürger auch, was erklärt, warum die SPD nur noch eine Splitterpartei ist.
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  • mausschanze
    Sie sind gesperrt.
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  • al-holler@t-online.de
    Ich verstehe gar nicht, wie ein weitgehend unbekannter Regionalpolitiker - Hinterbänkler wollte ich jetzt aber nicht sagen - (da fragen Sie mal auf dem Marktplatz nach, den kennt dort kaum einer) einer auch überregional an Bedeutung verlierenden Partei so wichtig genommen wird. Man wird ihn nicht vermissen.
    Sollte evtl. er bzw. sein Bekanntheitsgrad etwas 2gepampert" werden??
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  • reutjo
    ist mir schon lang nicht mehr aufgefallen in den städtischen " Ratsberichten der M-P.
    Ich glaub eher, er fährt nicht gern mit seinen Stadtrad bis in die Zellerau. Wo doch
    grad in Lengfeld erst der Radweg in der WvSiemensstr. erneuert wird, damit man besser nei die Stadt kommt mit dem Rad.
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  • reutjo
    ist schon lang nicht mehr aufgefallen im städtischen " Weltgeschehen. Ich glaub eher, er fährt nicht gern mit seinen Stadtrad in die Zellerau, weil er sein Fahrrad nicht im
    Veranstaltungsraum anketten
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  • rid.cully
    Herr Jüstel enttäuscht.
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