Im Würzburger Prozess um mutmaßlichen Millionen-Betrug beim Verkauf einer Reha-Klinik in Bad Bocklet (Lkr. Bad Kissingen) schalteten die Verteidiger des angeklagten Schilling-Bank-Chefs Hubert-Ralph S. auf Attacke. Sie verlangen die Ablösung des Vorsitzenden Richters Reinhold Emmert. Der sei befangen, begründete Rechtsanwalt Hans Feigen seinen Antrag.
Mauschelei auf Kosten der Angeklagten?
Der Eigentümer der Hammelburger Privatbank steht mit drei weiteren Angeklagten seit 2. Oktober vor Gerichtund war mehrere Monate in Untersuchungshaft. Die Bank hatte erklärt, mit diesen Geschäften nichts zu tun zu haben.
Die Anwälte um Prominenten-Anwalt Feigen – der bereits Uli Hoeneß, Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und Post-Boss Klaus Zumwinkel vertreten hat – hegen inzwischen den Verdacht, auf Kosten ihres Mandanten werde gemauschelt. Der erfahrene Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer habe Fehler in einem Gutachten entdeckt, das ein Pfeiler der Anklage sein sollte. Er habe aber nur die Anklage informiert, nicht die Verteidigung.
Den Ersteller dieses Gutachtens hatte zuvor Verteidigerin Barbara Livonius im Zeugenstand buchstäblich filetiert: Der Gutachter sollte fürs Gericht prüfen, was die Anteile an der Reha-Klinik tatsächlich wert waren, um die es in dem Betrugsprozess geht. Damit wollte man ermitteln, um welchen Betrag die Opfer beim Verkauf übers Ohr gehauen worden sein sollen. Die Angeklagten sollen den früheren Anteilseignern ihre Anteile an der Reha-Klinik madig gemacht haben, damit sie ihnen die Klinik billig verkaufen.
Verteidigerin enttarnt fehlerhaftes Gutachten
Hartnäckige Nachfragen der Anwältin (die früher selbst Leiterin der Rechtsabteilung einer Bank war) ergaben: Das Gutachten hat mehrere Fehler wie die falsche Berechnung des Unternehmens-Wertes, netto wurde mit brutto verwechselt und manche Posten gleich zweimal aufgeführt. Der Gutachter habe um Millionen zu Lasten der Angeklagten daneben gelegen. Das seien weit mehr als „verzeihliche Rechenfehler“ befand die Anwältin und beantragte, den Gutachter abzulehnen.
Dem Vorsitzenden waren beim Aktenstudium offenbar schon zuvor Ungereimtheiten in dem Gutachten aufgefallen. Er hatte telefonisch nachgefragt – aber über das Ergebnis offenbar keinen Vermerk für die Akten gemacht, wie die Verteidiger rügten.
Doch damit nicht genug. Auch Peter Auffermann, dem Verteidiger des Klinik-Geschäftsführers B., fiel auf: Als der Gutachter dann im Zeugenstand mündlich Rede und Antwort stehen sollte, mied er auffallend die fehlerhaften Stellen seines zuvor schriftlich eingereichten Gutachtens – aber weder Gericht noch Staatsanwaltschaft hakten in dem Punkt nach.
Staatsanwaltschaft war informiert
Die Verteidiger forderten von den Staatsanwältinnen Auskunft darüber, ob sie von den Fehlern im Gutachten gewusst hatten und sich abgesprochen hätten, den Vorgang unter der Decke zu halten. Diese schwiegen. Doch Emmert selbst erklärte: Er habe die Staatsanwaltschaft informiert.
Man habe „ein unglaubliches Vertuschungsmanöver unterstützt“, wütete Anwalt Feigen. Nach längerer Beratung beantragten alle Verteidiger, den Vorsitzenden wegen des Verdachts der Befangenheit abzulehnen.
Wie geht es nun weiter in dem Prozess? Das Gutachten betrifft nur einen Teil der Anklage. Ein anderer spricht davon, dass die Angeklagten um Banker S. beim Verkauf den früheren Eigentümern klammheimlich Gewinne vorenthalten haben sollen,von denen sie gar nichts wussten. Das Geld war auf anderen Konten „geparkt“.
Andere Richter müssen entscheiden
Zunächst einmal muss nun aber entschieden werden, ob der Vorsitzende befangen ist. Derartige Anträge gehören zum Standard-Repertoire erfahrener Anwälte in spektakulären Wirtschaftsprozessen – mit ungewissem Ausgang. Michael Schaller, Sprecher des Landgerichts, erläuterte auf Anfrage: Die anderen zwei Profi-Richter der Kammer entscheiden darüber, ob sie Emmert für befangen halten oder nicht.
Der langjährige Vorsitzende Richter Emmert, der in Prozessen schon mehr als einen Ablehnungsantrag bekommen hat, wirkte zunächst unbeeindruckt. Gewohnt sachlich und freundlich konterte er auf seine Art: Er bat die Verteidiger, sich weitere Verhandlungs-Termine vorzumerken – zumindest mal bis April kommenden Jahres.
Nach diesem Artikel hat es den Anschein, als ginge es nun zunehmend auch um Formalien und psychologische Aspekte.
Ist es eine Strategie der Verteidiger, mit dem jetzigen Versuch von den eigentlichen, inhaltlichen Themen abzulenken?
Ein bisschen schade ist es ja, dass man auch so wenig aus der Sicht der mutmaßlichen Opfer/Geschädigten erfährt.
Vielleicht möchte die Zeitung ja zukünftig etwas näher am Prozess dran bleiben?
Gleichwohl ist die Justiz im Prinzip nicht so unabhängig, wie es scheint. Zumindest nicht in Ländern, mit über Jahren stabilen politischen Mehrheiten.
Richter sind üblicherweise jahrelang als Staatsanwälte tätig und umgekehrt. Rotationsprinzip oder Kumpanei und Seilschaften?
Auch die Berichterstattung wird auffallend "sachlich", wenn es um Fehlverhalten der Justiz geht, Überschrift "Verteidiger von Schilling-Banker halten Richter für befangen". Soso.
Wie wäre es mit "Vertuschungsmanöver zwischen Staatsanwaltschaft und Landgericht?".....? Das ist doch (mindestens) sonst Mainpost-Stil.
Die Prognose jedenfalls ist klar: Die "anderen zwei Profi-Richter der Kammer" (O-Ton Redakteur!) werden "Ihrem" Vorsitzenden einen Freibrief ausstellen:
natürlich besteht keine "Besorgnis der Befangenheit" - nur weil das Landgericht mit der Staatsanwaltschaft "informelle" Gespräche führt und die Verteidigung nicht informiert....
In Würzburgs Justiz laufen nach meiner Erfahrung ganz andere Kaliber, über die die Mainpost eben nicht berichtet - auch wenn man sie informiert!