Während eines epileptischen Anfalls soll ein 32-jähriger Autofahrer in Hettstadt (Lkr. Würzburg) am Dreikönigstag 2018 eine Spaziergängerin totgefahren haben. Gespannt wartet die Öffentlichkeit am Montag auf das Urteil. Anklage, der Vater als Nebenkläger und die Verteidigung rechnen nicht damit, dass der Fahrer um eine Haftstrafe herumkommt. Die Staatsanwältin Martina Pfister-Luz hatte vier Jahre Gefängnis gefordert, die Verteidigung hielt eine bewährungsfähige Strafe von unter zwei Jahren für angemessen.
Antworten auf drei wichtige Fragen
Zwei Gutachter sollten dem Gericht bei den drei entscheidenden Fragen in dem tragischen Fall helfen: War der Unfall für den Angeklagten vorhersehbar – und damit vermeidbar? Oder war der Kranke durch den für ihn spürbar aufkommenden Anfall einfach so schnell weggetreten, dass man ihn nicht für die Unfallfolgen verantwortlich machen kann? Und welche Auswirkungen hatte das Geständnis des Angeklagten, der an jenem Morgen seine Tabletten nicht genommen hatte? Sie waren dafür gedacht, die Wirkung solcher Anfälle zu dämpfen.
Zum Prozessauftakt vor dem Amtsgericht Würzburg hatte der gelernte Schlosser gesagt: Er habe gefühlt, dass sich einer der Anfälle anbahne, bei denen er regelmäßig Bewusstsein und Steuerungsfähigkeit verliert. Deshalb habe er das Auto aus dem Ort über die viel befahrene Staatsstraße in den Gehägsweg lenken wollen, um dort das Ende des Anfalls abzuwarten.
Schon beim Überqueren der viel befahrenen Staatsstraße kam es nur mit Glück zu keinem Unfall. Aber warum trat er auf dem unbefestigten Weg dann aufs Gaspedal statt auf die Bremse, um anzuhalten?
Seit 2009 gewarnt
Seit 2009 weiß der Angeklagte, dass er wegen wiederholter Anfälle nicht mehr ans Steuer eines Wagens soll. Sein behandelnder Neurologe erklärte, ihn immer wieder darauf hingewiesen zu haben. Doch bei epilepsieartigen Anfällen sei eine Entscheidung nicht einfach. Dem Gericht erklärte der Arzt im Zeugenstand: "Ich bin froh, dass ich den Fall nicht beurteilen muss." Wenn ein Epileptiker ein Jahr frei von Anfällen sei, wäre laut Gesetz die Fahreignung gegeben.
Zeitweise hatte der Angeklagte aber ein bis zwei Anfälle pro Woche und verlor dabei Bewusstsein und Kontrolle – trotz der Tabletten. Aber niemand hinderte ihn am Fahren, obwohl seine Familie von den Anfällen wusste – so, wie es keine wirksame Kontrolle gab, ihm den Führerschein 2017 zu verweigern, den er nach einem Unfall unter Alkohol unbedingt wiederhaben wollte und bekam.
Machtlos zum Zeitpunkt des Unfalls - und vorher?
Um zu einem Urteil zu kommen, wird das Gericht die Frage beantworten müssen, ob die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten erst vom Anfall bis zum Unfall zu betrachten ist – oder ob verantwortliches Handeln und die Frage der Schuld weit früher einsetzen: Schon, als sich der 32-Jährige ans Lenkrad setzte oder zumindest, als er den Anfall nahen fühlte – ein Zustand, der ihm seit neun Jahren vertraut war.
Das Urteil soll am heutigen Montag gegen 10 Uhr verkündet werden.