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Würzburg/Schweinfurt
Überschuldung: Lage in Unterfranken ist entspannt - aber kommt doch noch die Pleitewelle?
Klingt kurios: Wegen der Corona-Pandemie waren in Unterfranken noch nie so wenige Menschen überschuldet wie jetzt. Doch das ist wohl die Ruhe vor dem Sturm.
Großes Kopfzerbrechen plagt Menschen, die mit ihren Schulden nicht mehr klarkommen. In Unterfranken trifft das auf fast jeden 20. Erwachsenen zu.
Foto: Ivana Biscan | Großes Kopfzerbrechen plagt Menschen, die mit ihren Schulden nicht mehr klarkommen. In Unterfranken trifft das auf fast jeden 20. Erwachsenen zu.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:38 Uhr

Wer seine Schulden nicht mehr im Griff hat, hat ein großes Problem. Unterfranken ist in dieser Hinsicht eine Insel der Glückseligen, denn hier leben verhältnismäßig wenige Menschen, die massiv in der Kreide stecken. Doch ganz frei von Sorgen blicken die Experten nicht in die Zukunft.

In der Region sind 5,9 Prozent der Erwachsenen überschuldet, wie es im aktuellen Schuldner-Atlas der Auskunftei Creditreform in Würzburg heißt. Im Bund (8,5 Prozent) und in Bayern (6,1) liegt diese Quote zum Teil deutlich höher.

Am Stichtag 1. Oktober 2022 galten 65.049 Unterfranken ab 18 Jahren als überschuldet. Das sind laut Creditreform fünf Prozent weniger als ein Jahr davor und so wenige wie noch nie seit Beginn der Erhebungen 2004. Als überschuldet gelten Menschen, die langfristige Finanzprobleme von großer Tragweite haben.

Kann noch keine Welle der Privatinsolvenzen in Unterfranken erkennen: Raymond Polyak, Geschäftsführender Gesellschafter der Auskunftei und Inkasso-Agentur Creditreform in Würzburg.
Foto: Creditreform | Kann noch keine Welle der Privatinsolvenzen in Unterfranken erkennen: Raymond Polyak, Geschäftsführender Gesellschafter der Auskunftei und Inkasso-Agentur Creditreform in Würzburg.

Die Energiekrise mit stellenweise extremen Heiz- oder Stromkosten habe bislang nicht zu der befürchteten Welle von Privatinsolvenzen geführt, teilte Geschäftsführer Raymond Polyak von der Creditreform-Niederlassung in Würzburg mit. Dass im Jahresvergleich in Unterfranken jetzt weniger Menschen überschuldet sind, hänge mit der Corona-Pandemie zusammen: Auch 2022 seien die Verbraucherinnen und Verbraucher wegen der Einschnitte bei ihren Ausgaben vorsichtiger gewesen. Zudem seien Konjunktur und Arbeitsmarkt stabil geblieben, so Polyak.

Dass die derzeitige Situation eher die Ruhe vor dem Sturm ist, spüren offenbar auch die Schuldnerberatungen in der Region. Die im Zusammenhang mit der Pandemie befürchtete Welle von Privatinsolvenzen "ist regional ausgeblieben", war am Freitag vom Diakonischen Werk in Kitzingen zu erfahren.

Die staatlichen Hilfsgelder hätten in der jüngsten Vergangenheit "sehr viel abgefedert". Doch mit einer deutlichen Zunahme der Überschuldung in der Bevölkerung sei zu rechnen, hieß es weiter. Und wann? "Das ist schwierig zu sagen."

Überschuldung: Wo Würzburg und Schweinfurt liegen

Die höchste Überschuldung in Unterfranken hat Creditreform zufolge die Innenstadt von Schweinfurt mit gut 13 Prozent. Die Quote ist damit doppelt so hoch wie die von Bayern. Nach Schweinfurt kommen Aschaffenburg (12) und Klingenberg im Kreis Miltenberg (11).

Kaum ein Thema ist Überschuldung in Bieberehren (Lkr. Würzburg). Mit 1,7 Prozent ist die Quote die niedrigste in Unterfranken. Bieberehren war schon im vergangenen Jahr der Spitzenreiter gewesen. Auf den Plätzen folgen Rannungen im Kreis Bad Kissingen (1,8) und Erlabrunn bei Würzburg (2,1).

Welche Rolle Online-Einkäufe bei den Schulden spielen

Würzburg liegt je nach Stadtteil mit Werten zwischen 4,3 und 9,2 Prozent im hinteren Mittelfeld. Im Übrigen zeigt sich wie in den Vorjahren ein deutliches Gefälle: Die Überschuldung ist in Städten wie Würzburg, Aschaffenburg, Schweinfurt, Bad Kissingen oder Kitzingen zum Teil deutlich höher als auf dem Land.

Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass mehr Menschen als sonst ihre Einkäufe im Internet erledigten, Online-Bezahlung inklusive. Dadurch ist offenbar die Gefahr gestiegen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher den Überblick verlieren und in die Schuldenfalle rutschen.

Denn wie das Statistische Bundesamt vor wenigen Tagen mitteilte, hatten 28 Prozent derjenigen, die im Jahr 2021 Hilfe bei einer Schuldnerberatungsstelle suchten, Rückstände bei Online- und Versandhändlern. Der Anteil sei in den vergangenen fünf Jahren um drei Prozentpunkte gestiegen.

Männer oder Frauen: Wer neigt mehr zu massiven Schulden?

Nach wie vor sind es vor allem Männer, die zu Überschuldung neigen. Nach den Angaben von Creditreform liegt die Quote in Unterfranken bei 7,1 Prozent. 4,3 Prozent sind es bei den Frauen. Am meisten betroffen von Überschuldung ist die Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen. Hier liegt die Quote in der Region durchschnittlich bei gut acht Prozent. In manchen Städten, wie etwa in Aschaffenburg oder Schweinfurt, sind es gar 14 Prozent der Menschen jener Altersgruppe.

Hilfe bei Schulden

Hilfe: Schuldnerberatungen gelten als erste Adresse für Menschen, die finanzielle Probleme haben. Allerdings ist die Scheu bei Betroffenen offenbar groß: Gerade mal zehn Prozent der Überschuldeten gehen zu einer Beratungsstelle, wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung festgestellt hat. In Unterfranken sind teilweise Landratsämter oder soziale Einrichtungen wie Caritasverband oder Diakonisches Werk für die Schuldnerberatung zuständig. Das bayerische Sozialministerium hat unter www.stmas.bayern.de/schuldnerberatung eine Übersicht über Adressen in Unterfranken.
Begriffe: Überschuldung liegt laut Creditreform vor, "wenn der Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit über einen längeren Zeitraum nicht begleichen kann und ihm zur Deckung seines Lebensunterhalts weder Vermögen noch Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen". Verschuldet ist, wer eher kurzfristig und noch nicht mit justiziablen Folgen in der Kreide steht.
aug
 
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  • E. W.
    Wer Schulden macht ist selber schuld.

    Als junger Mensch in den 70-er Jahren habe ich mir mal ein Auto auf Kredit gekauft, den Kredit dann aber weit vor der Ablaufzeit zurückgezahlt.

    Für den Hausbau mußte ich eine Hypothek auf eine bereits vorhandene Immobilie aufnehmen und Bausparverträge mit entsprechenden Kreditlinien in Anspruch nehmen. Aber auch das ist alles längst abgetragen.

    Daher verstehe ich die Leute nicht, die leichtfertig Konsumkredite für irgendwelchen Schund aufnehmen und dann rumjammern und auf Kosten der Allgemeinheit in Privatinsolvenz gehen.

    Ich habe immer gut und mit Verstand und Überlegung gewirtschaftet und war daher nie in "Schuldknechtschaft" sondern stets frei und ungebunden.

    Nur Naive verschulden sich und machen sich damit in ihrer Lebensführung und ihrem Berufs- und Arbeitsleben abhängig. Wer verschuldet ist muß immer kuschen und klein beigeben und Demütigungen einstecken.
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