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Würzburg
Überraschendes Urteil im Kettensägen-Prozess in Würzburg: Gericht gibt der Ehe des Angeklagten eine zweite Chance
Das Landgericht Würzburg verurteilt einen 38-Jährigen aus Albertshofen zu zweieinhalb Jahren Haft – und lässt ihn frei, um sein Leben in den Griff zu bekommen.
Viel Verständnis zeigte das Landgericht Würzburg für einen Angeklagten, der auf den Ex-Liebhaber seiner Frau mit einer Kettensäge losgegangen war.
Foto: Benjamin Brückner | Viel Verständnis zeigte das Landgericht Würzburg für einen Angeklagten, der auf den Ex-Liebhaber seiner Frau mit einer Kettensäge losgegangen war.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:30 Uhr

Am Ende des Kettensägen-Prozesses haben ein Dutzend Prozessbeteiligte am Landgericht Würzburg eine Szene erlebt, wie man sie nur sehr selten in einem Gerichtssaal sieht. Nach dem Urteil um ein versuchtes Tötungsdelikt mit einer Kettensäge sanken sich Täter und Opfer glücklich weinend in die Arme.

Das war vor allem der Tatsache zu verdanken, dass die fünf Richter in Würzburg ihr Urteil nicht nur auf juristischen Beurteilungen bauten. Statt den 38 Jahre alten Angeklagten aus Albertshofen (Lkr. Kitzingen) einfach zweieinhalb Jahre hinter Gitter zu schicken, ließen sie auch Verständnis für eine schwierige Situation gelten.

Die Beweisaufnahme im Kettensägen-Prozess hatte gezeigt: Die Beziehung des Paares hatte sich an jahrelangen alltäglichen Schwierigkeiten mit Finanznot, der Sorge um drei Kinder und die schlecht bezahlte Nachtarbeit des Mannes aufgerieben.

Mit einer ähnlichen Kettensäge war der Handwerker auf seine Frau und deren Ex-Liebhaber losgegangen.
Foto: Bundespolizei | Mit einer ähnlichen Kettensäge war der Handwerker auf seine Frau und deren Ex-Liebhaber losgegangen.

Irgendwann fanden der 38-Jährige und seine Frau in Streitereien die Worte zur Versöhnung nicht mehr, hatte die Frau im Zeugenstand berichtet. Alkohol und andere Drogen schafften den Rest: Im Januar musste der Mann ausziehen und bei seiner Oma ein paar Häuser weiter einziehen. Seine Frau begann eine kurze Affäre mit einem Bekannten, der dem Paar auch Drogen verkaufte.

Immer wieder Annäherung und Ablehnung

Immer wieder gab es darauf Annäherungen und Zurückweisung zwischen den Eheleuten. Die Krise gipfelte in einem dramatischen Ausraster des Angeklagten mit einer Kettensäge im März 2023, die von einer Überwachungskamera gefilmt wurde.

Der Film zeigt, wie der 38-Jährige erheblich angetrunken vom Fahrrad steigt, eine mitgebrachte Kettensäge anwirft und damit drohend auf seine Frau und deren zeitweiligen Liebhaber losgeht. Doch der körperlich weit überlegene Nebenbuhler rennt in der Aufnahme der Überwachungskamera nicht weg, sondern entreißt dem Angreifer die Säge ohne ernsthaft verletzt zu werden.

Wollte der 38-Jährige mit der Kettensäge töten oder nur vertreiben?

Wollte der Angeklagte seinen Nebenbuhler umbringen – oder nur vertreiben, wie sein Verteidiger Norman Jacob für ihn in seinem Geständnis betont hatte? Der Mann hatte auf eine Versöhnung mit seiner Frau gehofft und stieß stattdessen auf deren Liebhaber. Sie erklärte ihrem Mann trotzig, es sei endgültig vorbei. Dabei wollte der andere, mit dem die Affäre schon vorüber war, nur noch seine Sachen holen, so ergab es die Beweisaufnahme vor Gericht.

"Blöder hätte es nicht laufen können", sagte Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach. Aber der Angeklagte habe gewusst, was passieren könnte, wenn er seinen Nebenbuhler mit einer Kettensäge angreift. Seebach forderte drei Jahre und neun Monate Haft.

Der Angeklagte zum Angriff mit der Kettensäge: Knapp an einer Tragödie vorbei

Verteidiger Norman Jacob betonte, seinem Mandanten habe es den Boden unter den Füßen weggezogen: Erst die Hoffnung auf Versöhnung, dann die Anwesenheit des Ex-Liebhabers bei seiner Frau, wodurch er sich getäuscht fühlte. Jacob sah zwei Jahre mit Bewährung für angemessen an.

"Ich kenne mich selbst nicht so", sagte der Angeklagte im letzten Wort. "Mir ist bewusst, dass es knapp an einer Tragödie vorbei gegangen ist."

"Wir glauben, dass wir dem, was passiert ist, sehr nahe gekommen sind", sagte der Vorsitzende Richter. Das Paar habe sich überfordert und gegenseitig im Stich gelassen gefühlt. Doch der Angeklagte habe seine Schuld eingesehen und sich reuig gezeigt.

Ein überraschendes Urteil am Landgericht Würzburg

Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu zweieinhalb Jahren Haft für versuchten Totschlag unter Alkoholeinwirkung. Aber: "Wir haben lange und hart mit uns gerungen", sagte Richter Thomas Schuster in der  Urteilsbegründung. "Wir haben den Haftbefehl aufgehoben, weil wir überzeugt sind, dass Sie sich Ihrer Verantwortung stellen."

Der Angeklagte durfte am Ende der Verhandlung nach sieben Monaten in Untersuchungs-Haft mit seiner Frau nach Hause gehen. Er muss sich umgehend um eine Therapie zum Alkoholentzug kümmern. Klappt das, wird der Rest der Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt.

 
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