Vor vier Jahren war Schluss. Nach einem Burn-Out kündigt Jens Brambusch seinen Job als Wirtschaftsjournalist in Berlin, verkauft seine Wohnung und siedelt ans Mittelmeer über. Genauer: nach Kas in die Türkei. Aber nicht, wie manch einer jetzt denken mag, in eine Wohnung oder ein Haus – nein, auf ein Segelboot.
"In dem Moment, als es mir so schlecht ging, dass ich das Haus mehrere Wochen nicht verlassen konnte, reifte in mir der Entschluss, dass sich etwas ändern muss in meinem Leben", sagt Brambusch. "Dass ich mich ändern muss."
Segeln war schon von klein auf die große Leidenschaft des heute 50-Jährigen, der in Celle aufgewachsen ist und einige Jahre in Würzburg gelebt und bei der Main-Post als Redakteur gearbeitet hat. Schon damals hatte er ein Boot in Margetshöchheim (Lkr. Würzburg) vor Anker und schipperte in jeder freien Minute auf dem Main.
Statt Haus ein Boot, statt Deutschland jetzt Türkei
In die Türkei zog es den Aussteiger und studierten Arabistik-Wissenschaftler, "weil es ein Land ist, das ich trotz aller Turbulenzen seit mehr als 25 Jahren in mein Herz geschlossen habe. Und das ich für eines der besten Segelreviere im Mittelmeer halte". Nette Menschen, hübsche Orte, einsame Buchten und kristallklares Wasser. Klingt gut. Nach vier Jahren sagt Brambusch: "Ich habe Haus gegen Segelboot getauscht. Nicht einen Tag habe ich seitdem meinen Entschluss bereut."
Während der vergangenen dreieinhalb Jahre und dem Segeln in der Türkei und in Griechenland wuchs bei ihm allmählich die Lust darauf, einen größeren, ja viel größeren Segeltörn zu realisieren. Der Plan nahm Gestalt an, eine Überquerung des Atlantiks zu wagen. Aber nicht allein.
Mit dabei: Brambuschs deutsch-türkische Freundin Arzum Soylu, die er in Kas kennengelernt hat, eine studierte Textildesignerin. Und nicht zu vergessen Hund Cingene, ein ehemaliger Streuner, und Kater Oglus, der unter Deck besonders viele Spielsachen hat.
Der Weg führt die kleine Crew von der Türkei aus über Griechenland, Süditalien nach Sardinien und Korsika, weiter auf die Balearen, von dort aus über Marokko, die Kanaren und die Kapverden über den Atlantik in die Karibik.
Der Plan: Weihnachten auf dem Atlantik
Zusammen mit weiteren Seglern und "inzwischen Freunden, die wir in der Türkei kennengelernt haben" wollen Brambusch und seine Partnerin die Atlantikpassage realisieren. "Im Idealfall wollen wir zu Weihnachten mitten auf dem Atlantik sei, um dann irgendwann in Martinique an Land zu gehen."
Etwa vier Wochen werden sie dabei auf dem offenen Meer sein, ein Unterfangen auf das Brambusch sich und seine 12,70 lange und 4,07 Meter breite Moody namens Dilly-Dally (zu Deutsch: herumtrödeln) gut vorbereitet hat.
Einige Wochen sind Jens Brambusch und Arzum Soylu schon unterwegs, erreichten Sizilien, Sardinien, Korsika und die Balearen. Momentan liegt die Dilly-Dally zwischen dem spanischen Alicante und Cartagena vor Anker. Die Überfahrt auf die Balearen hatte das Paar wegen schlechten Wetters übrigens mehrmals verschieben müssen, erzählen sie.
Bei schlechten Wetterverhältnissen kann der Traum auch mal zum Albtraum werden
Denn, was sich bei Sonnenschein und adäquaten Windverhältnissen erstmal nach einem Traum anhört, kann bei schlechtem Wetter zum Albtraum werden, wie die Segler am eigenen Leib erfahren durften. So mussten sie ihre Dilly-Dally zum Beispiel aus der Ägäis heraussegeln – mitten im Meltemi, dem dort vorherrschenden Wind in den Sommermonaten. Da war bei Vorhersagen mit Sturmböen mit bis zu 40 Knoten öfter mal Warten angesagt.
Noch unangenehmer wurde es auf dem Weg von Kefalonia in Griechenland an die italienische Stiefelspitze, 230 Meilen nach Westen. Trotz guter vorheriger Wetterprognosen erwischte sie schlimmstes Unwetter: "Dann blitzt es auch an Backbord. Und wieder an Steuerbord. Und genau vor uns. (...) Mal sieht man einen Blitz, der fast senkrecht ins Wasser schießt, andere flackern fast waagerecht über den Himmel, am unheimlichsten empfinde ich aber die, die nur den riesigen Pilz aus Wolken von innen dämonisch erleuchten", schrieb Brambusch in einem Artikel für das Float-Magazin, für das er über die Reise begleitend berichtet.
Für Arzum Soylu, die sich vor Gewittern fürchtet, muss es wie die Apokalypse ausgesehen haben. Sie habe große Angst gehabt, berichtet sie im Telefongespräch mit der Redaktion. Mit Hund Cingene und dem Kater habe sie sich unter Deck eingemummelt und das erste Mal überlegt, wen man im Notfall eigentlich zuerst retten sollte - sich selbst, den Partner, Hund oder Katze. Zu einem endgültigen Entschluss sei sie nicht gekommen, sagt die 50-Jährige lachend.
Durch Brambusch, erzählt sie, habe sie die Liebe zum Segeln entdeckt. Das Meer indes liebte die leidenschaftliche Taucherin schon von klein auf. Sie seien ein gutes Team, würden auf Augenhöhe agieren, sagen beide: "Das ist wichtig, denn wir müssen uns zu hundert Prozent aufeinander verlassen können. Gerade im Notfall."
Das Leben gemeinsam auf engstem Raum
Ob Griechenlands Inseln, Korsika oder Sardinien - das Paar erfreut sich gemeinsam an einsamen Sandstränden, imposanten Klippen und Höhlen, unberührter Natur und traumhaften Sonnenuntergängen. Die Sehenswürdigkeiten der Region lassen sie beim Landgang nicht aus.
Besonders sei die Fahrt durch den Korinth-Kanal gewesen, sagt der 50-Jährige: "Es ist der Traum vieler Segler einmal durch diesen Kanal zu fahren, jener legendären, tief in den Stein geschlagenen Wasserstraße, die das Ionische Meer mit der Ägäis verbindet."
Nichtsdestotrotz sei das Leben an Bord als Paar manchmal nicht unanstrengend, fügt Soylu an: "Denn wir leben auf kleinstem Raum 24 Stunden am Tag miteinander." Da sei die Stimmung auch mal angespannt, wenn beispielsweise die Technik versagt, plötzlich Reparaturen anstehen oder das Wetter mehrere Tage hintereinander nicht mitspielt.
Beim Anlegen in einer Bucht oder in einem Hafen ist da auch mal ein Spaziergang alleine angesagt, "um wieder einen freien Kopf zu bekommen", erzählt sie. Das Gute sei aber: "Man verträgt sich sehr schnell wieder und löst seine Probleme."
Hund Cingene ist der Hingucker
Die Haustiere des Aussteiger-Paares sind auf der Fahrt immer wieder der Hingucker. Besonders Hund Cingene, der inzwischen ein routinierter Stand-Up-Paddle-Begleiter ist, zieht immer wieder erstaunte Blicke auf sich, wenn die Moody Anker geworfen hat und es auf Landgang geht, um den leeren Kühlschrank wieder aufzufüllen, spazieren zu gehen oder die ein oder eine andere Besichtigung in Angriff zu nehmen.
Derzeit nähert sich das Paar auf seiner Reise der Straße von Gibraltar. Da könnte, so Brambusch, noch ein ganz anders Abenteuer warten: In den vergangen zwei Jahren habe es dort immer wieder Angriffe von Orca-Walen auf Segelboote gegeben.
Laut der Deutschen Stiftung Meeresschutz griffen zwischen Juli und November 2020 etwa 45 Orca-Angriffe an der iberischen Küste von der Straße von Gibraltar bis Galicien. 2021 beschädigten sie etliche Boote so stark, dass sie abgeschleppt werden mussten. "Da versuchen wir uns gedanklich vorzubereiten, auch, was im Ernstfall zu tun wäre", sagt Brambusch.
Sparsames Leben - und ein Zuverdienst als Autor
Langweilig wird es also wohl nicht. Aber wie finanziert sich das Paar diesen unglaublichen Reisetrip, der, "je nachdem, wie es uns in der Karibik gefällt", auch mehrere Jahre dauern könnte? Der frühere Würzburger sagt: "Eigentlich führen wir ja ein recht minimalistisches Leben, aber natürlich haben wir immer wieder Kosten zu stemmen, sei es für Reparatur, Überfahrten, Anlegebühren in den verschieden Häfen und auch mal für ein schönes Essen im Restaurant."
Außer dem Ersparten nutze er "das, was ich am besten kann, nämlich Schreiben", um sich etwas dazuzuverdienen. Sei es über seinen Blog "Brambusch macht blau", seine Artikel im Float-Magazin oder als Schriftsteller. So hat der Journalist mehrere Bücher veröffentlicht, neben seinem Krimi "Die Stalkerin" und "Tausche Büro gegen Boot" auch das Buch "Cingene - vom Straßenstreuner zum Bordhund".
Ein Zurück nach Deutschland kann sich Jens Brambusch derzeit nicht vorstellen - "das Leben auf dem Boot gefällt mir". Nicht allein, sondern mit Freundin, Hund und Katze auf dem Boot zu leben und auf Welttournee zu gehen, erleichtere die Entscheidung natürlich. "Schöne Momente zu zweit (oder zu viert) zu genießen, ist eben nochmal viel schöner. Auch in Ausnahmesituationen ist es fantastisch nicht allein zu sein."
Tipp: Auf dem YouTube-Kanal "Sailing Dilly-Dally" begleitet das Paar seine Reise mit Filmen. Infos: www.brambusch-macht-blau.de/dilly-dally/
das jüngste von vielen Kindern eines Handwerkers und Nebenerwerbsbauern, kann man nur staunen, was sich manche Menschen so alles leisten können ohne Existenzängste zu bekommen.
In meiner Lebensplanung konnte ich mir sein Leben nicht vorstellen, wenn man gleichzeitig auch die Familie absichern wollte.
Ich wünsche dem jungen Paar alles Gute und hoffe, dass sie nicht im Alter plötzlich Probleme bekommen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Sie können sich die Armut meiner Jugend wahrscheinlich nicht vorstellen, die in den 50ern des letzten Jahrhunderts so manche Familie noch bedrängte.
Mich hat es jedenfalls geprägt, so dass ich mehr Sicherheit in meinem Dasein suchte.
Jeder darf sich sein Leben so einrichten, wie es ihm gefällt. Da missverstehen Sie mich.
Mich wundert nur das breite Gejammer allerorten, wie schlecht es uns Deutschen geht. Man sieht, dass das generell eben nicht so ist.
Immer nur in der Herde mitlaufen und tun, was alle tun führt nicht zu einem freien Leben.
Ich bin schon ein paar Jahre älter als Herr Brambusch, aber ich habe in meinem Leben auch immer wieder kleine Fluchten und Sabbaticals aus dem immer gleichen Trott des "normalen" Arbeitslebens gesucht und als ich es mir dann leisten konnte die "große Flucht" in den vorgezogenen Ruhestand angetreten.
Corona und die angespannte allgemeine Lage haben bei vielen Menschen zu einem Umdenken und einer neuen Sinnsuche geführt. Die alte Parolen, die meiner (Boomer-)Generation schon beinahe von Kindesbeinen an eingebläut wurden ziehen immer weniger. Mehr und mehr Menschen suchen nach Alternativen zu althergebrachten Lebensentwürfen und standardisierten Arbeitsbiographien.
Wir stehen da wohl erst am Anfang einer Entwicklung, die das alte Industrie- und Büroarbeitsweltmodell in ihren Grundfesten erschüttern wird.
Vergiss alles vor "aber" .
Die heutige Jugend ist besser als ihr Ruf. Sehr viele junge Menschen freuen sich, wenn sie arbeiten und sich für die Gemeinschaft einbringen dürfen.
Ältere Menschen, die vielleicht schon abgearbeitet sind und die Belastungen der heutigen Arbeitswelt nicht mehr durchstehen können, werden dann mit den Steuern und Sozialabgaben der Jugend unterstützt.
Später einmal wenn sie selbst alt sind, möchten die heutigen jungen Leute ja auch versorgt werden. So greift eins ins andere und allen ist geholfen.
Viel Glück
Es hört sich jedenfalls toll und entspannt an. Danke für den Bericht.