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VEITSHÖCHHEIM
Tüfteln an Pflanzen der Zukunft
Forschung für die Natur: Ob Klimabäume, ökologische Weinberge oder innovative Obstsorten – die Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim sucht heute schon nach Lösungen für die Probleme von morgen.
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Foto: Thomas Obermeier
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:10 Uhr

So könnte der Weinberg der Zukunft aussehen: blühende Blumen als Lebensraum für Bienen und andere Insekten, Weinbergshäuschen, in denen Vögel nisten und immer wieder Bäume, Hecken und Steinhaufen. Biodiversität statt Monokultur. In Thüngersheim (Lkr. Würzburg) gibt es den Weinberg der Zukunft bereits.

„Wir werden dafür bezahlt, dass wir fünf Jahre im Voraus denken“, sagt Hermann Kolesch, Präsident der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG). Biodiversität sei ein wichtiges Zukunftsthema und die richtige Antwort auf aktuelle Themen, wie das Insektensterben. „Biodiversität führt zu gesunden und lebendigen Böden, einem stabilen Ökosystem, auf denen sich die Reben wohlfühlen und gute Weinqualität liefern“, erklärt Kolesch.

Für solche komplexen Herausforderungen sei vor allem eines gefragt: Eine zielorientierte und effiziente Zusammenarbeit. „Unsere Stärke liegt in der Gemeinschaft“, sagt der LWG-Präsident. Seit 2005 ist die Landesbehörde, die dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten untersteht, aufgefordert, 30 Prozent der Stellen in einem Zeitraum von 20 Jahren einzusparen. Zwölf Jahre später präsentiert sich die Behörde mit einer neuen Struktur: „Wir sind dynamischer und effizierter geworden“, sagt Kolesch.

Vier Institute arbeiten zusammen

Aus den vier Abteilungen sind vier Institute geworden: Weinbau, Gartenbau, Landespflege und Bienenkunde. Mehr als zuvor wird fachübergreifend gearbeitet. „Dafür nutzen wir den größten Schatz, den wir haben: das Know-how jedes einzelnen Mitarbeiters“, so Kolesch.

Ökologie, Nachhaltigkeit, Klimawandel, Digitalisierung, Biodiversität, Produktqualität, aber auch Produktinnovationen sind die Themen der Zukunft. Nicht zu vergessen der ländliche und urbane Raum. Schon jetzt arbeiten die Fachleute in Veitshöchheim mit „Stadtgrün 2021“ beispielsweise an Anpassungsstrategien an den Klimawandel. „Getestet wird der Stadtbaum der Zukunft“, erklärt der Behördenleiter. Unser Klima ändert sich – die Sommer werden wärmer, die Dürreperioden länger.

Diese Bäume müssen Trockenstress aushalten und die Städte der Zukunft dennoch begrünen. „Schließlich wird es laut Berechnungen 2050 in einer Stadt wie Würzburg bereits im Durchschnitt 50 Hitzetage mit mehr als 30 Grad Celsius geben.“ Der Baum der Zukunft muss also viel aushalten. Auf dem LWG-Gelände werden seit 2010 auf zwei Hektar über 160 verschiedene Baumarten und Sorten getestet, darunter auch Rotahorn oder Feldahorn.

Kiwibeere als neue, innovative Obstsorte

Auch neue, innovative Obstsorten mitzuentwickeln, gehört zu den Aufgaben der LWG. Die Kiwibeere ist dabei für den Präsidenten ein Vorzeigeprojekt: Bereits seit Anfang der 1990er Jahre werden die etwa stachelbeergroßen Früchte in Veitshöchheim angebaut. „Mittlerweile gibt es 72 Sorten“, sagt Kolesch. Das Besondere: Ohne mühsames Schälen, Schneiden und anschließendes Löffeln kann die Kiwibeere direkt genascht werden, denn die Schale ist trotz knackiger Optik angenehm weich. Außerdem zeichne sich die Minifrucht durch einen besonders milden Geschmack aus und sei aufgrund ihrer gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe schon fast ein Superfood-Snack.

Tüfteln an Pflanzen der Zukunft       -  _

Auch auf viele Fragen hat die LWG Antworten parat: Wie überwintere ich meine Kübelpflanzen? Kann ich meinen Obstbaum jetzt schneiden? Oder muss ich auch im Herbst umgraben? Etwa 50 Anrufe, teilweise aus ganz Deutschland, erhalten die Experten der Bayerischen Gartenakademie täglich über das Gartentelefon.

Doch das Leistungsportfolio der Gartenakademie umfasst weit mehr als die Beratung von Freizeitgärtnern: „Trends wie Urban Gardening oder Bio-Anbau auch im eigenen Garten machen die enge Verzahnung zwischen Freizeit- und Erwerbsgartenbau mehr als deutlich“, sagt Kolesch.

287 Beschäftigte arbeiten an den LWG-Standorten in Veitshöchheim, Bamberg und Thüngersheim, davon 26 Auszubildende, 20 bis 30 Praktikanten und etwa 40 Saisonaushilfskräfte. Das jüngste Institut an der LWG ist die Landespflege. Hier gehe es um die Begrünung des öffentlichen urbanen und ländlichen Raums, also um Autobahnen, Parks, Dächer oder Verkehrsinseln.

Hoffnungsvolle Technologien: „Living walls“

„Wir sind die Experten für die verschiedensten Blühmischungen – ob für Bienen, das Wild oder die Herstellung von Biogas als Alternative zu Mais.“ Dachbegrünung gelinge mit Roof-Top-Farming und auch wandgebundene Begrünungssysteme, bekannt als „Living wall“ oder „Vertical garden“, zählen zu den hoffnungsvollen Technologien, wenn es um klimamäßigende Bauweisen in der Stadt geht.

Das Institut für Weinbau und Oenologie ist personell die größte Abteilung der Landesanstalt. Mit 20 Hektar Rebfläche in Himmelstadt, Thüngersheim, Veitshöchheim und Würzburg wirtschaften die Mitarbeiter dort ähnlich wie ein größeres Familienweingut. „Der einzige Unterschied: Wir produzieren hier pro Jahr 350 verschiedene Versuchsweine“, erklärt Kolesch. Diese Vielfalt wäre in einem normalen Weingut nicht möglich.

Auch bei der Landesgartenschau 2018 in Würzburg ist die LWG mit einem großen Stand vertreten: Inmitten von Lehrweingärten wird ab April 2018 der Hörsaal „Vinomax“ stehen. Gemäß dem Leitfossil, dem Ceratit Nodosus aus dem fränkischen Muschelkalk, wird der Vinomax in dieser Form von der Schreinerei Ackermann in Wiesenbronn (Lkr. Kitzingen) gefertigt, die unter anderem auch das Akustikmodell des Konzertsaals der Hamburger Elbphilharmonie gebaut hat. Im Vinomax werden Vorträge und Workshops angeboten.

Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG)

In Bayern ist die LWG zuständig für angewandte Forschungsprojekte im Bereich Bienenwirtschaft, Gartenbau, Landespflege und Weinbau. In diesem Zusammenhang ist sie an internationalen Forschungsprojekten beteiligt und koordinierend tätig.

Bereits 1902 wurde die LWG als „Königliche Wein-, Obst- und Gartenbauschule“ gegründet. Sie war damals in der Ortsmitte von Veitshöchheim angesiedelt. Die Versuchs- und Forschungstätigkeit nahm von Beginn an einen großen Raum ein. 1952 wurde die Lehranstalt mit dem Staatlichen Hofkeller und weiteren landwirtschaftlichen Einrichtungen des Würzburger Raums zusammengefasst und in die Bayerische Landesanstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau umgewandelt.

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1974 bekam die Landesanstalt ihren heutigen Namen. Nach einer Neuorganisation besteht die LWG aus den Abteilungen Gartenbau, Weinbau, Lehr- und Versuchskellerei, Rebenzüchtung, Staatsweingut sowie der Staatlichen Fach- und Technikerschule. 1975 wird mit dem Aufbau eines Rebschutz-Warndienstes begonnen. 1992 bewilligt der Landtag 23 Millionen Euro für Baumaßnahmen. 1994 wird die Bayerische Gartenakademie als Teil der LWG gegründet, schon 1995 verzeichnet das neu eingerichtete Gartentelefon mehr als 5000 Anrufe.

In den folgenden Jahren wächst die LWG um mehrere Abteilungen und Aufgaben an. 2001 wird die Lehr- und Versuchswirtschaft für Gemüsebau in Bamberg organisatorisch in die LWG eingegliedert. 2003 wird an der LWG die bundesweit erste Internet-Fachschule für Garten- und Landschaftsbau eingerichtet. Studierende können mittels Live-Stream am Unterricht teilnehmen. Im selben Jahr wurde auch die Bayerische Landesanstalt für Bienenzucht aus Erlangen nach Veitshöchheim verlegt. Sie fungiert als Fachzentrum Bienen. clk/Foto: LWG

 
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