
"Wir treffen uns in einer Schale Tee" heißt ein Sprichwort in Japan. Und wer der Teesommelière Petra Bareis dabei zuschaut, wie sie hingebungsvoll verschiedene Päckchen vor sich auf dem Tisch arrangiert, das Tablett in die richtige Position schiebt und die Kanne darauf abstellt, der merkt schnell: Hier geht es um mehr als nur ein Getränk, hier geht es um Kultur.
So gibt es die japanische Teezeremonie, die stets nach bestimmten Regeln abläuft und der die Philosophie des Zen zugrunde liegt. Auch bei den Briten spielt das Heißgetränk eine große Rolle, während sich in Deutschland – abgesehen von Ostfriesland – eher nicht von einer ausgeprägten Tee-Kultur sprechen lässt. Wobei, immerhin, im Winter werde auch bei uns mehr getrunken als im Sommer, sagt Petra Bareis: "Da kommen schnell Assoziationen mit Gerüchen und Geschmäckern wie Apfel, Nelke, Zimt und Marzipan", sagt Petra Bareis, während sie die Glaskanne vor sich auf dem Tisch Löffel für Löffel mit Tee befüllt.

Wohlgemerkt mit echtem Tee, sprich den Pflanzenteilen der Camellia Sinensis: Bei der Verarbeitung fermentiert werden sie zu Schwarztee, gedämpft oder erhitzt zu Grüntee. Was in Deutschland landläufig Kräuter- oder Früchtetee genannt wird, ist genau genommen nur ein Tee-ähnliches Erzeugnis, sagt Petra Bareis. Weil es eben nicht von der echten Teepflanze stammt: "Im englischsprachigen Ausland ist das etwas besser auseinanderzuhalten, da heißen diese Mischungen Infusion."
Zum Verbrauch des ältesten Heißgetränks der Welt nennt Bareis Zahlen des deutschen Teeverbandes aus dem Jahr 2018: Rund 70 Liter Tee trinkt der Deutsche im Durchschnitt pro Jahr, wovon etwa 30 Liter auf Grün- und Schwarztee und rund 40 Liter auf Kräuter- und Früchtetees entfallen. In Tonnen ausgedrückt, sind das an die 19 500 pro Jahr. Auf Rang eins der Beliebtheitsskala steht allerdings immer noch Kaffee: 164 Liter pro Jahr und Kopf.
"Erfreulich hoher" Tee-Konsum
Beim Tee-Verband freut man sich dennoch, dass sich der Teekonsum "auf einem erfreulich hohen Niveau" eingependelt hat. Sie selbst trinke etwa 1,5 Liter Tee pro Tag, sagt Petra Bareis, "allerdings ab 14 Uhr keinen schwarzen oder grünen mehr". Sie ist in Öhringen bei Heilbronn aufgewachsen und hat sich seit jeher für Botanik und Kräuter interessiert. Ihre Ausbildung zum Teesommelière hatte die Diplom-Bibliothekarin schon in der Tasche, als es sie vor zehn Jahren beruflich nach Würzburg verschlug.
"Fertig" sei sie mit dem Thema Tee deshalb aber noch lange nicht, sagt die Fachfrau. Seit sie in Unterfranken lebt, ist sie Schülerin von Barbara Lohoff und lässt sich von ihr in die Geheimnisse der japanischen Teezeremonie einführen. An einen Tag, an dem sie einmal keinen Tee getrunken hat, kann sich Bareis nicht erinnern. "Allerdings trinke ich auch gerne Espresso. Ich bin Genießerin, keine Extremistin", sagt die 49-Jährige, lacht und fügt gleich noch eines ihrer Lieblingszitate an: "Man trinkt Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen."
Auch, aber nicht nur, muss hier ergänzt werden. Denn der regelmäßige Konsum verbessere auch die Geschmacksnerven, und für einen Sommelier, einen Getränke-Experten, sei es unabdingbar, trinkend den Geschmackssinn zu verfeinern. Ohne die jahrelange Erfahrung ist das Wissen, dass man in einem zertifizierten Lehrgang erwerben kann, kaum mehr als Theorie.
Denn Lehrgang zur Sommelière hat Petra Bareis vor über zehn Jahren bei der IHK Bonn/Rhein-Sieg gemacht- und gelernt, wie man Tee zubereitet, schmeckt, mit allen Sinnen genießt - und was seine ernährungsphysiologischen Aspekte sind. Für die Vermittlung des Wissens sowie praktische Übungen sind 100 Unterrichtseinheiten in vier Blöcken angesetzt. Am Ende, sagt Petra Bareis, "ist man auch eine Art Botschafter für den Tee".
Unterdessen hat sie den Chai - aus Kardamom, Ingwer, Zimt und klein gehackter Schale der Kakaofrucht - mit kochendem Wasser übergossen. Es duftet! Wer mag, sagt Bareis, kann außerdem noch Gewürznelken und schwarzen Pfeffer dazu geben. Wie viel von welcher Zutat in die Kanne kommt, dafür gebe es kein Pauschalrezept. Es darf experimentiert werden: "Das macht jeder nach seinem Gusto, genau das finde ich spannend."

Wichtige Unterschiede gibt es indes nicht nur bei der Zusammensetzung der Zutaten, sondern auch bei der Ziehzeit und der Temperatur des Wassers. Grundsätzlich gilt: Je länger der Tee im Wasser bleibt, desto intensiver oder bitterer kann er schmecken. Grüntee soll mit maximal 80 Grad warmem Wasser aufgegossen werden, "sonst verreißt er", sprich er wird zu bitter. Für Schwarztee gilt eine Temperatur von 90 Grad. Die Tee-ähnlichen Erzeugnisse sollten mit kochendem Wasser übergossen werden, die Ziehzeit beträgt mindestens zehn Minuten, damit eventuell vorhandene Bakterien absterben.
Eines empfiehlt Tee-Expertin Bareis aber jedem: entweder eine geruchsneutrale Glaskanne oder für jede Tee-Art ein eigenes Gefäß zu nutzen. "Die nimmt den jeweiligen Geschmack an." Den frisch zubereiteten Gewürztee gießt Bareis aus einer Glaskanne in die mitgebrachten Trinkschalen und verweist auf die stimmungsaufhellende Wirkung des Zimt.

Auf die gesundheitlichen Aspekte einzelner Wirkstoffe will sie nicht näher eingehen - "ich bin ja kein Arzt oder Apotheker". Der deutsche Teeverband indes verweist darauf, dass etwa der Inhaltsstoff Fluorid zum Schutz vor Karies dient, Catechine Erkrankungen vorbeugen und Mangan ein wichtiger Mineralstoff für die Knochensubstanz sein kann. Wie wohltuend Salbei bei Halsbeschwerden oder Kamille bei Übelkeit wirken können, wissen viele Teetrinker aus eigener Erfahrung.
Zimt und Schokolade in der ayuverdischen Mischung, die Bareis mitgebracht hat, machen übrigens tatsächlich gute Laune. Dafür sorgt schon der Geruch. Und vielleicht auch Bareis' Hinweis, man dürfe den Tee wie bei der Weinverkostung schlürfen. Zum Schluss hat die Expertin noch zwei Tipps: Lose gekaufter Tee lässt sich immer mehrmals aufbrühen und ist so im Endeffekt im Vergleich zu den Beuteln gar nicht so teuer, wie man vielleicht denken mag. Und wer ganz sparsam ist (und etwas für seine Gesundheit tun will), der könne sich den Satz - zumindest von Grüntee - am Ende sogar noch aufs Brot legen und essen.

Veranstaltungstipp: In ihrer "Lernwerkstatt" laden Stadtbücherei und Volkshochschule Würzburg am Samstag, 29. Februar, von 11 Uhr bis 13 Uhr zur Veranstaltung "Genusswelt Tee" im Dauthendeysaal im Falkenhaus Würzburg. Petra Bareis und Anja Teitscheid leiten den Workshop zum Thema "Frühlingserwachen" mit Kräuter- und Früchtetees. Eintritt fünf Euro - inklusive Verkostung und Mischung. Anmeldung unter Tel. (0931) 37 24 44.
Kurkuma, Zimt , Ingwer und Pfeffer (jeweils in Pulverform) nach belieben mischen. Einen Teelöffel davon in 200 Milliliter Milch aufkochen und mit Honig abschmecken. "Das ist eines meiner Lieblingsgetränke. Es wärmt von innen", sagt Petra Bareis. Sie rät, bei der Mischung vor allem Kurkuma zu verwenden und diesen mit etwas Pfeffer, einer Prise Zimt und ordentlich Ingwer anzureichern.
Für etwa 30 Stück braucht es 200 Gramm Blockschokolade, 400 Gramm weiße Schokolade, 200 Milliliter süße Sahne, 70 Gramm Butter, 20 Gramm Schwarztee sowie Ingwer und Nelken (beides gemahlen). Die Blockschokolade im Wasserbad schmelzen und beiseite stellen. In einem anderen Gefäß weiße Schokolade im Wasserbad schmelzen. Sahne und Butter dazugeben und alles gut verrühren. Den Tee sowie jeweils eine Prise Ingwer und Nelken hinzufügen. Die weiße Schokoladenmischung heraus nehmen und einige Minuten fest werden lassen. Wenn die Masse die richtige Beschaffenheit hat, aus der weißen Schokolade kleine Kugeln formen und in die flüssige Gewürzschokolade tauchen. Abkühlen lassen und servieren.
Für eineinhalb Liter Punsch braucht es vier Teelöffel Assamtee, eine unbehandelte Zitrone, vier unbehandelte Saftorangen, zwei Teelöffel Honig, eine Flasche Rotwein, zwei Gewürznelken, eine Zimtstange, eine Sternanis, vier Zentiliter Rum. Gut 600 Milliliter Wasser aufkochen, den Tee übergießen und drei Minuten ziehen lassen. Dann abseihen.