Die Bühne ist in grünes Licht gehüllt, Blüten und Lianen hängen von der Decke, der Raum wirkt wie ein Wald, ein Dschungel, eine andere Welt. Langsam und vorsichtig betreten die Tänzer die Bühne, zunächst allein, dann mehr und mehr gemeinsam. Es sind die Mitglieder des integrativen Tanzensembles des Theaters Augenblick, die zur Premiere des Stückes "Ich nehme dich an die Hand und führe dich in meine Welt..." das Publikum mit auf eine Reise in die Welt des Tanzes nehmen.
Vor Beginn der Vorstellung dankte Theaterleiter Stefan Merk nicht nur allen Anwesenden im vollbesetzten Haus, sondern auch den Förderern des Theaters, ohne die solche Produktionen gar nicht erst möglich wären. Als eigenständiger Fachbereich der Mainfränkischen Werkstätten stellt das Theater Augenblick Menschen mit Behinderung als professionelle Schauspieler an – und ist somit das erste und einzige Theater Bayerns, welches dies als Beruf und nicht als Freizeitbeschäftigung ermöglicht. Da die Eintrittsgelder der Theaterproduktionen zur Finanzierung der Löhne der Schauspieler mit Behinderung verwendet werden, erfreut eine so gut besuchte Premiere umso mehr.
Fragen aus dem Alltag werden tänzerisch beantwortet
Gemeinsam mit Choreographin und Regisseurin Lisa Kuttner haben die vier Tänzerinnen und vier Tänzer eine Aufführung erarbeitet, die sich um Fragen dreht, die man aus dem Alltag kennt: Wie begegne ich Menschen, die ich noch nicht kenne? Wie begegnen sie mir? Was verbindet uns? "Ich nehme dich an die Hand und führe dich in meine Welt..." erzählt von Nähe und Ferne, von Einsamkeit und Gemeinsamkeit, davon was passiert, wenn man sich aufeinander einlässt anstatt sich vor Anderen zu verschließen. Dafür braucht es kaum Worte, der Tanz der Gruppe bringt die Emotionen deutlich zum Ausdruck.
In Zusammenarbeit mit Tanzraum Würzburg stehen sowohl Tänzer mit als auch ohne Behinderung auf der Bühne. Joel Simmling, Fabian Dinsing, Laura Juretzka, Amanda Huth, Michael Weidner, Jonathan Glaser, Sophia Höllerich und Helene Straube tasten sich aneinander heran, lassen sich aufeinander ein und lernen sich kennen. Mit ausdrucksstarken Szenen ermöglichen sie dem Publikum die selbe Erfahrung und zeigen was passieren kann, wenn man sich unvoreingenommen auf seine Mitmenschen einlässt.
Vorbereitungen dauerten eineinhalb Jahre
Eineinhalb Jahre haben sich Lisa Kuttner und die Gruppe auf die Premiere vorbereitet, die Mühe und die oftmals nicht einfache Arbeit haben sich gelohnt. Die individuellen Fähigkeiten der Tänzer stehen im Vordergrund, ohne dass der Gesamteindruck als Aufführung eines gleichwertigen und miteinander arbeitenden Ensembles verloren geht. Lisa Kuttner wollte, "dass aus der Unterschiedlichkeit ein Ensemble wird" und hat dieses Ziel ohne Frage erreicht. Das Stück zeigt, dass Zusammenarbeit nicht nur möglich, sondern nötig für ein verständnisvolles Miteinander ist, unabhängig von allen Unterschieden.
Berührungsängste seien nicht nur im Alltag, sondern auch im Ensemble selbst ein immer wiederkehrendes Thema, so Kuttner. Neuere und langjährige Mitglieder müssen sich ebenso kennenlernen und aufeinander einlassen wie das Publikum. "Ich nehme dich an die Hand und führe dich in meine Welt..." schafft es ebenso wie das Theater Augenblick selbst diese Berührungsängste abzubauen und nimmt seine Zuschauer sowohl sinnbildlich als auch buchstäblich an die Hand und mit in eine ganz besondere Welt.
Nächste Vorstellungen: 19., 22., 23., 29., 30. November um 19.30 Uhr, 28. November um 10 Uhr im Theater Augenblick: Im Kreuz 1. Kontakt: Tel. (09 31) 200 90 17